Branchenmeldungen 06.08.2014

EOS-Kongress in Warschau



EOS-Kongress in Warschau

Foto: © Pasold

Zum 90. Mal fand vom 18. bis 22. Juni 2014 der Jahreskongress der European Orthodontic Society (EOS) statt. Kieferorthopäden aus aller Welt informierten sich vier Tage lang über die Neuheiten ihres Fachgebiets. Ein Bericht von Cornelia Pasold.

Diejenigen, welche noch den fachlich sowie organisatorisch perfekten EOS-Kongress von Reykjavik in Erinnerung hatten, wurden beim diesjährigen Meeting in Warschau sicherlich enttäuscht. So hätten dem wissenschaftlichen Programm zweifellos ein paar mehr spannendere Themen sowie hochkarätige Referenten gut getan und der in verschiedenen Räumen untergebrachten Industriemesse ein wenig mehr Übersichtlichkeit. Gern hätte die Autorin dieses Beitrags an dieser Stelle auch die abschließenden Teilnehmerzahlen präsentiert, doch selbst Wochen nach Kongressabschluss konnten die Organisatoren diese nicht benennen, da man immer noch fleißig am Auszählen sei. Nun, auch diese Aussage fügt sich irgendwie ins Gesamtbild des diesjährigen Events.

Wissenschaftsprogramm

Einen sehr interessanten Vortrag zeigte Prof. Dr. Mark Hans aus den USA. Er sprach zum Einsatz von DVTs für die kieferorthopädische Behandlungsplanung und zeigte anhand von klinischen Fällen, wo ihm diese in den letzten zehn Jahren eine Hilfe gewesen waren und warum. Manche Behandlungsentscheidungen würden einfach eine genaue Kenntnis der kraniofazialen Anatomie erfordern, so Hans, welche mithilfe konventioneller Röntgenaufnahmen nicht erfasst werden. So könne sich ein DVT für den Kieferorthopäden u. a. als hilfreich erweisen bei Therapieentscheidungen bzgl. Bogenexpansion, GNE oder Extraktion bleibender Zähne.

Einen exzellenten Überblick hinsichtlich der Stabilität von Tiefbissen lieferte Prof. Dr. Greg J. Huang (Seattle/USA). Dabei widmete er sich Fragestellungen wie „Was passiert mit einem unbehandelten Tiefbiss?“, „Bieten unterschiedliche Behandlungsansätze auch unterschiedliche Therapieeffekte?“, „Können wir die untere Gesichtshöhe beeinflussen?“ und „Stabilität – Risikofaktoren für einen Relapse“. Sein Resümee: Frage 1: Einige, vielleicht sogar die meisten der unbehandelten Tiefbisse verbessern sich im Laufe der Zeit. Frage 2: Wahrscheinlich nicht. Frage 3: Unser Vermögen, die untere Gesichtshöhe zu beeinflussen, scheint doch begrenzt zu sein. Und Frage 4: Einigermaßen stabile Ergebnisse, jedoch kaum wissenschaftliche Belege dafür, was die Stabilität behandelter Tiefbisse verbessert bzw. einen Relaps beeinflusst.

Ebenfalls sehr interessant der Beitrag von Prof. Dr. Junji Sugawara (Sendai/Japan), der wie gewohnt zum Thema „Surgery First“ sprach und dabei das aktuell verwendete Behandlungsprotokoll sowie Pros und Kontras dieses Therapieansatzes erläuterte. Für den Einsatz dieser Methode sprechen laut Sugawara viele Gründe, z. B. dass der Patient das Timing des kieferchirurgischen Einsatzes bestimme, die faziale Deformität sofort korrigiert würde, Zahnbewegungen nach dem chirurgischen Eingriff beschleunigt sein können, eine kürzere Gesamtbehandlungszeit als bei konventionellem Behandlungsansatz erreicht würde oder das Therapieziel genau wie vorhergesagt umgesetzt würde. Dagegen würde hingegen sprechen, dass die Okklusion nicht als Führung für die festgelegten Behandlungsziele verwendet werden könne und dass es schwierig sei, die Okklusion direkt nach dem chirurgischen Eingriff stabil zu halten.

Sehr sehenswert auch die Vorträge von Prof. Dr. Benedict Wilmes (Düsseldorf) sowie Dr. Björn Ludwig (Traben-Trarbach) zur skelettalen Verankerung. Während Professor Wilmes zeigte, wie Miniimplantate als temporärer Zahnersatz für fehlende Frontzähne bei Jugendlichen eingesetzt werden können, sprach Dr. Ludwig über die aktuelle Rolle des klinischen Einsatzes skelettaler Verankerung. Dabei betonte er, dass Miniimplantate und Miniplatten zwar ein wunderbares Tool seien, welches Verankerungen in Fällen ermöglichte, die sich vorher als absolut schwierig dargestellt hatten. Dennoch müssen vor deren Einsatz stets biologische (und ästhetische) Prinzipien Berücksichtigung finden (biologisch angemessen und physiologisch stabil).

Industriemesse

Nur wenige Wochen nach dem AAO-Jahreskongress hielten sich die Neuheiten der Dentalindustrie verständlicherweise in Grenzen. Dennoch sei im Folgenden auf einige Produkte eingegangen. OrthoSnap – eine seit ca. zehn Jahren existierende amerikanische Firma mit Sitz in New York (europäischer Vertrieb über OrthoSnap Corp. Neuwied) stellte das OrthoSnap® Alignersystem vor. Dabei wird das Set an Korrekturschienen nicht wie bei anderen Alignersystemen (Einscannen
der Originalmodelle, Erstellen virtueller 3-D-Modelle, 3-D-Druck der Modellvorlagen ...) erstellt, sondern mithilfe eines patentierten „dynamic model“. Das heißt, alle Aligner werden auf Grundlage des Abdrucks der ursprünglichen Dentition bzw. des daraufhin erstellten physikalischen, „dynamischen Modells“ erstellt. Die einzelnen Zähne werden dabei mithilfe von Pins sowie eines 3-D-Softwareprogramms auf dem Modell bewegt (ein Bewegungsschritt entspricht 0,25 mm, 5° Neigung, 5° Rotation), wobei auch aufgeklebte Aktivatoren und Attachments zur Anwendung kommen. Die Aligner werden dann jeweils nach dem einzelnen Bewegungsschritt über dem Modell tiefgezogen. Mithilfe des OrthoSnap® Systems können laut Herstellerangaben körperliche Zahnbewegungen, apikale Korrekturen der Wurzelpositionen, Extrusionen, Intrusionen, Neigungen sowie Rotationen realisiert werden. Entwickler ist der amerikanische Kieferorthopäde Dr. Yan Pogorelsky.

Ab Januar 2015 sind orthocaps® Schienen (Fa. Ortho Caps) mit Friction Pads erhältlich. Dabei handelt es sich um neue unauffällige Attachments, die aufgrund ihrer strukturierten Oberfläche die Reibung zwischen der inneren Alignerschicht und dem Zahn erhöhen und somit die mechanische Effizienz der Kraftübertragung verbessern. Bereits auf Wunsch erhältlich, und zwar seit Anfang dieses Jahres, ist der sogenannte Treatment Evaluation Report. Hierbei wird dem
Kieferorthopäden nach Abschluss einer Behandlungsphase ein detaillierter Statusbericht zum Verlauf des jeweiligen Patientenfalls gegeben, bei dem durch Überlagerung der gewünschten Soll-Situation nach den ersten acht Alignern und der tatsächlichen Ist-Situation eine genaue Auswertung und Kontrolle des Zwischenbefundes realisiert werden kann.

American Orthodontics präsentierte den seit März erhältlichen TANZO Copper-NiTi-Bogen, welcher im eigenen Werk produziert wird und mit oder ohne vorinstallierten Stopps erhältlich ist. Der in der Bogenmitte mit dem Firmenlogo versehene Draht wird in drei verschiedenen Bogenformen (Natural Arch Form I, Natural Arch Form III sowie VLP Arch Form) sowie diversen Dimensionen als Mid-Force- oder Low-Force-Variante angeboten. Des Weiteren zeigte gleiche Firma die erstmals zum AAO vorgestellte Klasse II-Apparatur PowerScope, welche ohne Labornotwendigkeit direkt am Stuhl eingesetzt werden kann und laut Hersteller absolut leicht handhabbar ist.

Das Gerät wird von Bogen zu Bogen eingebracht, wobei ein spezieller Sechskant-Schraubendreher erforderlich ist. Es verfügt über einen 18-mm-Teleskopmechanismus mit integrierter 260-g-NiTi-Feder sowie über ein spezielles Kugelgelenkdesign für maximale laterale Bewegung, verbesserten Tragekomfort und höhere Patientenakzeptanz. Und eine dritte Neuheit genannten Unternehmens: Seit April ist das ästhetische Empower® Clear Bracket auch für den UK (5-5) erhältlich (MBT .022'' ohne Haken, seit Juni MBT .022'' mit Haken).

Ormco zeigte die zweite Generation seines Damon Clear Brackets (Damon Clear2), welches ab sofort verfügbar ist (begonnen wird mit den Brackets OK 3–3). Es ermögliche aufgrund seines extrem präzisen Slots im Vergleich zum Vorgänger eine noch bessere Rotations- und Torquekontrolle für ein äußerst genaues Finishing und noch schnellere Behandlungen. Sowohl Clip als auch Bracketkörper sind aus kristallklarem polykristallinen Aluminiumoxid (PCA) gefertigt, welches laut Herstellerangaben resistent gegenüber Verfärbungen sei. Auch beim DamonClear2 findet sich die patentierte SpinTek Slide-Technologie für das einfache Realisieren von Bogenwechseln. Eine weitere Neuheit am Ormco-Stand stellte das Damon custom (Insignia) System dar. Damit können Damon-Brackets ab sofort mit der vom Behandler gewünschten und dem individuellen Fall entsprechenden Prescription (gängige, existierende oder eigens modifizierte Prescriptions) bestellt und bezogen werden, wobei weder ein digitales Set-up noch eine Software erforderlich sei. Des Weiteren konnten die Messebesucher das Handling des in 2013 vorgestellten LYTHOS Scanners prüfen. Die im STL-Format verfügbaren Daten werden hierbei in eine Cloud geladen und der Anwender entscheidet, wofür er diese verwenden will: für die Erstellung digitaler Modelle (DigiCast), die Herstellung kieferorthopädischer Behandlungsapparaturen im Labor (AOA Lab appliances) oder Weiterverarbeitung der STL-Daten und Herstellung eigener Apparaturen im Eigenlabor. Die Fertigung individualisierter Brackets und Bögen auf Grundlage eines digitalen Set-ups (Insignia Advanced Smile Design) oder für Insignia Clearguide (Aligner). Seit ca. drei Monaten ist die zweite Generation des ästhetischen phantom Lingualbrackets (phantom 2.0 hybrid) beim schwedischen Dentalanbieter Gesteno erhältlich. Dieses ist etwas kleiner als sein Vorgänger und verfügt nun über eine Keramikbasis, wodurch es noch stabiler ist. phantom Brackets sind selbstligierend und mit einem aus Polymer gefertigten Verschlussmechanismus sowie einem entfernbaren Positionierungsguide für die direkte Klebetechnik ausgestattet, welcher ein korrektes Platzieren am Zahn gewährleisten soll. Mit der zweiten Generation ist zudem ein Starterkit erhältlich. Eine weitere Neuheit gleicher Firma stellen die Vogue Fashion-Brackets dar. Die in verschiedenen Prescriptions beziehbaren Standardmetallbrackets sind zur Patientenmotivation mit drei verschiedenen Bracketbody-Formen ausgestattet – stern-, blumen- sowie herzförmig. Zudem
stellte Gestenco einen neuen Wangenhalter für Intraoralaufnahmen namens Thomas vor. Dessen seitliche Aussparungen sind besonders tief gewählt, um auch den Seitenzahnbereich problemlos darstellen zu können.

Bei FORESTADENT konnten die Messebesucher u. a. zwei neue Designvarianten des 2D® Lingual Bracketsystems kennenlernen. Die sogenannten LargeTwin Brackets sind besonders breit gestaltet und weisen einen vergrößerten Abstand zwischen den beiden Clips auf, wodurch eine noch bessere Kontrolle von Rotation, Angulation und Nivellieren gewährleistet werden könne. Sie sind als Large Twin mit zusätzlichem großen Haken auf der gingivalen Seite (z. B. für Elastikketten) sowie als Large Twin 2D® Plus Version mit gingivalem Haken (Applizieren von Torque an Einzelzähnen) erhältlich. Zudem wurde am gleichen Stand eine Vorschau auf OrthoEasy® PAL gewährt. Hierbei handelt es sich um eine neue Variante des bekannten Minischraubensystems, welche speziell für den palatinalen Einsatz entwickelt wurde und voraussichtlich noch dieses Jahr lieferbar sein wird. Der Kopf des OrthoEasy® PAL Pins weist statt des bisherigen Kreuzslots ein Innengewinde auf, sodass die mittels skelettaler Verankerung zu fixierenden Apparaturen einfach aufgesetzt und mithilfe einer kleinen Halteschraube am Schraubenkopf befestigt werden können. Promedia bietet für sein reversibles Kopplungssystem OrthoLox eine neue Patrizen-Form mit 1,5 mm Durchgangsloch an, mit deren Hilfe Dehnschrauben der Firmen FORESTADENT oder DENTAURUM bei der Gaumennahterweiterung besser verarbeitet werden können. Mussten die Lastarme der Dehnschrauben vorher unter großem Aufwand zum Löten oder Lasern seitlich an den Patrizen fixiert werden, können die neuen Patrizen einfach auf die 1,5 mm Lastarme aufgeschoben und dann mit geringem Aufwand verlötet ober angelasert werden.

Ausblick

Der nächste Jahreskongress der European Orthodontic Society wird vom 13. bis 18. Juni 2015 in Venedig/Italien stattfinden. Tagungspräsident wird Prof. Dr. Antonio Miotti sein.

Abwechslungsreiches Programm bei der DGLO-Jahrestagung
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