Implantologie 30.11.2023
Insertion von Zygoma-Implantaten nach dem ZAGA-Konzept
Dieser Artikel ist unter dem Originaltitel: „Digitale Analyse hochatropher Kiefer – Insertion von Zygoma-Implantaten nach dem ZAGA-Konzept“ im Implantologie Journal erschienen.
Durch digitale Technologien können Zygoma-Implantate im Vorfeld einer Operation digital geplant werden und so eine bessere OP-Vorbereitung des ZAGA-Konzepts ermöglichen. Zusätzlich helfen im 3D-Druck angefertigte Acrylmodelle, die Zygoma-Implantation als Probebohrung vorzunehmen, um sich intraoperativ besser orientieren zu können.
Die Rehabilitation hochatropher Kiefer mittels festsitzendem, verschraubtem Zahnersatz kann heutzutage mit guter Vorhersagbarkeit und geringer Morbidität mit Zygoma-Implantaten realisiert werden. Dabei ist es sogar möglich, ohne augmentative Maßnahmen mit hohen Erfolgsraten auch extrem atrophierte Oberkiefer zu versorgen. Häufig ist es sinnvoll, Zygoma-Implantate mit Pterygoid- und Standard-Implantaten zu kombinieren.
Für Patienten sind solche implantologischen Konzepte überlegen, die eine sichere festsitzende Sofortversorgung als Rehabilitation des zahnlosen oder teilbezahnten Kiefers versprechen. Lange Einheilzeiten mit der Verwendung von herausnehmbaren Interimsprothesen und hohe Morbiditätsraten durch aufwendige Augmentationen und Knochenentnahmen an sekundärer Stelle werden daher immer seltener toleriert. Die Möglichkeit einer Implantation mit anschließender Sofortbelastung ist in multiplen wissenschaftlichen Studien mit hohen langjährigen Erfolgsraten bestens dokumentiert.4, 5, 7, 17–19
Entscheidend für den Langzeiterfolg einer sofortbelasteten implantatgetragenen Brücke ist zum einen das Erreichen einer ausreichenden Primärstabilität und zum anderen eine statisch optimierte Verteilung der Implantate (A-P Spread), um extraaxiale Kräfte möglichst zu minimieren.9 In unserer Klinik versorgen wir in der Regel Full-Arch-Rekonstruktionen mit anatomisch geführten Implantaten, um Augmentationen möglichst zu vermeiden und dadurch hohe Stabilitätsraten zu erreichen. Beim „jaw anatomy guided approach“ (JAGA) werden u. a. gewinkelte, Pterygoid-, Nazalus- und Transnasal-Implantate eingesetzt. Dabei nehmen die Zygoma-Implantate eine Sonderrolle ein, da sie sehr hohe Stabilitätsraten erzielen und damit einen zentralen Baustein in der sicheren Versorgung des gesamten Kiefers darstellen.5, 12, 27 Auch bei extremer Atrophie kann eine sichere Stabilisierung mit vier Zygoma-Implantaten und zwei Pterygoid-Implantaten erreicht werden (Abb. 1). Der Wunsch der Patienten nach sofortiger kaufunktioneller Rehabilitation bei extremer Kieferkammatrophie kann daher mit dieser Technik, bei wissenschaftlich gut dokumentierten hohen Erfolgsraten, sicher erfüllt werden.
Chirurgische Planung
Das Setzten von Zygoma-Implantaten ist bereits 1988 von Per-Ingvar Brånemark bei der prothetischen Rehabilitation von Tumorpatienten etabliert worden.8 Entscheidend ist hier eine genaue prächirurgische Planung, um die Positionierung ideal zu gestalten.28 Zur Beurteilung der Anatomie des Mittelgesichts ist es immer sinnvoll, ein Schädel-CT anzufertigen und dieses anhand einer Planungssoftware (NobelClinician, Nobel Biocare) zu analysieren (Abb. 2 und 3). Die digitale Positionierung wird dann aufgrund der anatomischen Gegebenheiten nach ZAGA-Protokoll durchgeführt. Zur Erweiterung der digitalen Implantatplanung kann aus dem DICOM-Datensatz ein 3D-Schädel gedruckt werden, an dem auch eine Probebohrung mit anschließender Positionierung der Zygoma-Implantate durchgeführt werden kann.1 Das digitale 3D-Modell und der Schädel dienen sowohl der exakten Implantatplanung als auch zur besseren Orientierung während der OP (Abb. 4). Bei dem „zygomatic anatomy guided approach“ (ZAGA)1 gibt die Patientenanatomie des Oberkiefers mit der fazialen Kieferhöhlenwand und der Form des Jochbeinkörpers die Positionierung des Implantats vor. Diese Herangehensweise ist einer rein standardisierten Positionierung wie der Brånemark-7 oder Stella-Technik26 überlegen, da so die Implantatposition der Anatomie ideal angepasst wird. Das Ziel ist es, eine optimale Befestigung im Zygoma (Anchor Zone, ZAZ) zu erreichen und dabei den Implantatkörper in der Antrostomy Zone (AZ) ideal zu platzieren (Abb. 5). Die Positionierung der Implantatschulter auf dem Kieferkamm führt dabei zu einer optimalen prothetischen Gestaltung analog der eines klassischen Implantats.3 Bei der Brånemark-Technik wird die Implantatschulter palatinal des Kieferkamms positioniert, was zu schwer zu reinigenden, bauchigen Implantatbrücken führt, die den Zungenraum zusätzlich einschränken können.
Chirurgisches Vorgehen
Die ZAGA-Technik (ZAGA)1 beschreibt eine besonders schonende Präparation des Knochens, bei der das Ausmaß der Osteotomie minimal gehalten werden soll. Eine möglichst extramaxilläre Positionierung des Implantats verringert so das Risiko einer postoperativen Sinusitis.13 Dabei wird eine ideale Balance zwischen extramaxillärer Positionierung und optimaler Einbettung des Implantats in die knöcherne Alveolarwand angestrebt (Abb. 6). Die Verankerung im Jochbein muss stabil erfolgen, sodass eine ausreichende Knochenbedeckung in der Anchor Zone gewährleistet ist (Abb. 7). Die Implantatschulter sollte möglichst auf dem Kieferkamm (Abb. 8) positioniert werden. Bei einer Positionierung im Bereich der Kieferhöhle muss auf eine schonende Präparation der Schneider‘schen Membran analog eines Sinuslifts extern geachtet werden (Abb. 9), um einen direkten Kontakt des Zygoma-Implantats mit dem Milieu der Kieferhöhle zu vermeiden. Durch die spezielle abgeflachte Form des Straumann flat Zygoma-Implantats2 üben die Bereiche, die extrasinusoidal liegen, einen geringeren Druck auf die bedeckenden Weichgewebe aus und vermindern die Gefahr eventueller Dehiszenzen (Abb. 10). Bei der Präparation des Implantatbetts wird krestal ein den Dimensionen des Zygoma-Implantats angepasster Kanal oder Tunnel präpariert und im Verlauf der Kieferhöhlenwand die Osteotomie minimal gehalten, um den abgeflachten Teil des Implantats exakt mit den Knochenkanten abschließen zu lassen und damit Weichteilirritationen zu minimieren (Abb. 11).1 Somit ist auch am Austrittspunkt des Implantats (zygomatic implant critical zone, ZICZ) die Spannung der bedeckenden Weichgewebe reduziert. Zur zusätzlichen Stabilisierung und Verdickung der Weichgewebe werden gestielte Fettanteile des Corpus adiposum buccae (pedicle fat pat; Abb. 12 und 13)15, 16, 25 präpariert und über dem Zygoma-Implantat vernäht. Damit können Weichgewebsdehiszenzen wirkungsvoll vermieden werden.
Am apikalen Austrittspunkt des Zygoma-Implantats wird die Außenkompakta des Os zygomaticum perforiert, um durch bikortikale Verankerung eine maximale Primärstabilität zu erreichen (Abb. 14).1 In den allermeisten Fällen kann so eine Sofortbelastung der ZygomaImplantate vorgenommen werden.12 Es werden regelmäßig Drehmomente über 70 Ncm erreicht, da der Knochen relativ kompakt ist und unterdimensioniert aufbereitet wird. Die Straumann Zygoma-Implantate sind im Bereich der Implantatspitze abgerundet gestaltet, sodass bei Perforation des Jochbeins das Risiko einer Weichteilschädigung der Wange reduziert wird. Augmentative Maßnahmen am Zygoma-Implantat selbst sind nicht notwendig und führen auch aufgrund der glatten Implantatoberfläche nicht zu einer Knochenneubildung bzw. verbesserten Osseointegration. Entscheidend ist die schonende Präparation der knöchernen Anatomie und das Belassen von Knochenanteilen, damit die Weichgewebsanheftung funktionieren kann (Abb. 15 und 16). Dabei ist auch auf eine ausreichend stabile Weichgewebsbedeckung zu achten und die krestalen Austrittspunkte der Implantate sind mit befestigtem Zahnfleisch zu umgeben.11 Knochenaugmentationen sind nur im Bereich der konventionellen Implantate, der Extraktionsalveolen und der Zystenhöhle sinnvoll. Wir verwenden eine Mischung aus Bio-Oss, eigenem Knochen und I-PRF als „Sticky Bone“. Die Abdeckung der augmentierten Bereiche erfolgt mit Bio-Gide-Membranen und zusätzlich einer Fibrinmembran (A-PRF) analog dem Choukroun-Protokoll (Abb. 17).21
Prothetische Versorgung
Nach einer offenen Abformung oder einem Intraoralscan erfolgt die Eingliederung der auf den Multiunits verschraubten Kunststoffbrücke. Dabei setzen wir vermehrt digitale Druckverfahren ein, um den Workflow zu vereinfachen (Abb. 18). Während der Einheilphase werden Freiendbereiche möglichst gering gehalten (max. 1 Prämolarenbreite) oder vermieden. Okklusale und dynamische Kontakte werden im Sinne einer gut ausbalancierten Kontaktsituation zur Reduktion extraaxialer Hebelkräfte gestaltet. Unter sich gehende, konkave Bereiche wurden vermieden und eine konvexe Pontic-artige Gestaltung basaler Anteile vorgenommen. Die Austrittspunkte der Schraubenkanäle (access holes) sollten auf dem Kieferkamm oder etwas palatinal liegen (Abb. 19). Das postoperative OPG zeigt die Kombination von Zygoma-, Pterygoid- und Standard-Implantaten, die primär verblockt und sofortbelastet werden (Abb. 20). Die Abheilphase gestaltete sich komplikationslos und war für die Patientin aufgrund der festsitzenden Versorgung sehr komfortabel (Abb. 21). Die Patientin war durch die implantatgetragene Sofortversorgung prinzipiell bereits am OP-Tag sowohl chirurgisch und prothetisch als auch ästhetisch rehabilitiert (Abb. 22 und 23).
Fazit
Die Full-Arch-Versorgung mit Zygoma-Implantaten stellt eine sichere und gut dokumentierte19, 23 Therapieoption für den atrophischen Oberkiefer dar. Im Vergleich zu augmentativen Maßnahmen und konventionellen Implantaten weisen Zygoma-Implantate ähnliche Erfolgsraten auf.18 Der Vorteil dieser Technik liegt darin, dass Zahnentfernung, Implantation und Sofortbelastung auch im hochatrophen Kiefer an nur einem Behandlungstag durchgeführt werden können. Der Grad der Morbidität ist dabei gering. Besonders bei Patienten mit stark zerstörtem Restzahnbestand und hochgradiger Atrophie können so mehrere Behandlungsschritte in einer Behandlungssitzung kombiniert werden. Längere Abheil- und Einheilphasen mit mehreren operativen Eingriffen entfallen. Für die Patienten ist diese Art der Therapie ein extremer Gewinn an Behandlungsqualität.
Dabei können die digitale Implantatplanung und auch der im Verlauf der prothetischen Versorgung digitale Workflow wertvolle Verbesserungen im Behandlungsablauf bieten. Die Verwendung von geführten Operationsschablonen muss aber bei Zygoma-Implantaten kritisch gesehen werden, da schon geringste Gradabweichungen fatale Fehlpositionierungen zur Folge haben können. Nach erfolgter Einheilzeit von etwa vier bis sechs Monaten wird der provisorische Zahnersatz gegen eine definitive, CAD/CAM-gefertigte Versorgung aus Zirkonoxidkeramik (Steeger Bridge) ausgetauscht (Abb. 24–26). Durch die aktuelle Frästechnik können vollanatomische, ästhetisch herausragende Versorgungen gefertigt werden, die aufgrund der Bemalung sehr natürlich wirken und spannungsfrei verschraubt werden können. Falls es die individuelle Patientensituation erfordert (Hygiene/Weichteilunterstützung), ist es natürlich auch möglich, eine abnehmbare gefräste Versorgung zu gestalten, z. B. als Marius Bridge oder Stegversorgung.
Eine Literaturliste steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.
Autor: Dr. Daniel Kraus, M.Sc., M.Sc