Recht 23.08.2016
Gefälschte Zahnarztrechnungen: Familie erbeutet halbe Million Euro
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Mit einem wirklich abstrusen „Geschäftsmodell“ und Fall musste sich das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 26.11.2015 (OVG 7 B 4.15) befassen, das tiefe Abgründe menschlicher Gier vermittelt.
Der Fall
In dem zu entscheidenden Fall fälschte die Ehefrau eines Justizwachtmeister in zahlreichen Fällen dessen Unterschrift auf Beihilfeanträgen und kreierte zudem Zahnarztrechnungen. Auf diese Weise wurden 144 Bewilligungsbescheide erlassen. Dies war allerdings nur möglich, da die Tante des Justizwachtmeister in der Beihilfestelle saß und bereitwillig bewilligte. Die umfangreichen Leistungen der Beihilfe wurden dann auf das Konto der Ehefrau ausgezahlt, die sich die Beute von 555.287,95 Euro schwesterlich mit der Tante teilte.
Die Ehefrau wurde deshalb durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. Juni 2010 - (517) 2 Wi Js 182/08 KLs (7/10) - wegen Beihilfe zur Untreue, Urkundenfälschung und Bestechung, die Tante u.a. wegen Untreue und Bestechlichkeit zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
2008 erkrankte der ahnungslose Justizwachtmeister und wurde 2010 in den Ruhestand versetzt.
Regress gegen Ehefrau, Tante und Beamten
Mit rechtskräftig gewordenem Anerkenntnisurteil vom 1. Oktober 2009 verurteilte das Landgericht Berlin die Ehefrau und Tante zur Zahlung von 555.287,95 Euro nebst Zinsen an das Land Berlin.
Mit Bescheid vom 4. Februar 2011 nahm das Landesverwaltungsamt Berlin zudem verschiedene Beihilfebescheide hinsichtlich des Erstattungsbetrages aus gefälschten Rechnungen als rechtswidrige Verwaltungsakte zurück. Den Widerspruch des Justizwachtmeisters wies das Landesverwaltungsamt Berlin mit Widerspruchsbescheid zurück, worauf dieser vor dem Verwaltungsgericht Berlin erfolglos klagte. Zwar sei eine positive Kenntnis von dem betrügerischen Verhalten seiner Ehefrau nicht feststellbar. Jedenfalls aber habe er die Rechtswidrigkeit der Beihilfebewilligungen infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt. Ihm sei in Bezug auf seine beihilferechtlichen Angelegenheiten im Rahmen des zwischen ihm und dem Beklagten bestehenden beamtenrechtlichen Treueverhältnisses eine Nachlässigkeit anzulasten, die als grobe Sorgfaltswidrigkeit angesehen werden müsse.
Auch mit seiner Berufung scheiterte der Justizwachtmeister, wobei allerdings die Revision vom LSG Berlin-Brandenburg zugelassen wurde (grundsätzliche Bedeutung der Frage, ob bei kollusivem Zusammenwirken zwischen dem Vertreter der Behörde und dem Vertreter des Adressaten eines mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakts ein Nichtakt oder ein zurücknehmbarer Verwaltungsakt vorliegt).
Quelle: lennmed.de