Recht 21.06.2012
Reinigung von Handstücken und erforderliche Validierung
share
In seinem Urteil vom 14.02.2012 befasst sich das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen (19 K 1602/09) mit den Verpflichtungen des Zahnarztes in Zusammenhang mit der Reinigung von zahnärztlichen Instrumenten. Gegenstand der Entscheidung ist u. a. die Frage, auf welche Weise ein Handstück in Zusammenhang mit dem RKI-/BfArM-Empfehlung zu reinigen ist. Die vom VG Gelsenkirchen vertretene Auffassung, wonach Handstücke der Klasse „kritisch B" maschinell zu reinigen seien, folgt der Auffassung der betreffenden Bezirksregierung in NRW. In anderen Bundesländern wird diese Auffassung soweit ersichtlich nicht vertreten und auch die manuelle Aufbereitungsmöglichkeit gesehen.
Der Fall
Bei einer Praxisbegehung im Januar 2009 stellte die zuständige Bezirksregierung in einer Zahnarztpraxis fest, dass ein Handstück verwendet wurde, das der Kategorie „kritisch B" zuzuordnen war.
In dem „Inspektionsbericht" wurde festgehalten, nach welchen Verfahren das chirurgische Handstück gereinigt und desinfiziert wurde: Wischdesinfektion (äußerlich), Außen- und Innenreinigung im zerlegten Zustand mit Bürste und Wasser / Ultraschall, Desinfektion äußerlich mit XXX-Spray, Pflege. Nach Auffassung des Prüfers war für die Aufbereitung von Hand- und Winkelstücken der Kategorie „kritisch B" dieses Verfahren nachweislich nicht geeignet, da entgegen der BfArM-/RKI-Empfehlung statt eines maschinellen ein manuelles Verfahren eingesetzt werde. Prinzipiell könnten die Luft- und Wasserkanäle von Hand- und Winkelstücken beim Einsatz durch einen „Rücksaugeffekt" sowohl mit organischen Bestandteilen als auch mit Mikroorganismen kontaminiert werden. Bei diesen Kanälen handele es sich um lange, feine Hohlräume, die besondere Anforderungen an die Aufbereitung stellten, da der Reinigungserfolg nicht durch Inaugenscheinnahme überprüft werden könne. Daher fordere die BfArM-/RKI-Empfehlung, das invasiv eingesetzte Übertragungsinstrumente, wie generell alle Instrumente der Kategorie „kritisch B", grundsätzlich maschinell gereinigt werden müssten. Maschinelle Verfahren seien validierbar und böten eine erhöhte Sicherheit, da verfahrenstechnisch sichergestellt werden könne, dass Faktoren, die den Erfolg des Verfahrens bestimmten nachweislich bei jeder Aufbereitung eingehalten würden. Eine Validierung sei ein dokumentierter Nachweis, dass ein Verfahren beständig die gestellten Anforderungen erfülle. Auf die RKI-Empfehlung „Infektionsprävention" in der Zahnheilkunde - Anforderungen an die Hygiene - favorisiere die maschinelle Aufbereitung. Nach dem Anhang 9 seien Übertragungsinstrumente der Kategorie „kritisch B" bevorzugt maschinell / thermisch zu reinigen und zu desinfizieren.
Die Herstellerfirma gebe in der Gebrauchsanweisung an, dass das Handstück manuell oder maschinell aufbereitet werden könne, empfehle aber ebenfalls die Aufbereitung im Thermodesinfektor. Die Bezirksregierung gehe davon aus, dass eine Innenreinigung mit manuellen Verfahren vom Hersteller nicht validiert worden sei. Auch der Zahnarzt habe keine eigenen Untersuchungen zur Validierung des von ihm angewandten manuellen Verfahrens vorgelegt. Beachte ein Betreiber die Anforderungen der BfArM-/RKI-Empfehlungen, so vermute der Gesetzgeber, dass die Medizinprodukte ordnungsgemäß aufbereitet würden. Für abweichende Verfahren sei vom Betreiber detailliert nachzuweisen, dass sie mindestens gleichwertig zu den BfArM-/RKI-Empfehlungen seien. Im konkreten Fall wäre zu zeigen, dass die angewandten manuellen Aufbereitungsverfahren zum Einen grundsätzlich für die Außen- und Innenreinigung und Desinfektion von Übertragungsinstrumenten bzw. den anderen „kritisch B"-Medizinprodukten geeignet seien und zum Anderen nachweislich bei jeder Aufbereitung zum gewünschten Erfolg führten.
Gegen diese Auffassung machte der Zahnarzt u.a. geltend, dass gemäß den BfArM-/RKI-Empfehlungen das Handstück lediglich grundsätzlich maschinell gereinigt werden müsse. Die maschinelle Aufbereitung werde lediglich favorisiert. NRW sei das einzige Bundesland, das die RKI-Empfehlung dahingehend deute, dass ein maschinelles Aufbereiten vorgeschrieben sei. Der Erfolg der manuellen Reinigung lasse sich mit einem Messprotokoll belegen. Die Studie einer Firma habe nachgewiesen, dass die manuelle Aufbereitung die gleiche Sicherheit wie die maschinelle Aufbereitung böte. Bei dem hier betroffenen Handstück sei die manuelle Reinigung sogar die gründlichere und zuverlässigere Reinigungsform.
Die Entscheidung
Vor dem VG Gelsenkirchen konnte sich der Zahnarzt nicht durchsetzen, wobei die Anordnungen der Bezirksregierung, die im Inspektionsbericht genannten Mängel zu beseitigen und einen entsprechenden Maßnahmenplan vorzulegen, für rechtmäßig erklärt wurden.
Nach § 4 Abs. 2 S. 1 der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) sei die Aufbereitung bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommender Medizinprodukte unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers mit geeigneten validierten Verfahren so durchzuführen, dass der Erfolg dieser Verfahren nachvollziehbar gewährleistet sei und die Sicherheit und Gesundheit des Patienten, von Anwendern und Dritten nicht gefährdet werde. Nach S. 3 dieser Vorschrift werde eine ordnungsgemäße Aufbereitung nach S. 1 vermutet, wenn die RKI-/BfArM-Empfehlung beachtet werde. Dass vom Zahnarzt verwendete Handstück komme seiner Bestimmung nach keimarm oder steril zur Anwendung, wobei es von ihm aber nicht mit einem validierten Verfahren aufbereitet werde. Auf die Vermutung des § 4 Abs. 2 S. 3 MPBetreibV könne sich der Zahnarzt nicht mit Erfolg berufen, weil die von ihm praktizierte Reinigung und Desinfektion des Handstückes nicht der darin in Bezug genommenen RKI-/BfArM-Empfehlung entspreche.
Die Bezirksregierung habe ihr in § 28 Abs. 2 S. 2 MPG eingeräumtes Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Sei nur ein maschinelles Verfahren validierbar, dürfe die Bezirksregierung dem Zahnarzt aufgeben, das Handstück (nur) in einem maschinellen Verfahren zu reinigen und zu desinfizieren. Die Anordnung sei auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil der Sprühkanal des Handstückes nicht maschinell gereinigt werden könne. Diese Behauptung sei unsubstantiiert, da laut Gebrauchsanweisung das Handstück manuell oder maschinell aufbereitet, d. h. gereinigt, desinfiziert und sterilisiert werden könne. Die Gebrauchsanweisung mache auch keine Einschränkungen hinsichtlich des Spraykanals.
Die Ermessensausübung sei auch deshalb nicht fehlerhaft, weil nur in NRW eine maschinelle Aufbereitung von Handstücken der Klasse „kritisch B" gefordert werde. Im föderalen Bundesstaat sei der Gesetzesvollzug Sache der Länder, wobei die Bezirksregierung nicht gleichheitswidrig handele, wenn sie im Gegensatz zu den Behörden anderer Bundesländer dafür entscheide, die vom § 4 Abs. 2 MPBetreibV geforderte maschinelle Aufbereitung auch per Anordnungsverfügung durchzusetzen.
Quelle: Kazemi & Lennartz Rechtsanwälte, Bonn, Newsletter I-06-12