Recht 01.11.2023

Praxismietverträge: Fallstricke vermeiden



Praxismietverträge: Fallstricke vermeiden

Foto: nuchao – stock.adobe.com

In der Beratungspraxis ist immer wieder zu beobachten, dass Praxisinhaber Praxismietverträge rechtlich stiefmütterlich behandeln. Das ist erstaunlich, ist der Mietvertrag doch das Rückgrat der eigenen wirtschaftlichen Existenz. Im Nachgang skizziere ich häufige Konstellationen aus meiner Beratungspraxis mit dem Ziel, ausreichendes Problembewusstsein zu schaffen.

1. Fehlendes Vertrags- und Fristenmanagement

Bekanntlich werden Praxismietverträge für längere Zeiträume abgeschlossen, oftmals gekoppelt mit Verlängerungsoptionen für den Mieter. In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass die Mieter die Laufzeiten sowie die Fristen für die Ausübung von Verlängerungsoptionen nicht im Blick haben und dadurch der Vermieter ein leichtes Spiel hat, den Mieter bei der anstehenden Neuverhandlung der Laufzeit wirtschaftlich unter Druck zu setzen. Gleiches gilt für etwaige Mieterhöhungen, beispielsweise im Rahmen einer Staffelmiete. Hier droht das Risiko, unwissend in einen Vertragsverstoß zu laufen.

Vorsorge:

Der Praxisinhaber sollte daher nach Abschluss eines Mietvertrags die wesentlichen Vertragsfristen eintragen und frühzeitig die Initiative in Sachen Neuverhandlung ergreifen.

2. Konkurrenzschutz – Kieferorthopäde trifft auf Allgemeinzahnärztliche Praxis

Der Mieter sollte unbedingt auf die Einräumung eines Konkurrenzschutzes bestehen, sodass der Vermieter sich verpflichtet, in dem Mietobjekt sowie in einem gewissen Umkreis keine Räume an branchengleiche Mieter zu vermieten. Kürzlich hatte sich ein Kieferorthopäde „Konkurrenz- und Sortimentsschutz für den Betrieb einer Praxis für Kieferorthopädie“ zusichern lassen. Der Kieferorthopäde wusste, dass bereits eine Zahnarztpraxis vor Ort war. Als der Zahnarzt seine Tätigkeit auf kieferorthopädische Leistungen ausweitete, minderte der Kieferorthopäde die Miete und berief sich auf Konkurrenzschutz. Der Vermieter gewann die Zahlungsklage. Da die Konkurrenzschutzklausel im Mietvertrag nichts zu Ausweitungen der beruflichen Tätigkeit anderer Mieter enthielt, trug der Kieferorthopäde als Neumieter das Risiko, dass branchennahe Mieter ihre Tätigkeit zulässigerweise ausweiten (LG Berlin, Urteil vom 15.12.2022 – 21 S 1/22). Die Entscheidung ist richtig. Der Zahnarzt war vor dem Kieferorthopäden vor Ort und darf im Rahmen seiner Tätigkeit kieferorthopädische Leistungen anbieten, ohne gegen seine Approbation zu verstoßen.

Vorsorge:

Vor Anmietung einer Praxis in einem Geschäftshaus kann nicht genug zu einer gründlichen Due Diligence und einer kompromisslosen Formulierung des vertraglichen Konkurrenzschutzes geraten werden.

3. Umsatzsteuer

Bekanntlich haben Vermieter ein Interesse daran, die Praxisräume umsatzsteuerpflichtig zu vermieten, damit sie die Vorsteuer aus den Betriebskosten und weiteren (Bau-)Kosten abziehen können. Dies funktioniert bei Ärzten und Zahnärzten nicht, da jene in der Regel keine umsatzsteuerpflichtigen Leistungen erbringen. Typischerweise wird der Vermieter den resultierenden Steuerschaden über eine erhöhte Miete abbilden. Große Vorsicht ist hinsichtlich gelegentlichen Klauselvorschlägen des Vermieters geboten, dem Mieter zusätzlich zur bereits erhöhten Miete sämtliche resultierenden (Steuer-) Schäden aufgrund der fehlenden Abzugsmöglichkeit der Vorsteuer zu ersetzen. Es droht eine grenzenlose Haftung.

Vorsorge:

Praxismietverträge sollten nicht nur mietrechtlich, sondern stets auch steuerlich geprüft werden.

4. Praxiserweiterung/Nachmieterklausel

Die Aufnahme von Partnern ist ein wiederkehrendes Motiv für den Vermieter, den Mietvertrag aufgrund vermeintlich unberechtigter Gebrauchsüberlassung zu kündigen. Dabei ist zwischen der erstmaligen Aufnahme eines Partners (und dadurch erstmaligen Gründung einer Gesellschaft) und einer bestehenden BAG, die zusätzliche Gesellschafter aufnimmt, zu differenzieren. Als grobe Richtschnur gilt, dass im Regelfall in der ersten Fallgruppe der Mieter zwingend die vorherige Zustimmung des Vermieters einholen muss und in der zweiten Gruppe, der Mieter allenfalls den neuen Gesellschafterbestand anzeigen muss. 

Vorsorge:

Die Aufnahme von Partnern sollte im Einzelfall frühzeitig mietrechtlich geprüft werden. Insbesondere sollte der Mieter auf sogenannte Change-of-Control-Klauseln im Praxismietvertrag achten. Ein weiterer klassischer Streitpunkt sind vermeintlich harte Nachmieterklauseln, die dem Mieter das Recht geben, einen Nachmieter zu stellen und gleichzeitig aus dem Vertrag entlassen zu werden. Diese Klauseln sind zweifellos hilfreich, jedoch sollte der Mieter darauf vorbereitet sein, dass die tatsächliche Nutzung der Klausel auf erhebliche Widerstände stoßen kann. So kann ein (wirtschaftlich stärkerer) Vermieter schlicht bestreiten, dass der Nachfolgemieter die für einen Vertragseintritt erforderlichen Voraussetzungen (z.B. guter Leumund, Bonität etc.) mitbringt. Der Vermieter kann auch erforderliche Mitwirkungshandlungen verweigern. Im Ergebnis hat der Vermieter ein erhebliches Verzögerungspotenzial in der Hand. Der Verweis auf mögliche Regressansprüche (entgangener Gewinn aufgrund gescheitertem Praxisverkaufs) hilft in der Rechtspraxis recht wenig weiter, da der Praxismieter die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich eines kausal durch den Vermieter verursachten Schadens hat und sämtliche Gerichtskosten vorstrecken muss.

Vorsorge:

Nachfolgeklauseln haben weiterhin ihre Berechtigung. Ihre volle Wirksamkeit entfalten sie im Zweifel aber nur, wenn sie in eine frühzeitige und professionelle Kommunikation mit dem Vermieter eingebettet sind. So sollte der Praxisinhaber frühzeitig ein mit dem Interessenten erarbeitetes Mieterdossier an den Vermieter senden, welches im Idealfall keine Fragen mit Blick auf die Seriosität des Nachmieters übrig lässt.

5. „Green Leases“ – Herausforderungen durch ökologische Vorgaben im Praxismietvertrag

Zunehmend enthalten Mietverträge Nachhaltigkeitsklauseln, wonach das Mietobjekt möglichst nachhaltig zu bewirtschaften sei. In diesem Zusammenhang existieren diverse Anbieter von Nachhaltigkeitszertifikaten (BREEAM, LEED, DGNB). Erfüllt ein Mietobjekt bestimmte technische Voraussetzungen, so kann es eine Zertifizierung erhalten. Die Zertifizierung wiederum macht das Gebäude zum einen für Mieter (Energieeinsparungen), zum anderen für Investoren interessanter. Im Einzelnen gibt es eine erhebliche Spannbreite an Nachhaltigkeitsklauseln. Zum Teil sind es reine Sprechklauseln, die also lediglich die Absicht enthalten, dass Vermieter und Mieter sich zu einer noch nachhaltigeren Nutzung austauschen werden. Es existieren jedoch auch Klauseln, die den Mieter verpflichten, sich finanziell zu beteiligen, zum Beispiel dadurch, dass der Mieter einen Teil der Mehrkosten trägt, die durch eine Zertifizierung entstehen.

Vorsorge:

Praxisinhaber sollten vermeintlich weich formulierte Nachhaltigkeitsklauseln nicht unbesehen abnicken, sondern kritisch auf mögliche Mehrbelastungen und Streitpotenzial prüfen lassen.

Schriftformmängel

Gewerbemietverträge mit einer längeren Laufzeit als einem Jahr müssen zwingend in Schriftform abgeschlossen werden (§ 550 BGB). Vereinfacht gesagt bedeutet Schriftform, dass ein Mietvertrag alle wesentlichen Vertragsinhalte enthält (Person des Vermieters, Person des Mieters, Mietobjekt, Mietdauer, Miethöhe) und der Mietvertrag durch beide Parteien unterschrieben ist. Ein Mietvertrag, welcher z.B. per E-Mail geschlossen worden ist, entspricht nicht der Schriftform. Auch alle späteren Änderungen eines Mietvertrags (Nachträge) müssen immer und ausnahmslos schriftlich festgehalten werden. Falls die gesetzliche Schriftform nicht eingehalten ist, gilt der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Dies hat zur Folge, dass jede der beiden Vertragsparteien den Vertrag mit der ordentlichen Kündigungsfrist von sechs Monaten kündigen kann. Der Vermieter könnte also den Zahnarzt per ordentlicher Kündigung „hinauswerfen“ und die Immobilie an einen besser zahlenden Mieter vermieten. So gelang es erst kürzlich einem Vermieter, einen bereits seit dem Jahr 2015 bestehenden Praxismietvertrag unter Berufung darauf, zwischenzeitlich Änderungsvereinbarungen hinsichtlich Mietfläche und Miethöhe seien nicht schriftlich erfolgt, den Mieter per Räumungsklage zu entfernen (OLG Celle, 30.06.2023 – 2 U 27/23).

Die Bundesregierung hat ein Bürokratieentlastungsgesetz angekündigt, wonach im BGB die Schriftform für Gewerbemietverträge, also auch für Praxismietverträge, nicht länger gesetzliche Norm sein soll. Dies würde dazu führen, dass Mietverträge auch in Textform abgeschlossen und geändert werden können. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Gesetzgebungsprozess entwickelt, es spricht aber vieles dafür, dass es zu einer ganz erheblichen Liberalisierung der Formvorschriften kommen wird. Das ist auf der einen Seite eine gute Nachricht, da dann das Risiko von Kündigungen im laufenden Mietverhältnis aufgrund eines Formfehlers ausgeschlossen ist. Auf der anderen Seite darf eine Liberalisierung der Formvorschriften nicht dazu führen, dass die Parteien sorglos z.B. per Austausch von E-Mails unausgegorene Vereinbarungen treffen.

Vorsorge:

Jegliche Änderung des Mietvertrags muss in einem schriftlichen Nachtrag fixiert werden. Mündliche Absprachen oder E-Mail-Korrespondenz genügen nicht! Ein Vermieter könnte sich unter Berufung auf einen Formfehler also aus einem unliebsam gewordenen Mietvertrag lange vor Ablauf der Festmietzeit lösen und Platz für einen lukrativeren Mieter schaffen. Für den Praxisinhaber wäre das eine Katastrophe.

Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

Mehr News aus Recht

ePaper