Statements 08.04.2015
Wo bleibt der Zahnarzt?
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Jürgen Pischel spricht Klartext
Die IDS – Internationale Dental-Schau – in Köln im März war, wie alle zwei Jahre, eine Messe der Superlative. Mehr Aussteller (über 2.200 aus 60 Ländern), mehr Fläche (15 Hektar) – die großen Dentalfirmen überschlugen sich gleichsam im Angebot und Aufwand für ihre Stände – und vor allem mehr Besucher (über 130.000, davon 40.000 Zahnärzte, weiters Zahntechniker, Firmenleute etc.). Man konnte fast das Gefühl bekommen, die Dentalbranche, überwiegend getragen von der Leistung des einzelnen Zahnarztes, ist weltweit die heißeste Wachstumsbranche der Welt, wovon die Entwicklungen der Behandlungsumsätze keinesfalls zeugen. Vor allem wurde das digitale Zeitalter der Zahnmedizin eingeläutet und lauthals mit Trompetenstößen so beschworen, als würde der Zahnarzt – der Zahntechniker sowieso – schon bald weitgehend zur zweiten Instanz im Diagnose- und Therapiegeschehen degradiert. Was können nach Firmenbekundungen die spektakulären Innovationen der digitalen Technologien bei Diagnose- und Behandlungsplanung, in der Prothetik, Implantologie, KFO und Endodontie wie in der PAR-Chirurgie nicht alles, was künftig in der Zahnmedizin überhaupt erst machbar, in der Erbringung der Versorgung schneller, sicherer, effizienter und besser – alles Begriffe aus PR-Medien der Dentalanbieter – wird. Viele Therapien werden überhaupt erst leistbar für den Zahnarzt, ja er kann „Behandlungserfolge“ erzielen, die ihm bisher verwehrt waren. Mit einem Wort: Digitale Technologien, die Wundertüte der modernen Zahnheilkunde. Der Zahnarzt braucht nur noch zu investieren und schon hat er sich die Zutrittskarte in eine Welt gesichert, in der er als „ZahnArzt“ immer weiter in das zweite Glied gedrängt wird.
Nicht, dass ich daran zweifeln würde, dass die digitalen Technologien dem Zahnarzt für seine Patientenbetreuung in Diagnose, Therapieplanung und Therapien ungeahnte Möglichkeiten einer besseren Zahnheilkunde eröffnen, ihm auch vieles leichter machen, sich als Arzt zu profilieren und zu bestätigen, ihm vieles erlauben, dem Patienten eine optimale Behandlung angedeihen zu lassen, Dinge zu leisten, die er bisher nicht konnte. Das ist es nicht, was ich kritisiere.
Es ist das falsche Selbstverständnis in der Dentalindustrie, der falsche Anspruch, den Zahnarzt zum Erfüllungsgehilfen der digitalen Angebotspalette und Forschungs- und Entwicklungsschritte und den Angeboten aus der Industrie abzuqualifizieren.
Der Zahnarzt hat weiter allein die Verantwortung, er hat für die Qualität der Leistungserbringung zu bürgen, er ist Herr der Therapie und muss das auch bleiben, die digitalen Technologien können nur Unterstützung bieten. Der Zahnarzt muss weiter den Patienten in seiner Gesamtgesundheit mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt des Interesses und seines Handelns sehen.
Ganz abgesehen davon, dass viele auf der IDS präsentierten Highlights der digitalen Technologien für die Zukunftspraxis noch Visionen sind, ohne die Praxisreife nachweisen zu können. Da ist noch viel an Entwicklung und Praxistests zu leisten, bis digitale Technologien das können, was ihnen heute schon zugeschrieben wird. Aber vieles wird sicher dem Zahnarzt an besserem Behandlungswissen eröffnet werden, wenn er sich seiner Verantwortung als Herr des Geschehens stellt, toi, toi, toi, Ihr J. Pischel