Recht 22.07.2025
Wenn kleine Patienten große Fragen aufwerfen
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Einwilligung und Aufklärung: Wer darf entscheiden?
Bei der Behandlung von minderjährigen Patienten dürfen Kinder unter 14 Jahren in der Regel nicht selbst über Eingriffe entscheiden. Hier ist die Zustimmung der Erziehungsberechtigten erforderlich – und zwar in der Regel von beiden Elternteilen, wenn sie das gemeinsame Sorgerecht innehaben.
Wichtig:
• Routinebehandlungen (z. B. kleinere Füllungen, Zahnreinigungen) können meist mit der Zustimmung eines Elternteils erfolgen.
• Schwerwiegende Eingriffe (z. B. Sedierungen, Vollnarkosen, Entfernung bleibender Zähne) erfordern immer die Einwilligung beider Sorgeberechtigten.
Praxisbeispiel:
Ein Elternteil möchte eine Zahnextraktion unter Sedierung veranlassen, der andere lehnt Sedierungen ab. Solange keine Einigung erzielt wird, darf der Eingriff nicht erfolgen.
Tipp:
Binden Sie möglichst beide Elternteile in das Aufklärungsgespräch ein – schriftliche Einwilligungen schützen zusätzlich vor Missverständnissen und Haftungsrisiken.
Getrenntlebende Eltern: Besondere Vorsicht geboten
Im Praxisalltag kommt es häufig vor, dass getrenntlebende Eltern unterschiedliche Auffassungen über die Behandlung ihres Kindes haben.
Grundsatz:
Bei schwerwiegenden Behandlungen reicht die Zustimmung eines Elternteils allein nicht aus, wenn beide gemeinsam sorgeberechtigt sind.
Was tun bei Uneinigkeit?
• Keine Behandlung durchführen, außer in Notfällen.
• Die Eltern auf ihre Pflicht zur Einigung hinweisen.
• Gegebenenfalls auf die Möglichkeit verweisen, eine gerichtliche Entscheidung (§ 1628 BGB) herbeizuführen.
Datenschutz: Auch kleine Patienten brauchen Schutz
Auch bei Kindern gelten die strengen Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Patientendaten dürfen nur verarbeitet werden, wenn eine wirksame Einwilligung der Erziehungsberechtigten vorliegt – oder, bei älteren Jugendlichen, auch eine eigene Einwilligung möglich ist.
Wichtig:
• Keine Herausgabe von Behandlungsunterlagen an Dritte ohne klare Berechtigung.
• Ab 16 Jahren ist die Einwilligung der Eltern nicht mehr gesetzlich vorgeschrieben, sodass die/der Jugendliche der Weitergabe ihrer/seiner Daten dann selbst widersprechen könnte.
Praxisalltag:
Bei Anfragen getrenntlebender Eltern sollten Sie prüfen, ob eine umfassende Einsicht in die Unterlagen tatsächlich zulässig ist.
Dokumentation: Der beste Schutz bei Streitigkeiten
Eine sorgfältige Dokumentation ist unerlässlich, um im Ernstfall nachweisen zu können, dass die rechtlichen Vorgaben eingehalten wurden.
In die Dokumentation gehören:
• Wer wurde wann über welche Maßnahmen aufgeklärt?
• Wer hat der Behandlung zugestimmt?
• Gab es Hinweise auf Uneinigkeit zwischen den Eltern?
Merke: Was nicht dokumentiert ist, gilt im Zweifel als nicht erfolgt!
Aktuelle Entwicklungen: Gerichte stärken Kinderrechte
Die Rechtsprechung entwickelt sich klar zugunsten des Schutzes von Minderjährigen. Gerade bei risikobehafteten Eingriffen fordern Gerichte konsequent
die Zustimmung beider Elternteile. Auch im Bereich Datenschutz zeigt sich eine zunehmende Sensibilisierung: Praxen müssen sicherstellen, dass keine unberechtigten Personen Zugriff auf Kinderakten erhalten.
Fazit: Mit Struktur und Sorgfalt sicher handeln
Wer Kinder behandelt, übernimmt eine besondere Verantwortung – nicht nur medizinisch, sondern auch rechtlich. Mit einer klaren Struktur für Aufklärung, Einwilligung und Dokumentation können Praxen Streitigkeiten vermeiden und das Vertrauen der Eltern stärken.
Empfehlung für die Praxis:
• Bei schwerwiegenden Eingriffen immer beide Eltern einbinden.
• Auf vollständige Aufklärung achten – altersgerecht auch mit dem Kind.
• Datenschutzanforderungen konsequent einhalten.
• Sauber und nachvollziehbar dokumentieren.
So gelingt es, die Behandlung für alle Beteiligten sicher, transparent und rechtlich einwandfrei zu gestalten – und den kleinen Patienten die bestmögliche Versorgung zu bieten.
Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.