Recht 14.03.2017
Korruptionsfrei durch die Internationale Dental-Schau (IDS)
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Die erste IDS nach Inkrafttreten des Antikorruptionsgesetzes öffnet vom 21. bis 25. März ihre Tore. Doch wie kommen Zahnärzte und Dentalindustrie durch die Messetage, ohne sich nach den neuen Strafvorschriften der Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen (§§ 299a ff. StGB) strafbar zu machen? Sind Messegeschenke und Produktsamples noch erlaubt? Und wie sieht es mit Einladungen zum Essen, zur Messeparty oder besonderen Verkaufsaktionen aus?
Seit Juni 2016 ist nun das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, besser bekannt als sogenanntes Antikorruptionsgesetz, in Kraft. Nach den neuen Tatbeständen (§§ 299a ff. StGB) ist das Fordern, Sich-Versprechen-Lassen oder Annehmen sowie spiegelbildlich das Anbieten, Versprechen oder Gewäh ren eines Vorteils bei der Verordnung oder dem Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial als Gegenleistung für eine zumindest intendierte unlautere Bevorzugung im inländischen oder ausländischen Wettbewerb strafbar. Wer gegen die Straftatbestände verstößt, dem droht eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. In schweren Fällen sieht das Gesetz sogar eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor.
Weiterer Vorteilsbegriff
Der Vorteilsbegriff ist sehr weit gefasst und beinhaltet jede Zuwendung, auf die der Täter oder Dritte keinen Rechtsanspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage objektiv verbessert. Darunter fallen selbstverständlich auch Messegeschenke, Einladungen etc. Daran ist erkennbar, dass dieser vom Gesetzgeber bewusst weit gefasste Vorteilsbegriff hohe Risiken für die im Gesundheitsmarkt handelnden Personen birgt. Daher kommt es für die Frage einer Strafbarkeit entscheidend auf das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung und die unlautere Bevorzugung im Wettbewerb an.
Unrechtsvereinbarung und unlautere Beeinflussung des Wettbewerbes
Die Vorteilsgewährung allein führt jedoch nicht schon automatisch zu einer Strafbarkeit nach dem Antikorruptionsgesetz. Vielmehr bedarf es zusätzlich einer Unrechtsvereinbarung sowie der unlauteren Beeinflussung des inländischen oder ausländischen Wettbewerbes. Unrechtsvereinbarung bedeutet, dass der Vorteil für eine konkrete unrechtmäßige Gegenleistung gewährt wird. Nicht ausreichend ist es hingegen, dass mit der Zuwendung nur das allgemeine „Wohlwollen“ des Nehmers erkauft werden soll. Auch Zuwendungen für eine bereits erfolgte Handlung, also eine Belohnung, ist nur dann erfasst, wenn sie auf einer vorangegangenen Unrechtsvereinbarung beruht. Der Vorteil muss also als Gegenleistung für eine zumindest intendierte unlautere Bevorzugung im Wettbewerb gewährt werden, es bedarf einer inhaltlichen Verknüpfung von Vorteil und Gegenleistung.
Eine unlautere Beeinflussung des inländischen oder ausländischen Wettbewerbs liegt insbesondere dann vor, wenn gegen eine sogenannte „Marktverhaltensvorschrift“ verstoßen wird. Zu diesen Marktverhaltensvorschriften zählen vor allem die Berufsordnungen der Ärzte und Zahnärzte, das Heilmittelwerbegesetz (HWG) und das Sozialrecht (SGB V).
Darüber hinaus können die verschiedenen Branchenkodizes (Verhaltenskodizes der Arzneimittelindustrie, Kodex Medizinprodukte des BVMed) Anhaltspunkte bieten.
Grenze der Sozialadäquanz
Problematisch ist, dass das Gesetz selbst keine Bagatellgrenze kennt. Wo genau die Grenze der sog. Sozialadäquanz verläuft, ist bislang unklar. Die Grenze sieht der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung immer dann erreicht, wenn ein sozialadäquates Verhalten überschritten wird. Gemeint sind damit geringfügige und allgemein übliche Werbegeschenke. Lehnt man sich an die Grenzen nach der wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung an, dürfen Zuwendungen mit Werbeaufdruck oder Herstellerbezeichnung einen Wert von 5 EUR haben. Demnach begründen Messegeschenke, wie der Werbekugelschreiber, Schlüsselanhänger oder die Pfefferminzbonbons mit Logo des Herstellers, auch keine Strafbarkeitsrisiken. Schwieriger wird es aber bei wertvolleren Geschenken und Einladungen. In der Kommentierung der Straftatbestände durch den Vorsitzenden Richter am 2. Strafsenat des BGH, Thomas Fischer, ist eine Grenze von 10 EUR für Geschenke und 50 EUR für Einladungen genannt. Ob sich die Rechtsprechung im Ergebnis bei diesen Beträgen einpendeln wird, bleibt abzuwarten. Legt man diese Wertgrenzen zugrunde, dürfte eine Einladung eines Zahnarztes zur IDS mit einer Tageskarte im Wert von 13 EUR noch keine unlautere Bevorzugung darstellen.
Anders sieht es aber schnell bei Einladungen zum Abendessen oder zu Messepartys aus. Dort werden diese Wertgrenzen leicht überschritten. Bei Geschenken an Zahnärzte wie beispielsweise Produktsamples ist die Wertgrenze von 10 EUR ebenfalls schnell überschritten. Dies gilt erst recht, wenn am Messestand nicht nur ein Sample mitgenommen wird, sondern gleich mehrere.
Auch ohne Strafbarkeit drohen Wettbewerbsverstöße
Selbst wenn eine Unrechtsvereinbarung fehlt, weil die Vorteilsgewährung nicht mit einer Bezugsentscheidung des Zahnarztes verbunden ist, kann ein Wettbewerbsverstoß (z.B. gegen das HWG) vorliegen. Gerade bei Werbegeschenken, Give-aways und Produktsamples kann eine wettbewerbsrechtlich unzulässige Produktabsatzwerbung vorliegen.
Vorsicht beim Bezug zum Produktabsatz
Problematisch sind nach den neuen Straftatbeständen vor
allem Einladungen und Geschenke, die einen Bezug zum
Produktabsatz haben. Und genau darin liegt bei der IDS die
Gefahr – denn selbstverständlich stehen bei der IDS die Produkte
im Vordergrund und sollen abgesetzt werden. Da liegt
der Verdacht einer unlauteren Beeinflussung schnell nahe.
Verkaufsaktionen innerhalb der Grenzen des HWG möglich
Bei Verkaufsaktionen orientiert sich die Frage der Strafbarkeit vor allem an den Regelungen des HWG. § 7 Abs. 1 HWG verbietet unzulässige Zuwendungen und sonstige Werbegaben an Angehörige der sog. Fachkreise. Praxisrelevant sind hier vor allem die Ausnahmeregelungen zu bestimmten Rabatten. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 HWG sind Barrabatte und Naturalrabatte zulässig. Beim Barrabatt wird der Kaufpreis für ein Produkt um einen bestimmten prozentualen Anteil reduziert. Hier sollte jedoch der ursprüngliche Preis neben dem rabattierten Preis noch erkennbar sein. Um einen Naturalrabatt handelt es sich bei der Zugabe eines Produkts der gleichen Art. Nicht möglich ist daher die Zugabe eines anderen Produkts. Entscheidend bei den nach dem HWG zulässigen Rabatten ist jedoch, dass der Zahnarzt die Rabatte an seine Patienten weitergibt, sofern es sich um Produkte handelt, die gegenüber dem Patienten abgerechnet werden.
Ebenfalls möglich ist das Angebot von Produktpaketen. Dabei werden verschiedene Produktarten zusammengefasst und mit einem Paketpreis versehen. Hier muss aber besonderer Wert auf eine ordentliche Preisbildung gelegt werden, da Pakete nicht dazu dienen dürfen, unzulässige Zugaben zu verschleiern.
Fazit
Das neue Gesetz schafft zwar keine neuen oder zusätzlichen Verbote, doch es verändert die Qualität der Sanktion! Die von den Straftatbeständen erfassten Verhaltensweisen waren bisher im Wesentlichen bereits Teil des zahnärztlichen Berufsrechts, des Vertragszahnarztrechts und des Wettbewerbsrechts. Neu sind aber die Konsequenzen: Statt berufsgerichtlicher Maßnahmen, Abmahnungen oder Zulassungsentzug drohen nun zum Teil mehrjährige Haftstrafen. Daher gilt es, gerade auch auf der größten Messe der Dentalbranche genau zu prüfen, ob die strafrechtlichen Grenzen eingehalten werden. Denn der Grad zwischen noch zulässiger Kooperation und schon strafbarer Bestechung und Bestechlichkeit ist schmal. Im Ergebnis sollten nicht nur strafrechtliche Verurteilungen, sondern schon der Anfangsverdacht für ein Ermittlungsverfahren vermieden werden. Denn bereits ein öffentlichkeitswirksames Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft bringt zwangsläufig einen nicht mehr wieder gutzumachenden Schaden mit sich.
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