Recht 18.05.2016
Gewerbesteuerpflicht für die Zahnarztpraxis!
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Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs können in Gemeinschaftspraxisverträgen gefährliche Fallen lauern. Gemeinschaftspraxisverträge, die lange nicht angepasst worden, aber vermutlich auch eine Vielzahl neuerer Verträge, beinhalten steuerrechtliche Fallstricke.
Dies nicht allein vor dem Hintergrund der Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung, sondern wie durch zwei aktuelle Revisionsentscheidungen des Bundesfinanzhofes deutlich wird, drohen unter Umständen auch massive steuerrechtliche Nachteile (BFH Urteile vom 03.11.2015 – Az.: VIII R 62/13 und VIII R 63/13).
Den Entscheidungen des Bundesfinanzhofes liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die drei beteiligten Ärzte schlossen einen Vertrag über die Errichtung einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis. Eine Beteiligte war „zu Null an den materiellen Werten der Gemeinschaft beteiligt“, weiterhin war vereinbart, dass sie „37 Prozent vom eigenen Honorarumsatz für die ersten 200.000 DM“ und „42 Prozent vom eigenen Honorarumsatz für die darüber liegende Summe“ erhalten sollte, „sofern ein entsprechender Gewinn erzielt wird“. Eine Verfügungsmacht über die Konten und die Barkasse der Praxis hatte sie nicht. Für den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft sahen die vertraglichen Regelungen keine Abfindungszahlungen vor. Vereinbart war jedoch eine Konkurrenzklausel, mit der den Gesellschaftern untersagt wurde, sich innerhalb von drei Jahren nach ihrem Ausscheiden in einem Umkreis von 15 Kilometern um den Sitz der Praxis als Arzt mit Privat- oder Kassentätigkeit niederzulassen bzw. eine vergleichbare Tätigkeit in einem Krankenhaus auszuüben.
Im Guten wie im Schlechten
Bereits mit seiner Entscheidung vom 23.06.2010 – Az.: B 6 KA 7/09 R – hat das Bundessozialgericht deutlich gemacht, dass Vertragsgestaltungen, die mit den hier geschilderten vertraglichen Vereinbarungen vergleichbar sind, nicht die Voraussetzung für die Tätigkeit als Vertragsarzt in „freier Praxis“ erfüllen. Nach der Auffassung des Bundessozialgerichtes gehört es zwingend zum Merkmal der Tätigkeit in „freier Praxis“, dass der Vertragsarzt sowohl im positiven als auch im negativen Sinne an den Chancen und Risiken der Praxis beteiligt sein muss. Dies bedeutet, dass der Vertrag zwingend so gestaltet sein muss, dass eine Verlustbeteiligung im Negativfall erfolgt und darüber hinaus auch für den Fall des Ausscheidens grundsätzlich eine Beteiligung am immateriellen Wert der Praxis im Rahmen der Abfindung erfolgt. Für den Fall, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, liegt keine wirksame Teilnahme des Gesellschafters an der vertragszahnärztlichen Versorgung vor, mit der Konsequenz, dass die entsprechenden Honorarbescheide unwirksam sind und das Honorar zurückzufordern ist.
Der Bundesfinanzhof hat sich bei der vorliegenden Konstellation mit der Frage auseinandergesetzt, ob bei der geschilderten vertraglichen Konstruktion im steuerlichen Sinne eine Mitunternehmerstellung bejaht werden kann und dies ausdrücklich verneint. Der Bundesfinanzhof macht hierbei deutlich, dass es für die steuerrechtliche Betrachtung dahinstehen kann, ob die zivilrechtliche Konstruktion als solche zulässig ist und die Gesellschafterin wirksam als Gesellschafterin der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes anzusehen ist. Er macht hierbei deutlich, dass die zivilrechtliche Betrachtung allein keine Aussage darüber beinhaltet, ob mit der Beteiligung eine Mitunternehmerstellung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) begründet ist.
Der BFH führt aus, dass nur der als Mitunternehmer anzusehen ist, der aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung Mitunternehmerinitiative ausüben kann und ein Mitunternehmerrisiko trägt.
Hierbei definiert er das Mitunternehmerrisiko als Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens. Er führt hierzu aus: „Dieses Risiko wird im Regelfall durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswertes vermittelt.“ Als Gegenstand der Mitunternehmerinitiative sieht der BFH vor allem die Teilnahme an den unternehmerischen Entscheidungen, wobei hierbei die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten der gesetzlichen Regelungen der BGB-Gesellschaft entsprechen, vorliegen müssen.
Zwei Seiten der Medaille – Unternehmensinitiative und -risiko
Weiterhin macht der BFH deutlich, dass die Merkmale der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos je nach vertraglicher Gestaltung mehr oder weniger stark ausgeprägt sein können, jedoch müssen beide Merkmale vorliegen. Die Schwäche des einen Merkmals kann durch die Stärke des anderen Merkmals kompensiert werden, so kann z. B. ein geringes Initiativrecht durch ein besonders stark ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko ausgeglichen werden und umgekehrt. Er führt aus, dass allein aus dem Umstand, dass ein Gesellschafter weder am Gewinn und Verlust noch am Vermögen der Gesellschaft teilhat, nicht ohne Weiteres dessen Mitunternehmerstellung ausgeschlossen werden kann. Jedoch sei dies dann durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative auszugleichen. Wie eine solche Mitunternehmerinitiative aussehen könnte, führt der BFH allerdings nicht weiter aus. Denkbar ist hier zum Beispiel die Kumulation von Entscheidungsbefugnissen in Fragen, die für die Gesellschaft von besonderer Wichtigkeit sind, bei dem Gesellschafter. Dies kann etwa angenommen werden, wenn dieser Gesellschafter überragenden Einfluss auf die wirtschaftliche Ausrichtung und Investitionen der Gesellschaft hat oder ihm die alleinige Entscheidung in Personalfragen obliegt, sofern die Gesellschaft über eine relevante Zahl von Mitarbeitern verfügt.
Vor diesem Hintergrund hat der BFH den konkreten Vertrag überprüft. Er stellt hierzu fest, dass die Gesellschafterin nicht am Gewinn der GbR beteiligt ist, sondern nur eine Quote der von ihr selbst erzielten Einnahmen erhält und sie – wenn überhaupt – nur begrenzt am Verlust der Gesellschaft teilnimmt. Darüber hinaus hat der BFH bemängelt, dass sie weder an den materiellen Werten der GbR beteiligt ist noch für den Fall ihres Ausscheidens aus der Gesellschaft eine Regelung im Gesellschaftsvertrag im Hinblick auf eine Beteiligung an den immateriellen Wirtschaftsgütern der GbR, also dem Goodwill, getroffen wurde. Eine solche Beteiligung kann grundsätzlich auch in der „Mitnahme“ der eigenen Patienten gesehen werden. Jedoch war auch diese wohl nicht gewollt, da die Parteien eine Konkurrenzschutzklausel vereinbart hatten. Der BFH schließt hieraus, dass eine, wie auch immer geartete Beteiligung am Goodwill offensichtlich nicht gewollt gewesen sei. Zusammengefasst sei das Mitunternehmerrisiko hier nur äußerst gering ausgeprägt gewesen. Vor dem Hintergrund, dass der Gesellschafterin keine starke Mitunternehmerinitiativbefugnis eingeräumt wurde, was daran deutlich wird, dass sie nicht einmal zur Verfügung über die Konten der Praxis berechtigt war, sah der BFH die Einschränkungen des Mitunternehmerrisikos nicht durch eine entsprechende Mitunternehmerinitiative ausgeglichen.
Der BFH gelangte somit zu dem Ergebnis, dass die Gesellschafterin im steuerlichen Sinne nicht als Mitunternehmerin anzusehen ist und folglich auch keine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung der drei Gesellschafter erfolgt, da steuerlich nur von zwei Mitunternehmern auszugehen sei. Die sich hieraus ergebende Konsequenz war dann wiederum, dass die Einkünfte dieser Berufsausübungsgemeinschaft als Einkünfte eines Gewerbebetriebes, also mit entsprechender Gewerbesteuerpflicht, anzusehen sind.
Voraussetzung für die Unterwerfung einer Personengesellschaft unter die Regelung der freien Berufe ist es, dass sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufes erfüllen. Hierbei ist zu beachten, dass aufgrund der fehlenden Mitunternehmerstellung die Tätigkeit der Gesellschafterin nicht mehr der Tätigkeit der Personengesellschaft zugeordnet wird. Die Tätigkeit eines Angehörigen eines freien Berufes oder hier einer Personengesellschaft im Bereich eines freien Berufes ist auch dann freiberuflich, wenn sie sich der Mithilfe fachlich fortgebildeter Arbeitskräfte bedient. Voraussetzung ist dabei jedoch eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit desjenigen, der sich der Hilfe bedient. Für einen Arzt bedeutet dies, dass er eine höchstpersönliche, individuelle Arbeitsleistung am Patienten schuldet und deshalb einen wesentlichen Teil der ärztlichen Leistungen selbst erbringen muss (BFH Urteil vom 16.07.2014 – Az.: VIII R 41/12). Da aber die Nichtmitunternehmergesellschafterin ihre Patienten eigenverantwortlich behandelt hat und eine Überwachung durch die beiden anderen Gesellschafter ebenso wenig erfolgte wie deren persönliche Mitwirkung an der Behandlung der Patienten, ist dieses Kriterium nicht erfüllt.
Die Konsequenz hieraus ist, dass die Leistungen, die die Nichtmitunternehmergesellschafterin für die Gesellschaft gegenüber den Patienten erbracht hat, mangels Verantwortlichkeit der Mitunternehmergesellschafter nicht mehr als freiberuflich, sondern als gewerblich zu qualifizieren sind. Als Ergebnis hieraus waren sämtliche Einkünfte der Praxis als Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusehen und in entsprechender Höhe der Gewerbesteuer zu unterwerfen.
Auch diese Entscheidungen des Bundesfinanzhofes machen deutlich, dass über die Notwendigkeiten des Vertragszahnarztrechtes hinaus Gesellschaftsverträge, die derartig einschränkende Regelungen für die Gesellschafterstellung vorsehen, einer kritischen Überprüfung unterzogen werden sollten, um entsprechende Nachteile sicher vermeiden zu können.