Recht 20.10.2021
MDR in Kraft getreten: An alles gedacht? Die Checkliste hilft!
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Seit dem 26. Mai 2021 ist die neue EU-Verordnung zum Medizinprodukterecht, die sogenannte Medical Device Regulation (MDR), in Kraft. Bereits 2017 wurde die Verordnung verabschiedet, und in der Zwischenzeit ist allerhand zu den Neuregelungen, die die Verordnung mit sich bringt, geschrieben und die wesentlichen Hintergründe der neuen Richtlinie sowie die Definitionen und allgemeinen Vorgaben sind in den einschlägigen dentalen Publikationen und Fachzeitungen zuhauf erläutert worden. Zeit, konkret zu werden. Der folgende Beitrag stellt eine komprimierte Checkliste bereit, mit der die geltenden MDR-Vorgaben auf einen Blick erfasst werden können. Denn es ist ein schönes Gefühl, einen Haken an neue Vorgaben zu machen, sobald man sie rechtssicher umgesetzt hat.
Was ist also konkret zu tun? Zunächst muss man sich die Frage stellen, ob man selbst überhaupt „Hersteller“ im Sinne der MDR ist. Dies ist zusammengefasst dann der Fall, wenn man entweder als Zahntechniker selbst ein Dentallabor betreibt oder aber als Zahnarzt ein Eigenlabor hat. Zusätzlich liegt die Herstellereigenschaft im Sinne des neuen Gesetzes aber auch dann vor, wenn man als Zahnarzt ohne eigentliches Eigenlabor Zahnersatz oder sonstige Sonderanfertigungen herstellt, beispielsweise via CAD/CAM im Chairside-Verfahren. Fertigt man hier eine zahntechnische Arbeit für einen individuellen Patienten zu dessen eigener Nutzung, so liegt im Regelfall eine Sonderanfertigung im Sinne des Art. 2 Ziff. 3 MDR vor. Sonderanfertigungen sind Medizinprodukte mit der Folge, dass diejenigen, die sie herstellen, von den Pflichten der MDR adressiert werden.
Welche Pflichten dies im Einzelnen sind, zeigt die folgende Checkliste:
Etablierung eines Qualitätsmanagementsystems (QMS)
Es ist auch unter der neuen MDR alles zu tun, was im Labor oder in der Praxis nötig ist, um eine hohe Sicherheit und Qualität der zahntechnischen Produkte zu gewährleisten. Neu ist hier, dass insbesondere die Rückverfolgbarkeit aller Medizinprodukte und damit auch eine ordnungsgemäße Chargen-Dokumentation zu garantieren und umzusetzen ist.
Etablierung eines Risikomanagementsystems (RMS)
Da die Überwachung von Medizinprodukten eine wesentliche Säule der MDR ist, treffen Hersteller insbesondere die Pflichten dahingehend, die von ihnen in den Verkehr gebrachten Produkte auch nachträglich zu beobachten. Dies bedeutet, dass Vorkommnisse dokumentiert werden müssen. Gelangt einem Zahnarzt mit Eigenlabor, der Sonderanfertigungen herstellt, also zur Kenntnis, dass bei diesen später spezifische Materialprobleme auftreten, so ist dies nicht nur in allgemeiner Weise in der Patientenkartei zu vermerken, sondern zusätzlich auch als Medizinprodukte-Vorkommnis im Sinne der MDR gesondert zu dokumentieren.
- Sowohl die neuen Dokumentationspflichten im Hinblick auf das QMS als auch die Erfassung von Vorkommnissen im Hinblick auf das RMS sind softwareseitig lösbar. Es gibt bereits eine Reihe von Praxissoftwareherstellern, die in ihre Softwarelösungen die Anforderungen der MDR implementiert haben und die Dokumentation erheblich erleichtern.
Benennung eines Verantwortlichen
Artikel 15 der neuen Verordnung erfordert, dass jeder Hersteller von Medizinprodukten eine Person zu benennen hat, die für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortlich ist. Diese Person muss über „erforderliches Fachwissen“ verfügen, was im Einzelnen gegenüber der zuständigen Gesundheitsbehörde nachzuweisen ist.
- Die für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortliche Person ist unter anderem dafür zuständig, die Konformität der Produkte zu überwachen, die technische Dokumentation zu leisten und damit insbesondere also die obigen Anforderungen an QMS und RMS umzusetzen.
- Klein- und Kleinstunternehmen, also nach den EU-Vorgaben solche Unternehmen, die weniger als 50 Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz 10 Mio. EUR nicht übersteigt, müssen keine eigene, im Haus selbst befindliche verantwortliche Person benennen. Sie müssen jedoch „dauerhaft und ständig“ (Art. 15 Abs. 2 MDR) auf eine solche Person zurückgreifen können. Das bedeutet konkret: Es ist sehr empfehlenswert, dass Labore und Praxen, die selbst, beispielsweise durch den Inhaber, die Pflichten nicht wahrnehmen können oder wollen, vertraglich mit einem freien Medizinprodukteberater kooperieren, der die Pflichten für sie übernimmt. Größere Einheiten, insbesondere MVZ-Ketten, benötigen jedoch selbst eine verantwortliche Person im Sinne der MDR.
Anpassung der Konformitätserklärung
Die Anforderungen an eine Konformitätserklärung speziell für Sonderanfertigungen finden sich im Anhang 13 der MDR. Dies korrespondiert mit der neuen Klassifizierung von Medizinprodukten.
- Danach sind Provisorien nunmehr Medizinprodukte der Klasse I, dauerhafter Zahnersatz fällt unter die Risikoklasse IIa und Implantate fallen unter die Risikoklasse IIb. In jedem Fall ist nun eine Konformitätserklärung nötig.
- Anzugeben sind nach dem Anhang 13 Name und Anschrift des Herstellers, Name und Anschrift des verordnenden Zahnarztes, eine Beschreibung der Leistung bzw. des Produkts laut Verordnung, individuelle Angabe des Patienten und Hinweis, dass die Sonderanfertigung ausschließlich für den genannten Patienten bestimmt ist, sowie die Erklärung, dass das betreffende Produkt den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen der MDR entspricht (Eigenerklärung).
Aktualisierung der vorhandenen MPG-Dokumente
Dies bedeutet, dass alle Medizinprodukte, rechtlich relevanten Dokumente und Verzeichnisse, aber auch Gebrauchsanleitungen der sich im Labor oder in der Praxis befindlichen Geräte zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen sind. Es ist davon auszugehen, dass die Hersteller von Medizinprodukten, also auch solcher Produkte, mit denen die zahntechnischen Arbeiten überhaupt erst herstellbar sind, neue Dokumentationen und Gebrauchsanweisungen (oder jedenfalls auf die MDR bezogene Hinweise) verschicken werden, sofern noch nicht geschehen.
So weit die Kernpflichten nach der neuen MDR für Praxen und Labore. In Einzelfällen und bei spezifischen Sonderkonstellationen, die es in manchen (größeren) Laboren oder Praxen bzw. Praxisketten geben mag, treten möglicherweise weitere Pflichten und Aufgaben hinzu, die es im Einzelfall rechtlich auszuloten gilt.
Was tun, wenn doch das Gesundheitsamt anklopft? Ähnlich wie vor drei Jahren bei Inkrafttreten der DSGVO steht auch nun zu befürchten, dass nach und nach die Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorgaben vonseiten der Behörden überprüft werden. Dies kann durch Versand von Fragebögen an die Praxen geschehen oder aber durch stichprobenartige Einzelfallprüfungen vor Ort. Dabei ist es wie immer am wichtigsten, gegenüber den Behörden ganz deutlich zu machen, dass ein Problembewusstsein für die neuen Anforderungen der MDR besteht und dass die Inhaberin oder der Inhaber von Praxis oder Labor gewillt ist, eine größtmögliche Compliance an den Tag zu legen. In jedem Fall gilt bei einer behördlichen Anfrage: Ruhe bewahren und rechtlichen Beistand einholen. Wer die obigen Punkte konsequent umsetzt, geht die richtigen Schritte, um sich gegenüber der Behörde nach und nach weniger angreifbar zu machen.
Der Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.