Implantologie 01.06.2011

Implantat versus Parodontaltherapie



Implantat versus Parodontaltherapie

Enossale Implantate sind heutzutage fester Bestandteil prothetischer Konzepte. Sie werden vom Patient als einmaliger präprothetischer Eingriff gut angenommen. Demgegenüber erfordert die Behandlung parodontal geschädigter Zähne für spätere prothetische Maßnahmen meistens einen größeren Aufwand und wird vom Patient häufig als lästig empfunden.


Während der Patient beim Einbringen von Implantaten einer einmaligen Belastung ausgesetzt ist und der Erfolg zeitnah zum chirurgischen Eingriff beurteilt werden kann, erfährt er die vorbereitende Parodontitisbehandlung als langwierig. Zudem kann der Erfolg erst Monate nach den Eingriffen, abhängig von der Mitarbeit des Patienten, beurteilt werden. Oft werden allein schon darum Implantate einer Parodontalbehandlung vorgezogen. Bevor jedoch die Entscheidung für die eine oder andere Prozedur zu fällen ist, sollten Fakten sorgfältig gegeneinander abgeglichen und eindeutige Indikationen ausgearbeitet werden.  


Ätiologie und Therapie der Parodontitis 

Gingivitis gilt als Vorstadium zur Parodontitis. Loë (1965) hat mit einem vortrefflichen Humanexperiment nachgewiesen, dass Plaqueakkumulationen entlang des Gingivasaumes deren Ursache sind. Ebenso konnte er zeigen, dass die Gingivitis nach sorgfältiger Entfernung der Plaque reversibel ist (Abb. 1). Bleibt die Entzündung des Zahnfleisches jedoch bestehen, kann sie sich auf tiefer liegende Gewebe ausbreiten, was schließlich zur Parodontitis führt. Untersuchungen haben gezeigt, dass nicht primär das Eindringen von Bakterien in die Gingiva dafür verantwortlich ist, sondern die Entzündungsprozesse selbst als Motor des Destruktionsprozesses gesehen werden müssen (Kornman et al., 1997; Kinane et al., 2008; Socransky und Haffajee, 2008).

 

 

Das den Sulkus auskleidende Saumepithel ist einerseits über Hemidesmosomen fest mit der Zahnoberfläche verbunden, andererseits lassen die desmosomalen Verbindungen der Saumepithelzellen unter sich das Durchsickern von Toxinen aus der Plaque durch das Saumepithel zu; es ist permeabel. Zuallererst reagieren auf diesen Reiz die Blutgefäße in der Gingiva mit Vasodilatation. Dadurch können im Blut vorhandene Abwehrstoffe (z.B. Antikörper) und Abwehrzellen mit dem Exsudat ins Gingivagewebe gelangen, welches sich schließlich in den Sulkus entleert. In der Sulkusflüssigkeit befinden sich Abwehrstoffe und Abwehrzellen, die teilweise bereits hier ihre Abwehraufgaben gegen Fremdstoffe und Bakterien erfüllen. Abwehrzellen (Mikro- und Makrophagen) haben zur Aufgabe, entweder für den Körper fremde Stoffe und Partikel zu phagozytieren oder sie bilden Antikörper (Lymphozytenpopulation), die sich mit körperfremden Stoffen (Antigenen) verbinden und schließlich von den Phagozyten aufgenommen werden. Mikrophagen sind nur kurzlebig. Sie zerfallen schnell und geben ihren enzymatischen Inhalt frei, der zur Auflockerung des epithelialen Gefüges beiträgt. Das Saumepithel verändert sich zum Taschenepithel, die Epithelzellen proliferieren in die Tiefe, der Sulkus wird zur Tasche (Abb. 2 und 3). Phagozyten und Lymphozyten haben also eine wichtige Abwehrfunktion gegen das Eindringen von körperfremden Stoffen ins Gewebe zu erfüllen. Sie geben dabei Stoffe ab, Zytokine, die ihrerseits weitere Abwehrmechanismen stimulieren und so mithelfen, eine komplette Verteidigung des Körpers gegen Fremdstoffe und Bakterien aufzubauen. Zytokine haben leider auch Nebenwirkungen, die für parodontale Hart- und Weichgewebe destruierende Folgen haben (Kinane et al. 2008). 

Die Zielsetzung der modernen Parodontitistherapie ist, das Parodontium entzündungsfrei zu machen und gleichzeitig die Taschentiefe zu reduzieren (Wennström et al., 2008). Diese sollte nach der Therapie nicht mehr als fünf Millimeter betragen. Heutzutage wird diese Zielsetzung weitgehend mittels regenerativen Therapien realisiert. Man geht mit dem Gewebe sehr vorsichtig um und versucht, die regenerativen Kräfte des Parodontiums zu mobilisieren. Die aktuelle Parodontitis-therapie strebt Attachmentgewinn an. Dieser kann erreicht werden durch parodontale Reparation, wobei nur einige der parodontalen Gewebe regenerieren, die parodontale Wunde aber nach sorgfältiger Entfernung der mikrobiellen Beläge ausheilt und die Taschentiefe reduziert wird. Histologisch zeichnet sich parodontale Reparation durch ein langes Epithel an der Wurzeloberfläche aus, wie es jeweils nach einem Root- Debridement oder Scaling/Root Planing in geschlossener und offener Form (Lappenoperation ohne Knochenchirurgie) vorliegt. Mit speziellen Methoden können auch alle parodontalen Gewebe zur Regeneration angeregt werden. 

Als regenerative Methoden haben sich bewährt die gelenkte Geweberegeneration (GTR), Applikation von Emdogain ® und Kombinationstechniken, wobei Knochen oder Knochenersatzmaterialien in alveolären Defekten mittels Membran bedeckt und fixiert werden. Damit wird Attachment gewonnen, die Sondiertiefe auf das normale Maß von 2–3mm zurückgebracht (Abb. 4 und 5). 


Langfristige Erfolgschance parodontal behandelter Zähne 

 Es gibt genügend Hinweise über die langfristige Erfolgschance behandelter Zähne. Die wohl kräftigste Studie ist jene von Axelsson et al. (2004), in der auch Zähne nach parodontaler Behandlung eingeschlossen waren. Die Beobachtungszeit erstreckte sich über 30 Jahre. Die Axelsson-Gruppe hatte 1973 mit 375 in drei Alterskategorien eingeteilten Patienten eine Studie begonnen, um die Bedeutung der Nachsorge zu untermauern (Tab. 1). Nach 30 Jahren waren noch 257 Patienten zur Kontrolle angetreten, die sich regelmäßigen Nachsorgebehandlungen unterzogen hatten. Die Autoren stellten fest, dass in 30 Jahren durchschnittlich 0,4 bis 1,8 Zähne, verteilt über die drei Altersgruppen, extrahiert werden mussten. Dabei fiel auf, dass die Patienten in der höchsten Altersgruppe die meisten Zähne (1,8) verloren hatten und die Molaren in allen Altersgruppen am häufigsten betroffen waren. Abgesehen davon, dass der Verlust von 1,8 Zähnen in 30 Jahren bei Senioren als nicht übermäßig einzuschätzen ist, wäre es naheliegend anzunehmen, dass Plaqueakkumulationen im Molarenbereich dafür verantwortlich gemacht werden müssten. Aus der Studie geht jedoch hervor, dass durch strikte, gut strukturierte Nachsorge und optimale persönliche Mundhygiene die Plaque in allen Altersgruppen gut und gleichmäßig unter Kontrolle war. Es gilt also nach anderen Ursachten zu suchen. Sie werden in der Studie als tiefe Kronen- und vornehmlich Wurzelfrakturen, gefolgt von endodontischen Misserfolgen und Wurzelresorptionen angegeben.

Aus diesen Erkenntnissen lassen sich wichtige Indikatoren für Implantate ablesen. In einer aktuellen, vortrefflichen Übersichtsarbeit (Liebig, 2010) wurden die Daten von 22 nach strengen Kriterien selektierten Studien herangezogen, um Überlebenschancen parodontal sanierter Zähne von 3.469 Patienten mit insgesamt 52.898 Patienten-Nachsorge-Jahren (5–22 Jahren) zu eruieren Die Auswertung verdeutlicht, dass die parodontale Nachsorge in der Gesamtheit der ausgewerteten Studien verschiedener Teams mit verschiedenen Nachsorgestrategien nicht zum Stillstand der Erkrankung führte, sondern die parodontale Destruktion mit sukzessiver Zunahme von Zahnverlust chronisch fortschritt. Diese Aussage steht scheinbar in krassem Gegensatz zu den Ergebnissen der Axelsson-Studie (2004). Es gilt jedoch zu bedenken, dass die von der Axelsson-Gruppe angegebene Nachsorgebehandlung konsequent, nach streng festgelegten Richtlinien, von einem hoch trainierten Team durchgeführt wurde und keine Kompromisse weder in Zeit noch Handlungen zuließ! Ebenfalls ein wichtiger Hinweis, der bei Implantaten berücksichtigt werden muss.  


Implantate 

Ziel der enossalen Implantologie ist, die Basis zu schaffen, um verloren gegangene Kaueinheiten mittels prothetischer Maßnahmen zu ersetzen (Abb. 6, 7). Meistens handelt es sich bei der Suprastruktur um festsitzende Rekonstruktionen. Implantate sind aber auch geeignet, um z.B. bei Edentaten mit schwierigen Kieferkammverhältnissen ein stabiles Bett für abnehmbare Prothesen herzustellen. Nach korrektem Einbringen eines Implantates (Quirynen und Lekholm, 2008) wird die periimplantäre Mukosa von einem keratinisierten Epithel bedeckt, welches sich Richtung Implantat in einem Saumepithel fortsetzt und durch ein Bindegewebsband von ungefähr einem Millimeter Höhe vom knöchernen Implantatbett getrennt wird (Berglundh et al., 1991; Abrahamsson et al., 1996; Lindhe, Wennström und Berglundh, 2008; Lindhe, Berglund, Lang, 2008).

Die Kollagenfasern des Bindegewebes zeigen – verglichen mit der Gingiva – ganz andere Eigenschaften. Sie inserieren entweder in groben Bündeln im Periost des marginalen Knochens und sind parallel zur Implantatoberfläche ausgerichtet oder verlaufen in Bündeln mehr oder weniger parallel zum Knochenrand. Die periimplantäre Mukosa enthält substanziell mehr Kollagen als die Gingiva, aber weniger Fibroblasten als korrespondierende Teile der Gingiva. Das periimplantäre Gewebe unterscheidet sich essenziell vom Parodont. Es gibt zwar eine das Implantat fest umschließende Epithel- und Bindegewebsmanschette, die in ihrem strukturierten Aufbau mit jener der Gingiva verglichen werden kann. Das Bindegewebe ist aber anders zusammengestellt, die Fasern sind komplett anders orientiert und die Durchblutung ist geringer, es gibt kein parodontales Ligament (Abb. 8).

Wird eine Parosonde für die Sondierung periimplantärer Taschen gebraucht, dringt die Sonde durch das apikal gelegene Epithel, trifft auf zumeist zur Implantatoberfläche parallel verlaufende Bindegewebsfaserbündel und verdrängt diese mit der Mukosa nach lateral. Dem Eindringen der Sonde ins tiefer liegende Gewebe wird durch die vertikale Anordnung der Bindegewebsfasern kaum Widerstand geboten (Abb. 9). Dieses gilt auch für Entzündungsprozesse, die ebenfalls durch mikrobielle Plaque verursacht werden und im Wesentlichen übereinstimmen mit jenen bei der Gingivitis und frühen Parodontitis (Berglundh et al., 2008). Im Gegensatz zu den parodontalen Entzündungen breiten sie sich in der periimplantären Mukosa parallel zur Implantatoberfläche und viel rascher in die tiefer liegenden Bindegewebsschichten aus. Während beim gesunden bzw. regenerierten Parodont die Gingiva mittels Saumepithel und Bindegewebsfasern, die im supraalveolären Wurzelzement inserieren, fest verbunden ist, besteht beim periimplantären Gewebe die Manschette lediglich aus der dem gingivalen Saumepithel vergleichbaren Epithelverbindung. Die darunterliegenden bindegewebigen Faserbündel strahlen direkt in den das Implantat umgebenden Knochen ein (Lindhe, Wennström, Berglundh, 2008). Die Blutversorgung erfolgt allein über die supraperiostal verlaufenden Gefäße. Diese Feinstrukturen sind Grund dafür, dass das periimplantäre Gewebe empfindlicher auf durch Plaque bedingte Noxen reagiert. Die Planung von Implantaten und deren Nachsorge müssen damit Rechnung halten. 


Langzeiterfolg von Implantaten 

Bei Beachtung aller implantologischen Grundlagen haben Implantate, unabhängig vom Typ der Insertion (1–4), gute Langzeitprognosen (Hämmerle et al., 2008). Für den Verlust von Implantaten kommt eine Vielzahl von Faktoren infrage. Im Vordergrund stehen inadäquate Patientenselektion, OP-Technik, Rekonstruktion und Implantatpflege. Immer ist damit zu rechnen, dass nach Insertion, auch bei entzündungsfreier Mukosa, im ersten Jahr 0,9–1,5 mm periimplantärer Knochen abgebaut wird, danach 0,1 mm pro Jahr.

Der Erfolg eines Implantates wird gemäß der Konsenskonferenz in Pisa 2007 (Misch et al., 2008) in drei Grade unterteilt. Grad 4 zeigt den Misserfolg an, was bedeutet, dass das Implantat wegen Schmerzen, Mobilität, radiologischem Knochenverlust > ½ der Implantatlänge und/oder unkontrollierter Exudatentleerung entfernt werden muss. Wie bei parodontal behandelten Zähnen die Extraktion, sollte bei Implantaten ebenfalls die Entfernung des Implantates als absolutes Maß des Misserfolges herangezogen werden. 

Mit einer systematischen Übersichtsstudie wurden fünfjährige Überlebenschancen von überkronten Einzelzahn-Implantaten studiert (Jung et al., 2008). Aus der Meta-Analyse von 26 einbezogenen Studien mit insgesamt 1.558 Implantaten geht hervor, dass 96,8% der mit Keramik- oder Metall- Keramik-Kronen versehenen Implantate erfolgreich waren. Allerdings wurde festgestellt, dass bei 9,7% der Implantate Komplikationen an Weichgeweben und Periimplantitis vorlagen. 6,3% wiesen einen Knochenverlust von > 2 mm auf. Bereits früher schätzten Pjetursson et al. (2004) die Überlebenschancen nach fünf Jahren von mit festsitzenden Rekonstruktionen verbundenen Implantaten durch Ermittlungen aus 15 Studien mit 3.549 Implantaten auf 95,4%. Es muss jedoch angemerkt werden, dass viele Implantate durch mangelhafte vorbereitende Maßnahmen und fehlerhafte OP-Technik bereits verloren gehen, bevor sie mit Kronen oder Brücken versorgt werden können (Pjetursson et al., 2004; Jung et al., 2008). 


Vergleich Langzeiterfolg von parodontal behandelten Zähnen und Implantaten 

In einer 2006 veröffentlichten Studie nahmen Machtei und Mitarbeiter den direkten Vergleich des Langzeiterfolges von Implantaten (transmukosale und überdeckte Einheilung) und parodontal behandelten Zähnen vor. Auch hier gilt anzumerken, dass ein festes Team mit protokollarisch festgelegten Nachsorgehandlungen von parodontal sanierten Zähnen und Implantaten betraut war. Aus dieser Studie gehen ebenfalls wichtige Hinweise für die Entscheidung Implantat oder PA-Behandlung hervor. Die Ergebnisse, erhoben minimal ein und maximal sechs Jahre nach Behandlung der Parodontitis beziehungsweise nach Implantation, zeigen bezüglich Plaque, Gingivitis/Mukositis, Sondiertiefe und klinischem Attachmentniveau nur geringfügige, aber nicht signifikante und klinisch (noch) nicht relevante Unterschiede auf (Tab. 2).

Bei der röntgenologischen Evaluation der alveolären und der periimplantären Knochenhöhe fiel jedoch auf, dass bei Implantaten deutlich mehr Knochenhöhe verloren gegangen war als bei parodontal behandelten Zähnen (Tab. 3). Es muss gefolgert werden, dass der enossale Anteil der Implantate, der ursprünglich total im Knochen eingebettet war, nach Jahren nicht mehr mit Knochen bedeckt ist. Das Risiko für submuköse Plaqueakkumulationen an diesen Implantatanteilen mit Windungen oder körnigen Mikrostrukturen nimmt also zu. 

Seit der Konsenskonferenz der European Association for Osseointegration (Clin Oral Impl Res 2006, Suppl. 2) ist evident, dass die langjährige Überlebenschance von Implantaten bis zu 100% sein kann. Dieses gilt bei der Voraussetzung, dass die epitheliale Barriere am Implantat stabil bleibt und weder von chemischen Materialkomponenten noch von Plaquebakterien beeinflusst wird. Weiter muss der enossale Anteil des Implantates mit Windungen oder körnigen Mikrostrukturen vom alveolären Knochen total bedeckt bleiben. Knochendichte und -struktur, die die primäre Stabilität beeinflussen und diese sichern, müssen deshalb vor der Implantation diesbezüglich beurteilt werden. Es spielt dabei keine Rolle, ob Implantate unmittelbar oder verzögert belastet werden. Unter Berücksichtigung der Knochenstruktur, der Implantattopografie und bei überlegter Fallauswahl haben kurze Implantate mit dickem Durchmesser dieselben Überlebenschancen wie lange Implantate. 


Nachsorge 

Der Langzeiterfolg parodontal geschädigter Zähne kann nur dann gesichert werden, wenn nach parodontal-therapeutischen Maßnahmen Patienten in die professionelle Nachsorge eingebettet werden (Lang et al., 2008). In regelmäßigen Intervallen wird die Mitarbeit des Patienten kontrolliert und wo nötig korrigiert. Plaqueakkumulationen werden supra- und subgingival entfernt. Untersuchungen haben gezeigt, dass nach Abschluss der aktiven Parodontaltherapie, also nach Scaling/Root Planing und chirurgischen Maßnahmen, der Patient einer intensiven Begleitung bedarf, um das erreichte Resultat zu sichern. Dieses gilt nicht nur für Patienten, die sich regenerativ-chirurgischen Maßnahmen unterzogen haben. Es wäre eine irrige Auffassung, dass Patienten nach radikal-chirurgischer Taschenelimination selbst, ohne regelmäßige professionelle Hilfe zu beanspruchen, langfristig das Parodont entzündungsfrei halten können.

Wird die Nachsorge in regelmäßigen Zeitabschnitten nach einem festgelegten Protokoll und zuverlässig durchgeführt, wird das Risiko zum Zahnverlust, wie Axelsson und Mitarbeiter (2004) zeigten, auf ein Minimum reduziert. Den Recallbehandlungen kommt deshalb dieselbe Bedeutung zu wie den vorbereitenden und chirurgischen Parodontalbehandlungen. Es ist festzuhalten, dass Implantat-Patienten ebenso einer seriösen Nachsorge bedürfen, soll der Langzeiterfolg gesichert sein. Lang und Mitarbeiter (2000) hatten dafür drei Protokolle vorgestellt, die in der CIST (Cumulative Interceptive Supportive Therapy) zusammengefasst sind. Die periimplantären Gewebe sollten primär unbedingt entzündungsfrei bleiben. Verglichen mit dem Fortschreiten der parodontalen Entzündung Richtung Knochen, breitet sich nämlich die periimplantäre Mukositis viel schneller zum periimplantären Knochen aus. Es wird im selben Zeitrahmen eher zur periimplantären Knochendestruktion mit Tiefenausbreitung des Mukosaepithels kommen als beim Parodont. An den ehemals enossal gelegenen, jetzt aber in der periimplantären Tasche exponierten, meistens grob strukturierten Implantatoberflächen, setzt sich ein Biofilm fest, in dem Bakterien kolonisieren und sich zur submukösen Plaque organisieren (Quirynen et al., 1999; Teles et al., 2008). Es ist illusorisch anzunehmen, diese könnte mit den üblichen mechanischen Hilfsmitteln aus Windungen und von grobkörnigen Implantatteilen entfernt werden. Es ist deshalb von größter Bedeutung, unmittelbar nach der Wundheilung der periimplantären Mukosa – wobei alle für den Erfolg wichtigen Kriterien des Anbringens von Implantaten beachtet wurden – mit der Nachsorge zu beginnen.

Die lokale Applikation von Chlorhexidin-Gel zur Unterstützung der täglichen, mechanischen Reinigung mit geeigneten Hilfsmitteln steht hierbei im Vordergrund (Mombelli, 1999). Zu einem späteren Zeitpunkt kann erwogen werden, Patienten mehrmals wöchentlich Chlorhexidin- Spüllösung vorsichtig mit einem Irrigator applizieren zu lassen (Abb. 10). Die hemmende Wirkung von CHX-Präparaten auf Bakterien im oralen Biofilm und auf gingivale Entzündungen ist mehrfach geprüft und erwiesen (Addy & Moran, 2008). Nebenwirkungen, die häufig in den Vordergrund gerückt werden, sind bei lokaler Anwendung und komplettierter Wundheilung zu vernachlässigen.  


Indikation zum Implantat aus parodontaler Sicht 

 Aus kontrollierten Langzeitstudien nach Anbringen von Implantaten und Parodontitis-Behandlung kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass beide Therapien unter Berücksichtigung der aufgezeigten Voraussetzungen vollwertig sind und die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen. Es stellt sich jetzt die Frage, wann Zahnerhaltung aus parodontaler Sicht und wann Ersatz durch Implantat erwogen werden soll. Die Studie der Axelsson-Gruppe (2004) weist als häufigste Ursache für das Verlorengehen von Zähnen in erster Linie Wurzelfrakturen aus. Weiterhin werden in absteigender Reihenfolge Endoprobleme, Wurzelresorptionen, Karies, parodontale Entzündungen und Traumata als ursächliche Faktoren angesprochen. Weiterhin geht aus der Studie hervor, dass am häufigsten Molaren betroffen sind.

Daraus kann eine wichtige Folgerung für die Indikation zum Implantat gezogen werden. Offensichtlich sind Molaren mit reduziertem Parodont langfristig Risikozähne. Vornehmlich jene im Oberkiefer mit Furkationsdefekten des Grades III und jene im Unterkiefer mit durchgängiger, aber enger Furkation, fallen in diese Gruppe. Gleiches gilt auch für erste Prämolaren im Oberkiefer. Mit adäquaten parodontal-chirurgischen Methoden sind furkations-geschädigte Molaren wohl zu sanieren und bei hoch motivierten Patienten auch langfristig zu erhalten (Carnavale et al., 2008), sie bleiben aber Risikozähne, weil Patienten deren Furkationsbereiche nur mit größtem Einsatz reinigen können und sie in der professionellen Nachsorge hohe Anforderungen an die manuellen Fähigkeiten der Behandler stellen. Molaren und auch Prämolaren mit diesen Furkationsproblemen sind deshalb durch Implantate zu ersetzen, womit die Verhältnisse für die persönliche und professionelle Reinigung wesentlich vereinfacht werden und somit auch eine gute Langzeitprognose für die Erhaltung der Kaufunktion besteht.

Es versteht sich von selbst, dass vor dem Anbringen eines Implantates das gesamte Parodont saniert sein muss. Zu bedenken ist ebenfalls, dass durch Implantate zwar die makromorphologischen Verhältnisse vereinfacht werden, sich aber aufgrund der Mikromorphologie rascher Entzündung und Destruktion der periimplantären Gewebe einstellen, insbesondere sobald der enossale Anteil des Implantates nicht mehr von Knochen umgeben ist. Die Studie von Machtei (2006) verdeutlicht dies. Unterkiefermolaren mit weiter durchgängiger Furkation haben nach endodontischer Behandlung, Prämolarisierung und Überkronung wie einwurzelige Zähne langfristig gute Prognose. Wurzelfrakturen, traumatische Schäden mit Einbeziehung der Wurzel sollten heutzutage nicht mehr mit parodontal- therapeutischen Methoden angegangen werden. Sie sind auch vom parodontalen Standpunkt aus ideale Indikationen für Implantate. Voraussetzung ist allerdings, dass Gingivaund alveoläre Knochenverhältnisse eine ästhetisch wertvolle Rekonstruktion zulassen. 

Die früher häufig durchgeführten Wurzelamputationen an mehrwurzeligen Zähnen aufgrund endodontischer oder kombinierter parodontaler und endodontischer Ursachen sind beim heutigen Stand der Endodontologie, Parodontologie und Implantologie kaum mehr indiziert. Parodontaltherapie und Implantationen sind also keine konkurrierende, sondern sich ergänzende Maßnahmen! Für den Entschluss zum Implantat muss immer genügend alveolärer Knochen vorhanden sein, sodass der enossale Anteil des Implantates auch tatsächlich total im Knochen verankert ist und bleibt. Nach der Implantation geht ja immer, selbst bei entzündungsfreier Mukosa, periimplantärer Knochen verloren. Machtei et al. (2006) haben nachgewiesen, dass der periimplantäre Knochen schneller verloren geht als der parodontale (Tab. 3) und damit die Plaquebildung in den freigelegten Windungen und an den körnigen Oberflächen des enossalen Implantatanteils gefördert wird. Ist die Knochendimension zu gering, muss sie unbedingt verbessert oder auf Implantation verzichtet werden. Andernfalls ist der kurzfristige Misserfolg vorprogrammiert. 

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