Recht 06.08.2009

Mängel am Zahnersatz - Der zahnärztliche Honoraranspruch

Mängel am Zahnersatz - Der zahnärztliche  Honoraranspruch

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Wann und unter welchen Voraussetzungen entfällt der Honoraranspruch des Zahnarztes gegenüber seinem Patienten? Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn der Patient die ärztliche Leistung bemängelt oder einen Behandlungsfehler behauptet und so seinen gezahlten Eigenanteil zurückfordert bzw. als Privatpatient die Zahlung des Arzthonorars komplett verweigert. Mit diesen Fragen setzte sich das Urteil des LG Berlin, Urt. v. 15.5.2008 – 6 O 159/07 auseinander.

Das Urteil ist aber auch aus anderem Blickwinkel interessant. Denn es zeigt, dass
es Konstellationen geben kann, in denen ein gerichtliches Sachverständigengutachten ausnahmsweise entbehrlich sein kann, um über das Bestehen eines Honoraranspruchs entscheiden zu können.


Der Sachverhalt

Im Januar 2005 beriet der Zahnarzt seine Patientin wegen einer prothetischen Oberkieferbehandlung. Die Patientin hatte die Wahl zwischen einem festsitzenden und einem herausnehmbaren Zahnersatz. Im Einvernehmen mit dem Zahnarzt entschied sie sich für eine fest in den Oberkiefer einzufügende Prothetik.

Im Mai 2005 begann der Zahnarzt mit der Behandlung und versorgte die Patientin zunächst mit einem Provisorium. Unter Hinzuziehung eines Implantologen und eines Parodontalchirurgen verstärkte der Zahnarzt den Oberkieferknochen, damit die Implantate die Prothetik überhaupt aufnehmen können. Nach Abschluss dieser Vorarbeiten im Mai 2006 zog der Zahnarzt einen Zahntechnikermeister hinzu, der die Zahnprothese herstellen und einpassen sollte. Anfang September 2006 gliederte der Zahnarzt dann nicht einen fest verankerten, sondern einen herausnehmbaren Zahnersatz in den Oberkiefer der Patientin ein. Am nächsten Tag begab sich die Patientin in die Praxis des Zahntechnikermeisters. Dieser nahm diverse Änderungen an der Prothese vor. Ende September 2006, das heißt nach circa vier Wochen, wandte sich der Ehemann der Patientin an den Zahnarzt und teilte ihm mit, dass seine Frau mit der herausnehmbaren Prothese „nicht zurechtkomme“.

Der Zahnarzt rechnete seine Leistungen Anfang Oktober 2006 ab. Ende Oktober 2006 mahnte er die Zahlung seines ausstehenden Honorars an. Die Patientin verweigerte weiterhin die Zahlung. Der Zahnarzt habe einen herausnehmbaren Zahnersatz eingegliedert, obwohl ein Implantat vereinbart worden sei. Zudem sei der Zahnersatz mangelhaft. Die Patientin legte das Gutachten eines Zahnarztes vor, der gravierende Mängel festgestellt haben will. Der Zahnarzt führt aus, dass die Parteien sich endgültig für eine herausnehmbare Konstruktion entschieden hätten, da die festsitzende nicht den ästhetischen Ansprüchen genügt habe.


Entscheidungsgründe


Das Landgericht Berlin hat dem Zahnarzt Recht gegeben und einen Honoraranspruch aus dem Behandlungsvertrag bejaht. Der Behandlungsvertrag zwischen Zahnarzt und Patientin ist ein sog. Dienstvertrag. Danach schuldet der Zahnarzt keinen bestimmten Behandlungserfolg, sondern eine Heilbehandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst. Der menschliche Körper ist aufgrund seiner Komplexität für den Arzt nicht vollständig beherrschbar, sodass er einen Heilerfolg grundsätzlich nicht garantieren kann.

Bei einem Dienstvertrag entsteht der Anspruch auf das Honorar, wenn der Zahnarzt die vertraglich vereinbarte Heilbehandlung vornimmt. Da der Zahnarzt keinen Erfolg schuldet, spielt das Leistungsergebnis für das Entstehen des Honoraranspruchs zunächst keine Rolle. Entscheidend ist einzig und allein, welche Behandlung der Zahnarzt nach dem Behandlungsvertrag erbringen sollte. Nach der Beweisaufnahme war das Gericht davon überzeugt, dass die Eingliederung einer herausnehmbaren Oberkieferprothetik vereinbart worden war, und der Zahnarzt diese Heilbehandlung auch erbracht hat.

Dies begründete das Gericht wie folgt: Die Wahl der geschuldeten Heilbehandlung obliegt grundsätzlich dem Arzt. Nach dem Grundsatz der Therapiefreiheit hat er das Recht zwischen zwei gleichsam indizierten Behandlungsmaßnahmen zu wählen. Eine Aufklärung über die Behandlungsalternative kann dann entfallen. Gehen die Behandlungsmethoden jedoch mit unterschiedlichen Belastungen für den Patienten einher, muss der Arzt den Patienten darüber aufklären und ihm die Wahl zwischen den Methoden überlassen. Da die prothetische Oberkieferversorgung auf zwei Arten erfolgen kann – herausnehmbarer oder fest integrierter Zahnersatz – und die Behandlungsmethoden zu unterschiedlichen Belastungen führen, oblag der Patientin die Wahl der Behandlungsmethode. Diese Wahl hat sie bei Behandlungsbeginn ausgeübt und, so die Überzeugung des Gerichts, nach entsprechender Aufklärung, im Verlauf der Behandlung revidiert.

Mit der Eingliederung der (herausnehmbaren) Oberkieferprothetik hat der Zahnarzt die vertraglich geschuldete Heilbehandlung erbracht. Er hat also grundsätzlich einen Anspruch auf das gesamte Honorar, weil er die vertraglich erbrachte Leistung erbracht hat. Dieser Honoraranspruch steht aber nicht völlig losgelöst von der Qualität der erbrachten Leistung. § 628 BGB Abs. 1 Satz 2 BGB bestimmt nämlich sinngemäß, dass der Anspruch des Arztes auf sein Honorar entfällt, wenn er die fristlose Kündigung des Patienten (1.) durch ein vertragswidriges Verhalten (2.) verursacht hat und die erbrachte Heilbehandlung für den Patienten wertlos oder unbrauchbar war (3.).

Das Gericht bezweifelte bereits, ob die Patientin den Behandlungsvertrag fristlos gekündigt (1.) hatte. Die Mitteilung des Ehemannes, dass seine Frau mit der herausnehmbaren Zahnprothetik „nicht zurechtkomme“, reiche als solches jedenfalls nicht aus. Für das Gericht war aber vielmehr die Frage entscheidend, ob die Patientin kein Interesse mehr an der erbrachten Leistung des Zahnarztes hatte. Das wäre nur der Fall, wenn der Zahnersatz für die Patientin völlig wertlos und unbrauchbar gewesen wäre. Aus der Sicht des Gerichts war dies gerade nicht der Fall. Denn seit der Eingliederung Anfang September 2006 und der mündlichen Verhandlung lagen bereits eineinhalb Jahre, in denen die Patientin die Prothetik durchweg getragen hat. Aus gerichtlicher Sicht spricht dies klar für eine Verwertbarkeit und insoweit für einen wirtschaftlichen Vorteil bzw. Nutzen. Das OLG Naumburg Urt. v. 13.12.2007 (1 U 10/07) hatte bisher nur entschieden, dass bei einer Tragezeit der zahnprothetischen Versorgung von drei Jahren ein Leistungsinteressenwegfall des Patienten ausgeschlossen ist.


Fazit

Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei einem zahnärztlichen Behandlungsvertrag um einen Dienstvertrag. Dies ist selbst dann der Fall, wenn die Behandlung keinen Heilzwecken dient, sondern nur zur Verschönerung des Gebisses erfolgt. Dementsprechend wird auch der Vertrag zwischen Zahnarzt und Patient über die Herstellung einer Zahnprothese nicht als Werkvertrag, sondern als Dienstvertrag angesehen, da es sich trotz des in ihr liegenden technischen Elements im
Wesentlichen um eine Heilbehandlung handelt. Werkvertragliche Gewährleistungsansprüche stehen dem Patienten daher nicht zu. Demgegenüber ist die rein technische Anfertigung der Prothese im Rahmen des Zahnarztvertrages nach Werkvertragsrecht zu beurteilen.

Aufgrund der Einordnung des Behandlungsvertrages als Dienstvertrag entsteht der Honoraranspruch des Arztes mit der Vornahme der ärztlichen Heilbehandlung. Die Qualität der Heilbehandlung spielt für das Entstehen des Anspruchs formal gesehen keine Rolle, solange die Leistung, wie hier der Zahnersatz, für den Patienten nicht völlig wertlos und unbrauchbar ist. Der Patient hat nun verschiedene Möglichkeiten, sich gegen den Honoraranspruch zu wehren. In der Regel wird er behaupten, dass die ärztliche Leistung dem ärztlichen Standard widersprach und somit vertragswidrig war.

Der Patient kann zum Beispiel behaupten, dass ihm durch einen Behandlungsfehler ein Schaden entstanden ist. Er könnte dann den Honoraranspruch mit seinem Schadensersatzanspruch verrechnen, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 387 BGB. Er kann aber auch den Behandlungsvertrag außerordentlich wegen eines wichtigen Grundes oder wegen des besonderen Vertrauensverhältnisses kündigen. Der Honoraranspruch des Arztes entfällt unter den Voraussetzungen des § 628 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB aber nur dann, wenn der Arzt die fristlose Kündigung des Patienten durch ein vertragswidriges Verhalten, also einen Behandlungsfehler, verursacht hat und die erbrachte Heilbehandlung für den Patienten wertlos oder unbrauchbar war.

In beiden Fällen ist die Frage, ob der Arzt behandlungsfehlerhaft gehandelt hat, maßgeblich für den Ausgang des Rechtsstreits. Das Gericht verfügt aber in der Regel nicht über die erforderliche Sachkenntnis, dies beurteilen zu können und muss diese Fragen von einem medizinischen Sachverständigen klären lassen. Die Rechtsprechung geht sogar zum Teil so weit, dass das Gericht eine dahingehende Verpflichtung trifft. Diese gerichtlich angeordneten Gutachten sind jedoch zeit- und kostenintensiv. Sie bergen auch ein gewisses Risiko, da ihr Ausgang oftmals ungewiss ist.

Bei (zahn-)ärztlichen Honorarklagen ist also die Frage des Vorliegens eines Behandlungsfehlers stets Streit entscheidend. Der vorliegende Fall bildet insoweit eine Besonderheit, weil er eine Entscheidung über das Bestehen des Honoraranspruchs trifft, ohne sich mit der Qualität der ärztlichen Leistung auseinandersetzen zu müssen. Der Fall des Landgerichts Berlin veranschaulicht, dass Honorarklagen im Bereich außerordentlicher Kündigungen ausnahmsweise ohne ein entsprechendes Sachverständigengutachten auskommen können.

Autorin: Karin Gräfin von Stachwitz-Helmstatt


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