Recht 06.02.2017
Wirtschaftliche Aufklärungspflicht des Zahnarztes
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Neben der Selbstbestimmungs- und der Sicherungsaufklärung des Patienten gehört auch die Aufklärung über wirtschaftliche Risiken zu den Pflichten des Arztes. Hierbei handelt es sich um eine Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag, deren Schutzgut allein die Vermögensinteressen des Patienten sind.
In Zeiten eingeschränkter Leistungskataloge der gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen sollte der Zahnarzt diese Aufklärungspflicht nicht unterschätzen, zumal an der ordnungsgemäßen Aufklärung auch die Durchsetzbarkeit der eigenen Honorarforderung hängen kann.
Gesetzliche Grundlage
Seit Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes Ende Februar 2013 ist die wirtschaftliche Aufklärungspflicht in § 630c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Der insoweit einschlägige § 630c Absatz 3 BGB lautet in seiner aktuellen Fassung wie folgt:
(3) Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren. Weitergehende Formanforderungen aus anderen Vorschriften bleiben unberührt.
Danach muss der behandelnde Zahnarzt den Patienten über die finanziellen Folgen der Behandlung aufklären, wenn er weiß, dass die Behandlungskosten durch einen Dritten (in der Regel den Krankenversicherer) nicht oder nicht vollständig übernommen werden. Voraussetzung ist daher, dass der Zahnarzt positive Kenntnis davon hat, dass die Kostenübernahme durch die Krankenversicherung zweifelhaft ist. In diesem Fall muss der behandelnde Zahnarzt den Patienten schriftlich über die voraussichtliche Höhe der Behandlungskosten informieren. Diese Information ist notwendig, damit der Patient die wirtschaftliche Tragweite seiner Entscheidung überschauen, seinen Versicherer wegen der Kostenübernahme befragen beziehungsweise abschätzen kann, ob er sich die vorgeschlagene Behandlung finanziell leisten kann bzw. will oder nicht. Entsprechend rechtzeitig muss die schriftliche Information daher erfolgen.
Auch bereits vor Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes hat die Rechtsprechung (grundlegend: BGH, Urteil vom 1. Februar 1983, VI ZR 104/81) die wirtschaftliche Aufklärungspflicht des Zahnarztes als sogenannte Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag statuiert. Diese Verpflichtung wurde dann durch das Patientenrechtegesetz lediglich gesetzlich fixiert.
Hinsichtlich des Umfangs der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht ist sodann zwischen der Aufklärungspflicht gegenüber gesetzlich versicherten Patienten einerseits und privat versicherten Patienten andererseits zu unterscheiden:
Gesetzlich Versicherte
Gesetzlich versicherte Patienten gehen bei der Behandlung
grundsätzlich von einer Kostenübernahme
ihrer Krankenkasse aus. Aus diesem Grund trifft den
Zahnarzt immer dann eine besondere Hinweispflicht,
wenn ihm bekannt ist, dass die Krankenkasse die Kosten
der Behandlung nicht übernimmt oder jedenfalls
Probleme bei der Kostenübernahme zu erwarten sind.
Eine „Nachforschungspflicht“ trifft den Zahnarzt aber
nicht.
Darüber hinaus besteht eine Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung auch dann, wenn eine Behandlungsalternative zur Verfügung steht, die höhere Erfolgschancen bietet, deren Kosten jedoch nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden.
Dazu hat das OLG Oldenburg am 14. November 2007 (5 U 61/07) für den Bereich zahnprothetischer Behandlungen entschieden, dass der Zahnarzt den Patienten auf die Möglichkeit einer höheren Zuzahlung hinweisen müsse, sofern eine zahnprothetische Behandlungsalternative gegenüber der gesetzlichen Regelversorgung höhere Erfolgschancen biete. Zwar hat das OLG in seiner Entscheidung offengelassen, ob dies in allen Fällen gelte, in denen Behandlungsalternativen nicht vom Leistungskatalog der GKV umfasst seien. Es empfiehlt sich in Anbetracht der möglichen Haftungsrisiken jedoch generell eine derartige Aufklärung.
Bei Selbstzahlerleistungen oder individuellen Gesundheitsleistungen darf der Zahnarzt seine Vergütung vom Patienten unmittelbar fordern. Voraussetzung hierfür ist bei gesetzlich versicherten Patienten eine schriftliche Einwilligungserklärung nach § 4 Abs. 5 BMV-Z. Hier ist zu unterscheiden, ob der Patient eine über die Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehende gleichartige Versorgung wählt oder verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden. Im ersten Fall ist eine schriftliche Mehrkostenvereinbarung mit dem Patienten zu treffen.
Im zweiten Fall darf der Zahnarzt von dem Patienten eine Vergütung nur fordern, wenn vor Beginn der Behandlung hierüber eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Vertragszahnarzt und dem Versicherten getroffen wurde. Im Übrigen soll sich der Vertragszahnarzt den Wunsch des Versicherten, die Behandlung auf eigene Kosten durchführen zu lassen, schriftlich vor Behandlungsbeginn bestätigen lassen. Daher muss der Patient vor Behandlungsbeginn darüber informiert werden, dass diese Leistungen privatzahnärztlich nach den Bestimmungen der GOZ abgerechnet werden und die Rechnung vom ihm persönlich zu begleichen ist, da die Behandlung nicht mit der Krankenkasse abgerechnet werden kann und auch kein Anspruch auf Kostenerstattung besteht.
Privatpatienten
Bei privat versicherten Patienten ist eine differenzierte
Betrachtung erforderlich. Dies folgt aus dem Umstand,
dass bei privat versicherten Patienten das Liquidationsverhältnis
unmittelbar zwischen Zahnarzt und Patient besteht. Die Erstattung der Kosten
durch die private Krankenversicherung
betrifft daher das Vertragsverhältnis
zwischen Patient und Versicherung.
Folglich stellt sich der Kompetenz- und
Verantwortungsbereich des Zahnarztes
hier anders dar als beim gesetzlich versicherten
Patienten.
Daher ist allgemein anerkannt, dass es dem Zahnarzt unzumutbar ist, anhand der verschiedenen Versicherungsbedingungen zu überprüfen, ob die Kosten der Behandlung vom Umfang der Kostenerstattung gedeckt sind. Ist dem Zahnarzt jedoch bekannt, dass die private Krankenversicherung oder Beihilfe die Kosten der Behandlung nicht übernimmt, besteht auch gegenüber dem Privatpatienten eine Hinweispflicht. Die Hinweispflicht gilt insbesondere, wenn keine medizinische Notwendigkeit für die Behandlungsmaßnahme besteht oder diese zweifelhaft ist.
Fazit
Zwar ist es auch Aufgabe des Patienten, sich der Kostenerstattung durch seine Krankenversicherung zu vergewissern. Jedoch zeigen die vorstehenden Ausführungen, dass die wirtschaftliche Aufklärung durch den Zahnarzt eine zunehmend wichtige Rolle spielt. Unterbleibt diese oder genügt sie nicht den vorgeschriebenen Formerfordernissen, kann der Vergütungsanspruch entfallen, da dem Honoraranspruch des Zahnarztes ein Schadensersatzanspruch des Patienten gegenübersteht. Daher ist es wichtig, neben der Selbstbestimmungs- und Sicherungsaufklärung auch erhöhten Wert auf die wirtschaftliche Aufklärung zu legen.
Dabei ist nicht nur eine Dokumentation der Aufklärung sinnvoll, sondern es sind auch die Fälle zu beachten, in denen eine schriftliche Vereinbarung mit dem Patienten zwingend erforderlich ist. Zudem sollte der Zahnarzt den Patienten wegen der Kostenübernahme nicht in Sicherheit wiegen und mit Äußerungen zurückhaltend sein. Dazu hat das OLG Köln mit Urteil vom 23. März 2005 (5 U 144/04) entschieden, dass eine falsche Auskunft zur Kostenerstattung zu einer Haftung gegenüber dem Patienten führe, da sich dieser auf derartige Aussagen seines Arztes verlassen dürfe.
Die zunehmende Bedeutung der wirtschaftlichen Aufklärung wird aber vor allem vor dem Hintergrund der oben genannten Entscheidung des OLG Oldenburg deutlich. Je mehr Leistungen aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen gestrichen werden, desto häufiger wird es Behandlungsalternativen geben, die höhere Erfolgschancen bieten oder eine geringere Belastung für den Patienten bedeuten. Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung in diesen Fällen eine generelle Aufklärungspflicht über die Möglichkeit der Behandlungsalternative bei eigener Kostenübernahme normieren wird. Bis dahin empfiehlt sich eine entsprechende Aufklärung, um Haftungsrisiken zu vermeiden.
Dieser Beitrag erschien erstmalig in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 1+2/17.