Statements 11.11.2022

CMD: Raus aus der Schublade, rein in die Möglichkeiten



CMD: Raus aus der Schublade, rein in die Möglichkeiten

Foto: Yakobchuk Olena – stock.adobe.com

Als Zahnärzte sind wir es gewohnt, eindeutige Diagnosen stellen zu können. Eine Karies ist eine Karies! Es gibt nur wenige Fachbereiche, in denen es etwas komplizierter ist, eine eindeutige Diagnose zu stellen. Hierzu zählt z. B. die craniomandibuläre Dysfunktion (CMD).

Oftmals fühlen wir uns nicht sicher, wenn wir die Dinge nicht eindeutig zuordnen können. Und auch fernab unserer Profession ist es eine völlig menschliche Angewohnheit, möglichst zügig eine Meinung zu etwas zu haben. Unsere Meinungsbildung – die Diagnostik unserer Umgebung – funktioniert automatisiert und lässt uns im Alltag zurechtfinden. Sie gibt uns Sicherheit.

Hiermit möchte ich Sie dazu ermutigen, sich auch außerhalb der sicheren Diagnose Schublade wohlzufühlen. Mit der Oralen Medizin, den zunehmenden CMD-Erkrankungen und dem immer deutlicher werdenden Zusammenhang von psychosomatischen Beschwerdebildern und der oralen Situation werden Sie in Zukunft wohl häufiger in die Situation kommen, eben nicht genau zu wissen, in welche Schublade Sie ihren Patienten einordnen sollen. Je komplexer die Zusammenhänge sind, umso weniger sollten Sie dies ohnehin tun. Wir können uns ein Beispiel an der Psychotherapie nehmen, wo aktuell immer häufiger davon Abstand genommen wird, den Genesungsweg der Klienten durch einschränkende Diagnosen allzu sehr einzuschränken.

Warum es lohnenswert ist, sich auf dieses Experiment einzulassen, verdeutlicht die Metapher der Schublade treffend: Stellen Sie sich einmal vor, in einer Schublade festzustecken. Sie können dort nur das wahrnehmen und für sich nutzen, was sich innerhalb dieser Schublade befindet. Die Unendlichkeit der Möglichkeiten befindet sich außerhalb und Sie haben keinen Zugriff darauf. Was glauben Sie: Wie leicht wird es Ihnen fallen, ihre Angelegenheit konstruktiv anzugehen?

Wann immer Sie andere und sich selbst in Schubladen stecken, weil Sie es gewohnt sind, stets genau Bescheid zu wissen, beschneiden Sie sich selbst und andere vom Zugang zu den unendlichen Möglichkeiten, die da draußen warten.

Vielleicht kennen Sie es, wie erfrischend und inspirierend es sein kann, wenn Sie einmal in einer gänzlich neuen Umgebung sind, wo Sie losgelöst der Ihnen zugeschriebenen Eigenschaften agieren können. Das sind oftmals Lebenssituationen, in denen Sie niemand kennt und Sie etwas ganz Neues ausprobieren können. Wann haben Sie das zuletzt erleben dürfen? Wann gaben Sie sich selbst zuletzt die Erlaubnis, aus Ihrer eigenen Schublade herauszuklettern?

Nachdem Sie selbst einmal draußen gewesen sind, üben Sie sich ganz bewusst darin, KEINE Meinung zu den Dingen und Menschen zu haben, die Ihnen während eines Tages begegnen. Wählen Sie dafür beispielsweise die ungeraden Tage der Woche. „Heute nehme ich mir vor, nichts zu bewerten!“ Ich verspreche Ihnen, Sie werden höchst interessante Erfahrungen machen. Je mehr Sicherheit Sie darin gewinnen, im Ungewissen zu sein, umso mehr werden Sie aus der Unendlichkeit der Möglichkeiten schöpfen können. Dies wird Sie nicht nur als Privatperson zu einem geschätzten Freund, sondern insbesondere auch als Zahnärztin oder Zahnarzt zu einem wertvollen Begleiter werden lassen. Gerade die Fälle, die sich nicht „kategorisieren“ lassen, werden von Ihrer Unbefangenheit profitieren und Lösungswege werden sich schneller und leichter ergeben als gedacht.

Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

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