Recht 09.08.2016
Videoüberwachung in einer Zahnarztpraxis – Wo sind die Grenzen?
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Das Verwaltungsgericht Potsdam hat sich in seinem Urteil vom 20.11.2015 (9 K 725/13) mit der Frage befasst, inwieweit datenschutzrechtliche Maßnahmen wegen Videoüberwachung in einer Zahnarztpraxis statthaft waren. Eine Videoüberwachung (z.B. an der Praxistür, in der Tiefgarage) ist datenschutzrechtlich nur in ausgesprochen engen Grenzen möglich, wobei hier die rechtliche Situation sehr genau geprüft werden muss, um sich keinen Ärger einzuhandeln.
Der Fall
Eine Zahnärztin brachte in ihren Praxisräumen insgesamt drei Videokameras an (im Eingangsbereich an einer Säule am Anmeldetresen, welche auf den Flur vor dem Tresen und in zwei Laser-Behandlungszimmern). Die Monitore zum Betrachten der Aufnahmen befanden sich in den Behandlungszimmern. An der Eingangstür zur Praxis, im Rezeptionsbereich und in den mit Kameras ausgestatteten Behandlungsräumen hatte die Zahnärztin Schilder mit der Aufschrift „Videogesichert“ angebracht.
„Begehung durch Datenschutzbehörde“
Nach einer anonymen Beschwerde wurde die Zahnärztin von der zuständigen Datenschutzbehörde „begangen“ und die Zulässigkeit der Videoüberwachung in Abrede gestellt. Die Zahnärztin wandte hiergegen u.a. ein, dass mit der Videoüberwachung keine Speicherung der Daten verbunden sei. Zudem ließe die Personalstruktur der Praxis eine ständige Anwesenheit von Mitarbeitern im Empfangsbereich nicht zu. Zugriff auf die durch die Kamera aus dem Eingangsbereich übertragenen Bilder habe nur Praxispersonal., wobei die Kameras in den Behandlungszimmern noch nicht in Betrieb gewesen seien und die Videoaufnahmen von Einwilligungserklärungen der Patienten abhängig seien.
Zudem legte die Zahnärztin ein Überwachungskonzept vor, wonach der Zweck der Videoüberwachung des Empfangsbereichs „Prävention, Schutz der Patienten, der Mitarbeiter und der Praxisinhaberin vor Straftaten in der Praxis (insbesondere vor Eigentumsdelikten und körperlichen Übergriffen)“ sei. Zudem wurde darin auch noch u.a. die Begründung; „Prävention: Überwachung „eingespritzter“ Patienten im Wartebereich“ angegeben.
Verbot umfassender Videoüberwachung, umfangreiche Anordnungen
Mit ihrer Argumentation konnte sich die Zahnärztin nicht durchsetzen, wobei gegen sie umfassende Anordnungen erlassen wurden. Ihr wurde aufgegeben:
- Während der faktischen Besuchszeiten in den Behandlungszimmern vorhandene Videokameras auszuschalten und - ebenso wie gegebenenfalls auf diese hinweisende Piktogramme - zu entfernen/abzudecken/deutlich als inaktiv zu kennzeichnen.
- Während der faktischen Besuchszeiten der Praxis die Kamera beim Anmeldetresen lediglich auf den Mitarbeiterbereich hinter dem Tresen auszurichten und so abzudecken/so zu ummanteln, dass ersichtlich ist, dass der öffentlich zugängliche Bereich nicht überwacht wird.
- Der vorhandene Hinweis (Piktogramm an der Säule) auf eine Videobeobachtung im öffentlich zugänglichen Bereich der Praxis während der faktischen Besuchszeiten der Praxis zu entfernen/so abzudecken/zu kennzeichnen, dass offensichtlich wird, dass er in dieser Zeit für den öffentlich zugänglichen Bereich keine Anwendung findet.
- Während der faktischen Besuchszeiten der Praxis ist das auf die Videoüberwachung hinweisende Piktogramm außerhalb der Zahnarztpraxis zu entfernen/so abzudecken/zu kennzeichnen, dass offensichtlich wird, dass es in dieser Zeit keine Anwendung findet.
Zur Begründung wurde in der Anordnung u.a. ausgeführt, dass während der Besuchszeiten der Praxis sowohl die Videobeobachtung der öffentlich zugänglichen Räume als auch der Behandlungszimmer unzulässig sei. Die Videoüberwachung beurteile sich vorliegend während der faktischen Öffnungszeiten der Praxis nach § 6b des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG), wobei es nicht erforderlich sei, dass Bilder gespeichert oder aufgezeichnet würden.
Die Entscheidung
Gegen die vorstehenden Anordnungen erhob die Zahnärztin Klage.
Videoüberwachung im Behandlungszimmer mit Einwilligung
Mit ihrer Klage konnte die Zahnärztin nur gegen eine der vorstehenden Anordnungen durchsetzen, wonach ihr aufgegeben worden war, während der faktischen Besuchszeiten der Praxis in den Behandlungszimmern die vorhandenen Videokameras auszuschalten und diese mir Piktogrammen als inaktiv zu kennzeichnen. Da es sich insoweit zum einen nicht um öffentlich zugängliche Räume handele und es sich um besondere Arten personenbezogener Daten im Sinne von § 3 Abs. 9 BDSG (Gesundheit) handele, sei das Verbot an § 28 Abs. 6 bis 8 BDSG zu messen. Danach sei das Erheben und Nutzen von besonderen Arten personenbezogener Daten u.a. mit Einwilligung zulässig. Die Behörde dürfe die Möglichkeit einer wirksamen Einwilligungsentscheidung der Patienten nicht übergehen. Da das Verwaltungsgericht nicht berufen sei, an die Stelle der fehlerhaften Ermessensentscheidung der Behörde eine eigene Ermessensentscheidung zu stellen, sei die Anordnung aufzuheben.
Videoüberwachung im öffentlichen Raum – Persönlichkeitsrecht ist zu beachten
Die übrigen Anordnungen der Behörde wurden vom Verwaltungsgericht bestätigt. Bei der in Rede stehenden Videobeobachtung handele es sich um die Erhebung von personenbezogenen Daten Betroffener im Sinne des § 3 Abs. 3 BDSG zum Zweck der Nutzung und zwar unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen, namentlich der Kameras und der Monitore. Die Videoüberwachung sei u.a. nur zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich sei und keine Anhaltspunkte bestünden, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Bei der von der Zahnärztin praktizierten Videobeobachtung des Eingangs- und Wartebereichs ihrer Praxis handele es sich um die Beobachtung eines öffentlich zugänglichen Raums. Die Praxis sei nämlich nicht verschlossen, wobei vielmehr bezweckt sei, dass zunächst grundsätzlich jedermann eintreten könne.
Piktogramm "Videoüberwachung" führt nicht zur Einwilligung
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes führte auch das Anbringen eines Schildes mit Hinweis auf die Videoüberwachung nicht zu einer wirksamen Einwilligung der Praxisbesucher. Eine Einwilligung sei nur wirksam ist, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruhe. Die Einwilligung bedürfe der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen sei. Die Videoüberwachung des Eingangs- und Wartebereichs sei weder zur Wahrnehmung des Hausrechts noch zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke in einer Weise erforderlich, die das schutzwürdige Interesse der Betroffenen, sich einer solchen Beobachtung nicht auszusetzen, aufwiegen.
Kontrolle des Eingangs- und Wartebereich – Videoüberwachung beeinträchtigt Persönlichkeitsrecht zu stark
Der Zahnärztin sei im Hinblick auf die bezweckte Verhinderung von Straftaten entgegenzuhalten, dass für eine insoweit erhöhte Gefahrensituation keine greifbaren Anhaltspunkte vorlägen. Die Gefährdungslage entspricht vielmehr grundsätzlich anderer vergleichbareren Arztpraxen. Was die Besonderheit der Praxis ausmache, sei, dass sie ungehindert betreten werden könne und im Eingangs- und Wartebereich grundsätzlich kein Personal anwesend sei. Eine entsprechende Zutrittskontrolle bzw. Personaleinsatz würde das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen weniger beeinträchtigen.
Fazit
Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass eine Videoüberwachung in Arzt- und Zahnarztpraxen eine sehr heikle Angelegenheit ist. Unzulässige Maßnahmen können dabei mit hohen Bußgeldern geahndet werden. Es empfiehlt sich daher die rechtliche Situation sehr genau zu prüfen, wenn man eine Videoüberwachung durchführen möchte. Denkbar wären z.B. ein Schutz einer schon oft von Graffiti verschmutzten Hausfassade oder Tiefgarage durch Anbringen einer Kamera oder Kameraattrappe, wobei aber selbst solch verständliche Maßnahmen sorgfältig rechtlich geprüft werden müssen.
Quelle: lennmed.de