Recht 14.02.2013
Hepatitis, Aids, HIV – Gründe für eine Ablehnung der Behandlung?
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Im Rahmen der zahnärztlichen Tätigkeit kommt es vor, dass Patienten mit einer Infektionskrankheit – wie etwa HIV, Aids oder Hepatitis – in die zahnärztliche Praxis kommen, um behandelt zu werden. Für den Zahnarzt stellt sich hierbei eine Reihe von berufs- und vertragszahnärztlicher Fragen. Ist er zur Behandlung dieser Patienten verpflichtet? Welche Konsequenzen drohen, wenn er eine Behandlung nicht vornimmt?
Für den Zahnarzt stellen sich die berufs- und vertragszahnärztlichen Fragen vor allem deshalb, weil er bei einem infizierten Patienten erhöhte Sicherheitsvorkehrungen in seiner Praxis zu berücksichtigen hat. Die Gefahr einer Infizierung der übrigen Patienten, des ärztlichen und nichtärztlichen Personals sowie des Zahnarztes selbst, ist dabei der wesentliche Gesichtspunkt, der den Zahnarzt überlegen lässt, ob er eine Behandlung des infizierten Patienten in seiner Praxis übernimmt oder nicht. Grundsätzlich ist aber festzustellen, dass eine Infektionserkrankung keinen Grund darstellt, eine zahnärztliche Behandlung von vornherein abzulehnen. Es besteht damit die Behandlungspflicht eines solchen Patienten, genau wie die aller anderen Patienten.
Behandlungspflicht nach Berufsrecht
Das Berufsrecht geht von einem durch das gegenseitige Vertrauen getragenen persönlichen Verhältnis beim Arzt-Patienten-Kontakt aus. Dem sich aus der Vertragsfreiheit ergebenden Recht des Patienten auf freie Zahnarztwahl steht grundsätzlich das Recht des Zahnarztes gegenüber, die Behandlung abzulehnen. Deshalb steht dem Zahnarzt grundsätzlich frei, zu entscheiden, ob und wen er behandeln will und wen nicht. Eingeschränkt wird dieses Recht durch die berufsrechtlichen Vorgaben.
Das Berufsrecht geht hier von einem Regel-Ausnahme-Prinzip aus. Danach besteht grundsätzlich die Pflicht des Zahnarztes, auch infizierte Patienten, die an einer HIV-, Aids- oder Hepatitis-Erkrankung leiden, zu behandeln. Ausnahmen einer Behandlungspflicht regelt § 2 der MBO-Zahnärzte. Eine Ablehnung der zahnärztlichen Behandlung ist nur dann zulässig und wirksam, wenn
a) eine Behandlung nicht gewissenhaft und sachgerecht durchgeführt oder
b) die Behandlung ihm nach pflichtgemäßer Interessenabwägung nicht zugemutet werden kann oder
c) er der Überzeugung ist, dass das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Patienten nicht besteht.
Die Zumutbarkeit der Behandlung von infizierten Patienten wird grundsätzlich zu bejahen sein. Die einschlägigen zahnärztlichen Hygienevorschriften gehen insoweit davon aus, dass in einer zahnärztlichen Praxis geeignete Desinfektionsverfahren auch viruzid wirksam sein müssen. Von einem zusätzlichen Aufwand und daraus folgend einer Unzumutbarkeit der Behandlung von Patienten mit HIV, Hepatitis und Aids wird daher nicht ausgegangen werden können.
Entscheidend für das Ende einer zahnärztlichen Behandlung bei infizierten Patienten wird daher vor allem der Verlust des notwendigen Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient sein. Dies wird auf wenige Einzelfälle beschränkt bleiben. In der Regel wird zunächst die Behandlung dieser Patienten zu übernehmen sein. Eine Weiterbehandlung kann allerdings dann aus gerechtfertigten Gründen beendet werden, wenn der Patient mutwillig den Zahnarzt nicht über seine infektiöse Erkrankung in Kenntnis gesetzt hat.
Behandlungspflicht nach Vertragsarztrecht
Viel strenger sind die vertragszahnärztlichen Vorgaben. Das Vertragsarztrecht sieht nämlich grundsätzlich die Behandlungspflicht vor. Das Sozialgericht Düsseldorf (Aktenzeichen: S 14 KA 260/02) hat insoweit in einem ergangenen Urteil zur Behandlungspflicht entschieden, dass der Vertrags(zahn)arzt mit seiner Zulassung zur vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung die Pflicht übernehme, an ihr unter Beachtung der dafür geltenden Vorgaben teilzunehmen. Die Zulassung bewirke, dass er Mitglied der für seinen Vertrags(zahn)arztsitz zuständigen K(Z)V werde und zur Teilnahme an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet sei und dass die vertraglichen Bestimmungen über die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung für ihn verbindlich seien. Die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung umfasse unter anderem auch die (zahn)ärztliche Behandlung, die wiederum mit einem entsprechend umfassenden Leistungsanspruch des Versicherten korrespondiere. Es bestünde daher die Verpflichtung, die Behandlung eines Versicherten nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnen. Ein Abweichen von der Behandlungspflicht wird daher nur in begrenzten Ausnahmefällen zugelassen werden können, § 4 Absatz 6 BMV-Zahnärzte. Folglich ist der Zahnarzt verpflichtet, infizierte Patienten in seiner Praxis zahnärztlich zu behandeln. Denn die Zulassung des Vertragszahnarztes bewirkt die Berechtigung und die Verpflichtung, Kassenpatienten im Rahmen des Sicherstellungsauftrages zu behandeln. Der Vertragszahnarzt darf deren Behandlung folglich nur in begründeten Fällen, also nicht willkürlich ablehnen, da er sich sonst einer Verletzung seiner Pflichten als Vertragszahnarzt schuldig machen kann.
Als Gründe für eine Verweigerung kommen nach dem Vertragszahnarztrecht nur in Betracht:
- Missachtung zahnärztlicher Anordnungen,
- Überlastung des Zahnarztes,
- erstrebte, systematische fachfremde Behandlung,
- querulatorisches oder sonst unqualifiziertes Verhalten des Patienten,
- das Begehren von Wunschrezepten,
- das Verlangen nach nichtzahnärztlich indizierten unwirtschaftlichen Behandlungsmaßnahmen,
- Besuchsanforderungen außerhalb der Sprechzeiten etc.
Nicht in Betracht kommt hingegen die Ablehnung der Behandlung wegen einer Infektionskrankheit des Patienten. Hinzukommen muss, dass das erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Zahnarzt und Patient gestört ist.
Drohende disziplinarrechtliche Konsequenzen
Bei einer unberechtigten Verweigerung der zahnärztlichen Behandlung von infizierten Patienten muss der Zahnarzt vor allem mit disziplinarrechtlichen Konsequenzen rechnen und sollte diese tunlichst vermeiden. Denn es drohen Verwarnung, Verweis, Geldbuße bis zu 10.000,– Euro und die Anordnung des Ruhens der Zulassung oder der vertragsärztlichen Beteiligung bis zu zwei Jahren.
Behandlungspflicht in Notfällen
Die Verpflichtung des Zahnarztes in Notfällen zu helfen, bleibt hiervon unberührt. Denn in Notfällen ist grundsätzlich im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten Hilfe zu leisten. Eine Infektionskrankheit ist kein Grund, in Notfällen nicht die erforderliche zahnärztliche Hilfe zu leisten. Andernfalls gerät der Zahnarzt in die Gefahr, wegen unterlassener Hilfeleistung gemäß § 323 c StGB strafrechtlich verfolgt zu werden.
Präventionsmöglichkeiten konsequent nutzen
Zumindest bei der Hepatitis B gibt es Möglichkeiten der effektiven Prävention in Form der Schutzimpfung, doch werden diese in der Zahnarztpraxis noch wenig konsequent genutzt. Einer potenziellen Infektionsgefahr sollte man sich in der Zahnarztpraxis bei jedem Patientenkontakt bewusst sein. Man sollte sich vor einer Keimübertragung stets zumindest durch einfache hygienische Maßnahmen schützen und überall dort, wo dies möglich ist, durch entsprechende Impfungen.
Zusammenfassung
Eine berechtigte Behandlungsablehnung aufgrund einer Infektionskrankheit des Patienten wird im Regelfall nicht zu begründen sein. Allenfalls in Ausnahmefällen wird ein Patient mit einer Infektionskrankheit abgelehnt werden können. Es empfiehlt sich zur eigenen Sicherheit, die normierten Hygienevorschriften konsequent umzusetzen. Dies zum Wohle der Patienten im Allgemeinen, den Mitarbeitern und nicht zuletzt für den Zahnarzt selbst.