Digitale Zahnmedizin 21.06.2013
Einsatzmöglichkeiten der digitalen Volumentomografie
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Das Digitale Volumentomogramm (DVT) ist
für viele Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen und chirurgisch
tätige Zahnärzte aus der Praxis gar nicht mehr wegzudenken. Es
ermöglicht eine maximal genaue Planung schwieriger Operationen
und minimiert so auch viele Operationsrisiken.
Wenn man einen
Nervenverlauf vorher kennt oder die Ausdehnung einer Zyste mit der
Beteiligung von Nachbarstrukturen genau einschätzen kann,
kann man das operative Vorgehen danach ausrichten und befindet sich stets auf der sicheren
Seite. Auch für die ärztliche Beurteilung
von Knochenbrüchen und Atemwegsobstruktionen ist das DVT
von großer Bedeutung. So stellt dieses dreidimensionale
Röntgenverfahren sowohl aus zahnmedizinischer als
auch aus medizinischer Sicht definitiv eine diagnostische
Bereicherung dar.
Was ist ein DVT?
Das DVT ist eine Röntgenaufnahme in
Schichten, ähnlich dem CT. Im Vergleich zum CT bietet es jedoch
deutlich mehr und feinere Schichtungsmöglichkeiten und ist deshalb
speziell für den Kopf-Hals-Bereich ein großer Mehrwert. Auch ist es
deutlich strahlungsärmer als das herkömmliche und auch als das
Low-dose-CT. Das DVT ist besonders geeignet für die Beurteilung der
knöchernen Strukturen. Bei einer Reihe klassischer Fragestellungen
aus dem Bereich der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde sowie der Mund-,
Kiefer- und Gesichtschirurgie wurde der Einsatz des DVTs bereits
klinisch mit großem Erfolg erprobt. In vielen chirurgischen Praxen
ist das DVT vor bestimmten Operationen bereits unverzichtbar
geworden. Die häufigsten Indikationen für den erfolgreichen
Einsatz des DVTs sollen im Folgenden erläutert werden.
Entfernung von Weisheitszähnen
Die Entfernung von Weisheitszähnen ist
einer der häufigsten chirurgischen Eingriffe im Bereich von Mund und
Zähnen. Dabei ist das Hauptrisiko neben der Gefahr von Blutungen
oder Infektionen vor allem das Risiko, den Nervus alveolaris
inferior zu verletzen. Besonders Weisheitszähne, die noch tief im
Kiefer liegen, wenn sie entfernt werden müssen, zeigen relativ
häufig eine enge Nachbarschaft zum Nerv. Da nicht alle Menschen
genau gleich gebaut sind, verläuft der Nerv sehr unterschiedlich,
manchmal außen neben den Zahnwurzeln, manchmal innen neben den
Zahnwurzeln, manchmal genau zwischen den Zahnwurzeln, beim einen
weiter oben, beim anderen weiter unten. Für den Patienten bedeutet
die Verletzung des Unterkiefernervs eine
Gefühlsminderung oder sogar einen Gefühlsverlust im gesamten
Bereich der betroffenen Unterkieferseite. Eine Gefühlsstörung ist
aber gerade im Bereich des Kopfes ein Problem, das einen Menschen
permanent beeinträchtigt.
Mithilfe des DVTs lässt sich das
Risiko jedoch mit folgender Vorgehensweise minimieren. Bei Patienten
mit retinierten und verlagerten unteren Weisheitszähnen, bei denen
aufgrund des Orthopantomogramms (OPG) der Verdacht auf eine nervnahe
Lage der Zähne besteht, wird eine digitale Volumentomografie (DVT)
durchgeführt und ausgewertet, damit bei der Operation die
Topografie des Nervs, seine Lage im Bezug auf die Wurzeln,
bekannt ist. Dank des DVTs kann man nun diesen Nerv in seinem
gesamten Verlauf genau darstellen. So weiß der Operateur exakt, auf
welche Weise er operieren muss, an welchen Stellen er besonders
vorsichtig sein muss, das heißt, wo er schneiden darf und wo nicht.
Er kann sein Vorgehen, das heißt den Zugangsweg, die Notwendigkeit
der Zahnteilung, die Nutzung spezieller Techniken also nach dem
Befund richten. Untersuchungen haben inzwischen belegt, dass man
die Gefahr, den Nerv zu verletzen, nahezu auf Null
reduzieren konnte, wenn dem Operateur entsprechende
DVT-Bilder vorlagen (Abb. 2).
Diagnostik subgingivaler Karies
Das hochauflösende DVT ist auch in der
Lage, kariöse Stellen im subgingivalen Bereich zu zeigen, die das
Auge aufgrund der Lage nicht wahrnehmen kann und die im
Kleinröntgenbild oder OPG aufgrund der zweidimensionalen Technik den
typischen Überlagerungen zum Opfer fallen und so deshalb ebenfalls
nicht entdeckt werden können (Abb. 4 und 5).
Entdeckung und Beurteilung von Knochenbrüchen
Im Bereich der Gesichts- und
Kieferknochen sind Knochenbrüche oft besonders schwierig zu
diagnostizieren. Feine Frakturlinien, kleine Knochenfragmente
und vor allem Überlagerungen verschiedener Strukturen komplizieren
die Entdeckung und Beurteilung der Situation. Zum Beispiel in der Nähe des
Kiefergelenks ist die Einschätzung ebenso diffizil wie
folgenreich, denn hier können kleine Brüche mitunter große
Folgeprobleme nach sich ziehen. Die Frage nach der besten
Therapieoption, der Verantwortbarkeit eines konservativen
Vorgehens oder die Notwendigkeit einer Operation sollte aber im
optimalen Fall zügig geklärt werden können. Auch die feinen
Veränderungen im Behandlungsverlauf müssen beurteilt
werden, heilt die Fraktur oder verschieben sich die Fragmente weiter,
wächst gar der Frakturspalt. Das DVT zeigt selbst kleine
Knochenverschiebungen bei feinen Knochenbrüchen (Abb. 9a
und b). Auch die Möglichkeit der Dokumentation ist für den
einzelnen Patienten oft sehr wichtig. Kann man zum Beispiel nach
einem Berufsunfall oder Schulunfall die Nasenbeinfraktur mit Bildern
belegen, so hat der Patient bei Spätveränderungen etwas in der
Hand, um den BG-Fall zu beweisen und die Kostenübernahme zu
erreichen, auch wenn direkt nach der Verletzung primär gar keine
Operationsindikation gegeben war.
Analyse von Knochendefekten
Das DVT zeigt auch Knochenverluste und
Zysten sehr gut (Abb. 10 und 11). Auch können vermeintlich Zysten,
die das OPG gezeigt hat (Abb. 12a), in einigen Fällen im
hochauflösenden DVT (in diesem Fall KaVo) als Artefakte
(Stafne-Kavität) entlarvt werden (Abb. 12b). Mithilfe der feinen
Schichten kann die Ausdehnung des Defektes eingeschätzt werden;
die Dicke des noch vorhandenen Knochens, auch feiner Lamellen, kann
realistisch beurteilt werden. Bei der Beurteilung von Veränderungen
an Zahnwurzeln ist das hochauflösende DVT unersetzbar (Abb. 12c).
Bei der Beurteilung, welche Zahnwurzeln in eine zystische Veränderung
mit einbezogen sind oder inwieweit die Kieferhöhle mit betroffen
ist, ermöglicht das DVT die genausten Aussagen, sodass
hier die bevorstehende Operation maximal genau geplant werden
kann. Dies ist sowohl für die Aufklärung des Patienten wichtig als
auch für die Vorgehensweise, das bereitgestellte
Knochenersatzmaterial, die Vorbereitung von Entnahmestellen
bei geplantem Eigenknochen-Transfer, einen eventuell
notwendigen Kostenvoranschlag.
Auch eine Mund-Antrum-Verbindung wird
oft erst in der feinen Schichtung des DVTs sichtbar. Wenn eine
verdächtige Klinik nicht zu dem scheinbar unauffälligen Röntgenbild
passt, lohnt sich oft die genauere Suche im 3-D-Röntgen. Manchmal
sind die Defekte nur in ganz bestimmten Schichtungen zu sehen,
aber groß in ihren Auswirkungen auf die Gesamtgesundheit des
Patienten. Mittels der exakten Diagnostik weiß der
Operateur, wo und wie er die unerwünschte Verbindung beheben
kann. Auch bei der Behandlung einer fortgeschrittenen Parodontose ist
die realistische Einschätzung der bereits vorhandenen
knöchernen Defekte durch die dreidimensionale Darstellung für die
Therapieplanung und Prognose sehr hilfreich.
Beurteilung des Kiefergelenks
Bei Kiefergelenkerkrankungen ist eine
genaue Indikationsstellung wichtig, da es hier häufig nicht nur
um die Beurteilung der knöchernen
Strukturen geht. Winkel, Achsen, Frakturen, Knochendefekte,
Zysten, Größenunterschiede und knöcherne Verformungen sind
selbstverständlich gut darstellbar. Wenn es aber um die Beurteilung
von Weichteilen, wozu auch der Knorpel gehört, geht, einen
Verschleiß oder eine Diskusdislokation, dann ist das NMR nach
wie vor die diagnostische Methode der Wahl (Abb. 18–20). Immer wichtiger wird das DVT auch bei
der Beurteilung von Schienen bei CMD-Patienten mit trotz dieser
Therapie persistierenden Beschwerden. Das DVT kann zeigen, ob die
Kiefergelenkköpfchen mit der Schiene in situ auch auf beiden
Seiten optimal mittig eingestellt sind (Abb. 21).
Präimplantationsdiagnostik
Für die Haltbarkeit eines Implantats
ist nicht der sichtbare Teil, die Krone aus Keramik, entscheidend,
sondern die Verankerung im Knochen. Eine Schraube in der
Wand kann nur halten, wenn sie greift. Ins Leere gedreht, fällt sie
einem bald wieder entgegen. Genauso ist es auch beim Implantat. Es
braucht eine solide Verankerung im Knochen, sonst lockert es sich und
fällt bald wieder heraus. Deshalb ist es für eine lange Haltbarkeit
extrem wichtig, zu wissen, gibt es an der Stelle, wo man implantieren
möchte, auch genug soliden Knochen. Besonders bei Zähnen, die schon
chronische Entzündungen oder Vorbehandlungen wie
Wurzelspitzenresektionen hinter sich haben, kann manchmal Knochen
fehlen. Auch allgemeiner Knochenabbau im Kieferbereich spielt eine
große Rolle. Die Diagnostik mittels DVT bietet hier die fantastische
Möglichkeit, den Knochen dreidimensional darzustellen, sodass man
genau sieht, wo man am besten implantieren kann, ob ein bisschen
weiter außen oder innen, weiter vorn oder hinten. Man sieht, wo wie
viel Knochen für ein Implantat vorhanden ist, sodass man genau
berechnen kann, welches Implantat man verwenden muss und wo es am
besten platziert wird. Auch den Unterkiefernerv kann man
erkennen und sich bei der Operation von ihm fernhalten, um ihn nicht
zu verletzen. Stellt man fest, dass nicht ausreichend eigener Knochen
vorhanden ist, so kann man sich darauf einstellen. Man weiß, dass
man erst einmal Knochen schaffen muss, mittels Knochenersatzmaterial
oder durch Knochentransfer, und man erlebt keine bösen
Überraschungen beim Implantieren oder hinterher.
DVT in der Kieferorthopädie
Im Bereich der Kieferorthopädie gibt
es zwar verhältnismäßig wenige Fragestellungen, bei denen der
Einsatz des DVTs sinnvoll ist, dafür ist es bei diesen aber umso
hilfreicher. Wenn es beispielsweise bei verlagerten Zähnen,
klassischerweise 13 und 23, um die Frage einer möglichen Freilegung
und Eingliederung geht, ist die Stellung der Zahnachsen der
verlagerten Zähne zu den übrigen Zähnen von entscheidender
Bedeutung. Auch bei der Beurteilung der Stellung der Kiefer
zueinander und der Planung einer Dysgnathie-Operation ist die
dreidimensionale Darstellung von Achsen und Winkeln für die
Therapieplanung sehr hilfreich (Abb. 23).
DVT in der Schnarch-Therapie
Die Diagnostik mittels Funktions-DVT®,
eine für uns patentierte Vorgehensweise, ermöglicht zu beurteilen, ob eine unblutige Therapie
mit einer Protrusionsschiene Erfolg versprechend ist oder ob
zusätzlich / stattdessen operiert werden muss. Mithilfe der sagittalen
Schicht kann man darstellen, ob die Atemwege in Rückenlage verengt
sind und wenn ja, wo. Ist eine deutliche Verengung der
Atemwege im Bereich des Zungengrunds bei der
Aufnahme im wachen Zustand bereits deutlich zu
erkennen, kann man davon ausgehen, dass diese Enge im schlafenden,
entspannten Zustand noch viel ausgeprägter ist. Möchte man
wissen, ob dem Patienten eine Schnarcher-Schiene eine wirksame
Verbesserung bringen kann, dann ist es möglich, mittels
Funktions-DVT® die Funktion der Schiene zu simulieren und die
individuellen Werte zu messen. Eine deutliche Erweiterung durch die
neue Position lässt einen Erfolg der
Schienentherapie erwarten. Die ausführliche Studie wurde auf dem
Jahreskongress 2007 der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin
publiziert (Abb. 24).
Autoren: Dr. Dr. Michael Wiesend, Dr.
Bettina Hübinger-Wiesend