Implantologie 09.08.2017

Implantate, Teilprothese oder beides?



Implantate, Teilprothese oder beides?

Foto: Piumadaquila – stock.adobe.com

Implantate, Teilprothese oder beides?

Implantate gelten zwar als beste Zahnersatzform, doch manche Fälle verlangen aus verschiedensten Gründen nach Alternativen, die funktionell und ästhetisch möglichst ähnliche Ergebnisse erzielen. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Vor- und Nachteile verschiedener Verfahren, die für diesen Patientenkreis in Betracht kommen.

Kontraindikationen für Implantate

Welche Versorgung die beste ist, hängt von den individuellen Gegebenheiten ab. Implantate gelten allerdings als Goldstandard bei Zahnverlust, weil sie nicht nur festen Halt bieten, sondern darüber hinaus Knochenabbau verhindern und eine gute Prognose haben. Es gibt aber Patientengruppen, vor allem Angstpatienten oder Ältere mit diversen Grunderkrankungen, die sich aufgrund des Operationsaufwands, der langen Einheilphase, möglicher Komplikationen oder der vergleichsweise hohen Kosten gegen Standardimplantate entscheiden.

Zudem sind natürlich medizinische Kontraindikationen zu erwähnen, die gegen eine Implantation sprechen. Schwere Allgemeinerkrankungen wie Herzleiden oder schlecht regulierbarer Diabetes, krankhafte Veränderungen in der Mundhöhle oder eine mangelhafte Mundhygiene gehören genauso dazu wie starker Tabakkonsum, der das Risiko des Implantatverlusts erhöht. Während bei Nichtrauchern lediglich 10 Prozent der Implantate verloren gehen, zeigt sich bei Rauchern eine Misserfolgsrate von 17 Prozent.1 

Kommen Implantate aus einem der genannten Gründe nicht infrage, gibt es mehrere Möglichkeiten des Lückenschlusses. Neben Brücken sind Teilprothesen eine davon. Welche Chancen bieten sie?

Teilprothesen: Kostengünstig, aber minderwertig?

Klammerprothesen sind für Patienten vor allem aufgrund der niedrigen Herstellungskosten und der Vermeidung eines operativen Eingriffs interessant. Dank ihrer unkomplizierten Erweiterbarkeit ist zwar auch ein zahnmedizinischer Vorteil gegeben, aufgrund der zahlreichen Nachteile, wie verminderter Kau- und Sprechfähigkeit, hoher Belastung der klammertragenden Zähne und Knochenabbau, ist dieser Zahnersatz allerdings nicht immer zufriedenstellend. Auch die Überlebensdauer ist kritisch zu betrachten: Laut Vermeulen et al. sind nach fünf Jahren nur noch 40 Prozent der konventionellen Teilprothesen intakt.2 

Wie schwer die Nachteile im Einzelfall zu gewichten sind, hängt von der jeweiligen Mundsituation, wie zum Beispiel der Lage der Pfeilerzähne, und von der Persönlichkeitsstruktur des Patienten ab.

Teleskopprothesen sind eine hochwertige Alternative für Patienten, die einer Implantatversorgung zum Beispiel wegen bestimmter Grunderkrankungen oder fortgeschrittenem Alter kritisch gegenüberstehen, aber die Kosten für hochwertigen Zahnersatz tragen können. Pfeilerstabilität und Prothesenhalt sind besser als bei der Klammerprothese, Überlastung ist allerdings nicht auszuschließen und das Risiko des Absterbens der beschliffenen Zähne beträgt 20 bis 40 Prozent. Zudem ist die Größe der Doppelkronen häufig ein ästhetischer Nachteil.

Ästhetisch bessere Ergebnisse liefern Geschiebeprothesen, für deren Befestigung allerdings auch gesunde Zahnsubstanz beschliffen werden muss. Überlastung, Knochenabbau, keine Möglichkeiten für spätere Erweiterungen und hohe Kosten sind weitere Nachteile.

Um eine gleichmäßige Verteilung der mastikatorischen Belastungen zu erreichen, ist eine 4-Punkte-Abstützung im Polygon erstrebenswert, die sich manchmal nur durch eine Implantation umsetzen lässt. Implantatgetragene Prothesen eignen sich für Patienten, die grundsätzlich offen für Operationen sind und die Kosten übernehmen können, Aufwand, Risiken und Budget aber so gering wie möglich halten wollen.

Möglichkeiten implantatgetragener Teilprothesen

Bei fehlender physiologischer Belastung beträgt die jährliche Atrophie des Kieferknochens ca. 0,3 mm.3 Ein anfänglich womöglich akzeptabler Prothesenhalt verschlechtert sich so zunehmend, was sich durch eine Pfeilervermehrung verhindern oder korrigieren lässt.

Implantatsysteme, die dafür infrage kommen, sind universell anwendbar und gewähren eine maximale Primärstabilität. Die Implantate müssen eine gleichmäßige, bilaterale Abstützung ermöglichen, sodass Disbalancen vermieden werden. Die Erfolgsraten einer Studie mit geringer Teilnehmerzahl zeigen, dass dieses Konzept gut funktionieren kann: Die Implantatverlustrate von 2,2 Prozent ist sehr niedrig. Die Reparaturbedürftigkeit war mit 17,2 Prozent zwar höher, aber es handelte sich dabei nur um Käppchenverluste.4 

Aufbauten sind zum Beispiel mit Locatoren möglich, die Prothese und Implantate wie Druckknöpfe verbinden, wodurch die Reinigung erleichtert wird. Ob dieses Verfahren konventionellen Stegen überlegen ist, ist allerdings noch offen. Laut aktueller Leitlinie, die momentan überarbeitet wird, kann hinsichtlich der Verankerungssysteme keine Empfehlung gegeben werden, da es an aussagekräftigen Studien mangelt.5 

Mini-Implantate sind ebenfalls eine Möglichkeit, eine Prothese mit wenigen Implantaten zu versorgen. Einteilige Mini-Implantate mit einem Durchmesser von 1,8 bis 2,9 mm wurden zwar schon vor einiger Zeit für den Langzeiteinsatz freigegeben, zählen aber noch nicht zu den weit verbreiteten Standardverfahren. Sie ersetzen aufwendige chirurgische Verfahren mit Lappenbildungen und Augmentationen.

Implantat- und Prothesenpflege

Unabhängig vom jeweiligen Zahnersatz ist eine gründliche Mundhygiene von entscheidender Bedeutung. Karies an den Klammerzähnen oder Entzündungen an den von Prothesensätteln überlagerten Kieferabschnitten sind eine Folge von Plaque, die es durch gute Pflege und halbjährliche Kontrollen zu vermeiden gilt.

Auch implantatgetragenen Zahnersatz sollten die Patienten regelmäßig reinigen, um Periimplantitis zu vermeiden, die bei 10 bis 16 Prozent der Implantatträger vorkommt und damit keine Seltenheit ist.6 Patienten auf die Notwendigkeit der gründlichen Mundhygiene hinzuweisen und die Mundgesundheit bei regelmäßigen Kontrollterminen zu überprüfen, ist besonders bei Älteren wichtig, die zu Zahnerkrankungen neigen.

Fazit

Ziel jeder Behandlung sollte sein, die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität wiederherzustellen. Die WHO versteht darunter „die Fähigkeit, ein breites Spektrum an Nahrungsmitteln zu kauen und zu essen, deutlich zu sprechen, ein sozial akzeptables Lächeln sowie ein entsprechendes dentofaziales Profil zu besitzen, sich im Mundbereich wohlzufühlen, frei von Schmerzen zu sein und einen frischen Atem zu haben“.7 Mit Implantaten können Zahnärzte diesen Forderungen zwar Rechnung tragen, aber sollte eine vollumfängliche Implantation nicht möglich oder aus finanziellen Gründen nicht gewollt sein, bieten implantatgetragene Prothesen eine stabile Alternative bei Zahnverlust, die nicht fixierten Lösungen oftmals überlegen ist. 

Literatur:

(1) G. Gomez-Roman, E.L. Maier, D. Lukas: Einfluß des Rauchens auf die Verweildauerwahrscheinlichkeit dentaler Implantate unterschiedlicher Systeme unter Berücksichtigung der Dosisabhängigkeit. Online abgerufen am 05.06.2017.

(2) Daniel Moll: Literaturstudie: Kombinationsversorgung von Zähnen und Implantaten. Online abgerufen am 05.06.2017

(3) Daniel Rein, Manfred Wolf: Implantatgetragene Prothese zur Versorgung zahnloser Kiefer. Online abgerufen am 05.06.2017.

(4) P. Schneider, P. Gehrke: Langzeitergebnisse implantologischer Pfeilervermehrung im reduzierten

Restgebiss mittels präfabrizierter Doppelkronen. In: Deutscher Ärzte-Verlag Köln, Zeitschrift für Zahnärztliche Implantologie 2008, 24 (1), S. 33 ff. 

(5) J.-S. Schley et al.: Implantatprothetische Versorgung des zahnlosen Oberkiefers. Online abgerufen am 05.06.2017.

(6) Ohne Autor: Periimplantitis – Ätiologie, Häufigkeit und Diagnostik. In: Praktische Implantologie und Implantatprothetik, Miesbach PIP Verlag 2015 (1), S. 24.

(7) Christian Bein: Klinische Studie zur Evaluation von Zusammenhängen zwischen soziodemograhischen Parametern (Alter), psychosozialen Einflüssen

(psychischer Gesundheitszustand) sowie der Mobilität der Patienten (physischer Gesundheitszustand) zum Mundhygienestatus bei Patienten über 70 Jahren. Kooperativer Bibliothekenverbund Berlin-Brandenburg 2015.

Mehr Fachartikel aus Implantologie

ePaper