Recht 07.08.2013
Einordnung Mundspüllösung als Arzneimittel?
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In seiner Entscheidung vom 20.06.2013 (6 U 109/07) hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen eine Mundspüllösung mit dem Wirkstoff Chlorhexidin als sogenanntes Funktionsarzneimittel zu qualifizieren ist, dass einer Zulassung bedarf.
Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass eine Mundspüllösung, deren Wirkstoff (Chlorhexidin) den bakteriellen Zahnbelag reduziert und damit der Entstehung von Gingivitis vorbeugt, als Funktionsarzneimittel einzuordnen ist, soweit der Wirkstoff in einer Menge enthalten ist, die im konkreten Fall zu einer signifikanten Beeinflussung der Körperfunktionen führt.
Der Fall
Gegenstand des Rechtsstreits war der Vertrieb einer Chlorhexidin enthaltenden Mundspülung als kosmetisches Mittel, wogegen sich ein Mitbewerber wandte. Bei dem Mundspülmittel handele es sich um ein Arzneimittel im Sinne des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG), weil ihm eine pharmakologische Wirkung zukomme. Sie führe zu einer Reduktion von Speichelbakterien und habe auf diese Weise eine therapeutische bzw. klinische Wirkung bei Gingivitis.
In der Vorinstanz wurde die Klage des Mitbewerbers mit der Begründung abgewiesen, dem Mittel komme eine pharmakologische Wirkung nicht zu.
Im Rahmen der Berufung machte die Konkurrenzfirma deutlich, dass das Produkt bei bestimmungsmäßigem Gebrauch physiologische Funktionen des Körpers nicht nur unwesentlich, sondern in signifikanter Weise beeinflusse. Es trete eine vollständige Subpression der oralen Mikroflora ein.
Zahlreiche chlorhexidinhaltige Produkte seien im In- und Ausland als Arzneimittel zugelassen. Die Firma vertreibe ihre Mundspüllösungen außerdem „apotheken- und zahnarztexklusiv". Dies spreche dafür, dass erhöhte Risiken und Nebenwirkungen bestehen und deshalb eine Einstufung als Funktionsarzneimittel geboten sei.
Körperfunktionen werden beeinflusst
Vor dem OLG Köln konnte sich die Konkurrenzfirma mit ihrer Argumentation durchsetzen. Das OLG kam zu dem Ergebnis, dass eine Wechselwirkung des Wirkstoffs Chlorhexidin mit Gingivitis auslösenden Bakterien in der Mundhöhle gegeben sei. Eine pharmakologische Eigenschaft liege damit vor.
Für die Qualifizierung als Funktionsarzneimittel müsse das Produkt aufgrund seiner Zusammensetzung – einschließlich der Dosierung seiner Wirkstoffe – bei bestimmungsgemäßem Gebrauch physiologische Funktionen des Menschen in signifikanter Weise wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen. Hierbei seien alle Merkmale des Erzeugnisses zu berücksichtigen, insbesondere seine Zusammensetzung, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann.
Wirkung geht über kosmetische Produkte hinaus
Bei dem von der Konkurrenzfirma angegangenen Produkt führe die pharmakologische Wirkung zu einer nennenswerten Beeinflussung der physiologischen Funktionen des Körpers. Es fehle nicht deshalb an der Signifikanz der Beeinflussung, weil die Wirkstoffkonzentration nur 0,12% betrage. Ihre Wirkung gehe über die antibakterielle Reinigungswirkung herkömmlicher kosmetischer Produkte wie etwa Zahnpasten hinaus.
Das in § 21 AMG enthaltene Verbot, Fertigarzneimittel ohne Zulassung durch die zuständige Bundesoberbehörde in den Verkehr zu bringen, sowie das in § 3a des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) enthaltene Werbeverbot seien Marktverhaltensregelungen. Sie dienten der Gesundheit und dem Schutz der mit Arzneimitteln in Kontakt kommenden Personen. Ein Verstoß gegen diese Vorschriften sei geeignet, die Interessen der Mitbewerber und Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen.
Quelle: lennmed.de