Implantologie 31.01.2023

GBR-Behandlungsprognose mit Membranen verbessern



GBR-Behandlungsprognose mit Membranen verbessern

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No bone, no implant – bei 60,8 Prozent aller Implantatfälle muss laut einer retrospektiven Analyse der Universität Bern Knochen aufgebaut werden. Im Frontzahnbereich des Oberkiefers benötigen sogar 83,5 Prozent der Dentalimplantate eine simultane Augmention, um das Ergebnis langfristig zu sichern.1 Dabei können im Zuge der gesteuerten Knochenregeneration (Guided Bone Regeneration, GBR) neben autologem oder allogenem Knochen auch xenogene oder alloplastische Knochenersatzmaterialien zum Einsatz kommen, die von stabilisierenden Membranen in Form gehalten werden und damit den Raum für die angestrebte Knochenregeneration absichern sowie diese fördern.2 Neu auf dem deutschen Markt ist die bioresorbierbare Kollagenmembran Straumann® Membrane Flex (Straumann Group), die weltweit bereits 225.000 Mal erfolgreich eingesetzt wurde.

Bioresorbierbare Membranen gelten inzwischen als Goldstandard im Bereich der Barrieremembranen. Sie bestehen entweder aus natürlichen (z. B. Peritoneum, Pericard etc.) oder synthetischen (PLA, PGA oder Polyethan) Biomaterialien und müssen nicht in einem zweiten Eingriff entfernt werden. Neben ihrer grundsätzlich stützenden und volumenerhaltenden Funktion sichern sie darüber hinaus nicht nur das Augmentat an Ort und Stelle, sie sorgen zusätzlich für die Ausbildung eines Blutkoagulums, was besonders wichtig in der frühen sensiblen Phase der Heilung ist und den Wundbereich direkt stabilisiert. Die gewünschte Barriere hemmt zudem das Einwachsen von Weichgewebe in den Wundbereich und verhindert Bindegewebsverkapselungen. Gleichzeitig ermöglicht das semipermeable Membrangewebe eine frühzeitige Angiogenese und eine vorhersagbare Regeneration verloren gegangenen Gewebes. Die für das Knochenwachstum benötigte Langzeitstabilität kann durch eine zu rasche Biodegeneration geschwächt sein, hier gibt es Unterschiede bei den verfügbaren Membranen. Dem lässt sich z. B. durch eine Quervernetzung des Kollagengewebes entgegenwirken, was eine frühe Resorption weiter erschwert.3

Anforderungen an Membranen

In der Spezialpraxis des Autors werden Knochenaugmentationen bereits bei einer bukkalen Knochenrestdicke von weniger als 1,5 mm vorgenommen. Dabei werden Knochenaufbauten in GBR-Technik immer mit einer Membran versorgt, bei größeren Knochenaufbauten kommt die Schalentechnik ohne Membran zum Einsatz. Soll der Patient im Rahmen einer GBR versorgt werden, ist es wichtig, auf die richtige Membran zu setzen, um die Behandlungsprognose zu verbessern. Das zeigt die Erfahrung des Autors von 22 Jahren mit Membranen verschiedener Anbieter:

  • Eine Membran sollte biokompatibel sein, eine schnelle Revaskularisierung ermöglichen und die Heilung nachweislich fördern.4 
  • Sie sollte mindestens vier Monate Standzeit mitbringen (Standfestigkeit). Dabei verhindert die Barrierefunktion der Membran das Einwachsen schnell proliferierender Epithel- und Bindegewebszellen in den Wundbereich. 
  • Formstabilität ist eine weitere Anforderung, damit die Membran nicht in das Wundgebiet kollabiert und den für den Regenerationsprozess benötigten Raum limitiert.5 
  • Darüber hinaus muss eine gute klinische Anwendbarkeit gewährleistet sein, d. h. die Membran sollte gut formbar und flexibel (ausreichend dick und steif), reißfest (sich gut nähen, pinnen oder kleben lassen) und nicht klebrig sein.

Indikationen – zugfeste Kollagenmembran für Routinefälle

Diese Voraussetzungen erfüllt die für den deutschen Anwen- der neue Straumann® Membrane Flex, die aus hochreinem, intaktem porcinen Peritoneum hergestellt wird und sich laut Herstellerangaben für alle Routinefälle in der täglichen Praxis eignet. Sie ist etwas dicker im Vergleich zu der in unserer Praxis routinemäßig eingesetzten Jason® membrane (botiss biomaterials, Straumann Group) aus perikardialen Kollagen- fasern, klebt nicht und lässt sich sehr gut trimmen und formen. Das erleichtert die Verarbeitung. Zur anwenderfreundlichen Handhabung kommt hinzu, dass sie sich sehr gut sowohl mit Pins oder Nähten fixieren lässt. Aufgrund der Quervernetzung des Peritoneumgewebes resorbiert sie langsamer und trägt damit zur längeren initialen Stabilisierung des Wundbereichs bei (Abb. 1).

Die Membrane Flex ist besonders reißfest, belegt werden konnte ihr eine drei Mal höhere Nahtreißfestigkeit sowie eine geringere Entzündungsreaktion in einer Vergleichsstudie mit einer bewährten Kollagenmembran.6 Sie kann sowohl trocken als auch hydriert platziert werden und Anwender können sie universell (keine Seitenspezifität) verwenden. Laut Hersteller eignet sich die Allrounder-Membran für den simultanen Einsatz von GBR-Membran und Implantaten ebenso wie zur Augmentation um Implantate herum (vgl. Patientenfall), für lokale Kammaugmentationen, zur Rekonstruktion des Alveolarkamms vor Prothetik, zum Auffüllen von Knochendefekten oder im Rahmen einer GBR in Dehiszenzdefekten sowie für GTR in parodontalen Defekten.

In eigener Praxis wird die Membrane Flex zusätzlich beim augmentativen Relining bei der Schalentechnik (Relining- GBR), wenn größere knöcherne Defekte vorliegen, eingesetzt. Dieses besondere vom Autor bereits 2013 beschriebene Verfahren kombiniert zwei bewährte augmentative Techniken, wobei die eingesetzte Membran dazu dient, den darunter aufgebauten Knochen weiter zu schützen und die Heilung zu unterstützen.7 Der folgende Fallbericht (Implantation mit Simultanaugmentation) dokumentiert und veranschaulicht die ersten Erfahrungen mit der Membran.

Patientenfall

Eine Patientin (55 Jahre, unauffällige Anamnese) kam in unsere Überweisungspraxis, weil sich nach endodontischer Behandlung und Stiftaufbau Zahn 22 bereits gelockert hatte. Der klinische Befund ergab einen Lockerungsgrad 2, zudem zeigte die Region Entzündungszeichen und eine Fistel mit Austritt von Pus, sodass der Zahn entfernt werden musste. Dabei stellte sich heraus, dass die Wurzel inklusive Stift frakturiert war. Im Anschluss folgte eine Beratung über die Versorgungsmöglichkeiten. Die Patientin entschied sich für ein Dentalimplantat mit gleichzeitigem Knochenaufbau im Bereich des Defekts. Nach der Extraktion des Zahns 22 mit anschließender abnehmbarer provisorischer Versorgung hatte die Alveole vier Monate lang Zeit, zu heilen. Die Abbildungen 2 und 3 zeigen die klinische Ausgangssituation zu diesem Zeitpunkt. Während des anstehenden Eingriffs (Implantatinsertion und GBR) erhielt die Patientin auf Wunsch eine intravenöse Sedierung (Dormicum) sowie intraoperativ Novalgin.

In der Vorbereitung zur Implantatinsertion dokumentiert Abbildung 4 den Zustand nach marginaler Schnittführung mit Entlastungsinzision distal des linken Prämolaren und Untertunnelung der Schleimhaut im Bereich der Kieferhöhlenwand. Mit dem Knochensammler Safescraper® Micross (META) wurden Knochenspäne im Bereich der lateralen Kieferhöhlenwand der Patientin für die anstehende Augmentation gewonnen. Vier Monate nach der Extraktion wurde nun das Implantat (Straumann® Bone Level Tapered, SLActive®, ∅ 3,3 mm, Länge 12 mm) direkt in den vorhandenen Knochen gesetzt. In Abbildung 5 werden die knöchernen Defekte deutlich.

Im nächsten Schritt wurde nach Periostschlitzung die ungetrimmte Kollagenmembran Membrane Flex (Straumann Group) am apikalen Periost mithilfe resorbierbarer Nähte fixiert (Abb. 6). Die Infobox Kollagenmembran annähen oder pinnen? gibt weitere Hinweise zur Fixierung.

Im Anschluss erfolgte die GBR im geschichteten Verfahren: Dem Einbringen der patienteneigenen Knochenspäne folgte eine Schicht bovines Knochenersatzmaterial (Straumann® XenoGraft – 1.000–2.000 micron 0,25 g), die mit der Kollagenmembran abgedeckt wurde, die durch den palatinalen Lappen nach palatinal fixiert wurde (Abb. 7). Nach plastischer Deckung wurde mit PGA RESORBA®-Fäden (5/0) speicheldicht vernäht (Abb. 8). Präoperativ erhielt die Patientin bereits unterstützend ein Anti- biotikum (Amoxicillin, 2 x tgl.), das sie auch postoperativ für weitere zehn Tage einnahm sowie Ibuprofen als Schmerzmittel bei Bedarf. Auch tägliche Spülungen mit Chlorhexidin 2 % wurden für 14 Tage verordnet.

Auf die regelmäßigen Kontrollen in den kommenden vier Monaten folgte die Wiedereröffnung in Form eines kleinen Rolllappens (Pouchrolllappen), bei dem lediglich das Gewebe, das sich über dem Implantat krestal befand, angehoben und entepithelisiert und nach bukkal in eine kleine Weichgewebstasche eingeschlagen wurde. Im Anschluss wurde der Gingivaformer eingesetzt (Straumann NC, ∅ 4,8 mm, Höhe 3,5 mm, conical shape) und mit Monocryl-Fäden (6/0, ETHICON) vernäht (Abb. 9 und 10). Im Nachgang wurde die Patientin angehalten, erneut für 14 Tage mit Chlorhexidin zu spülen, Ibuprofen sollte nach Bedarf eingenommen werden. Etwa zwei Monate nach der Freilegung konnte die prothetische Versorgung eingegliedert werden (Abb. 11). Auch die röntgenologische Aufnahme zeigt im Endergebnis die gut gelungene knöcherne Abdeckung des Implantats (Abb. 12).


PRAXISTIPP

Kollagenmembran annähen oder pinnen? Viele Kollegen befestigen die Membran während der GBR mit einem Pin. Im Zuge der Praxis des Augmentativen Relinings (Kombination zweier Knochenaufbautechniken mit Einsatz einer stabilisierenden Membran) habe ich erstmals die Erfahrung gemacht, dass es mitunter besser (und auch schneller) sein kann, die Kollagenmembran an den Knochen zu nähen statt zu pinnen. Das bietet sich besonders im distalen Oberkieferbereich oder im lingualen Bereich an. Auch wenn das Nähen etwas Gewöhnung und Erfahrung erfordert, ist es empfehlenswert. Da die Nähte mit der Zeit resorbieren, kann auf einen weiteren Eingriff, zur Entfernung des Pins, verzichtet werden. Diesen belasse ich ungern in situ.


Fazit

für die Praxis Nicht nur aufgrund des sichtbar guten Behandlungsergebnisses lässt sich die Membran auf der Grundlage erster praktischer Erfahrungen als vielversprechend bewerten. Das Ergebnis war vergleichbar mit dem der Jason® membrane, die in unserer Praxis regelmäßig zum Einsatz kommt. Die Membrane Flex ließ sich besonders unkompliziert verarbeiten – für den Praktiker ein sehr wichtiger Aspekt. Dabei gibt es natürlich unterschiedliche Nutzervorlieben: Manche mögen es lieber, wenn sich die Membran wie ein nasses Tuch über die zu bedeckende Stelle legt. Der Autor bringt die Membran gern selbst in Form, was bei der Membrane Flex besonders gut gelingt, weil sie etwas steifer und dicker ist.

Die zugesicherte Reißfestigkeit hat sich bestätigt, das Fixieren funktionierte einwandfrei und sie wurde von den Patienten komplikationslos vertragen. Aufgrund der ersten Erfahrungen wird ein Einsatz aus aktueller Perspektive in der Praxis sowohl für kleine Augmentationen (GBR) in Kombination mit Implantaten als auch beim augmentativen Relining bei der Schalentechnik, wenn größere knöcherne Defekte vorliegen (Relining-GBR), möglich. Dieses Verfahren kombiniert zwei bewährte augmentative Techniken, wobei die eingesetzte Membran dazu dient, den darunter aufgebauten Knochen weiter zu schützen und die Heilung zu unterstützen. Unsere Praxis bevorzugt es, die angewendeten Biomaterialien aus einem Portfolio zu erhalten, da es die Bestellprozesse vereinfacht. Weitere Patientenfälle sind geplant, in denen bei ähnlicher klinischer Ausgangssituation auf beiden Seiten halbseitig die Jason® membrane respektive Membrane Flex eingesetzt wird, um die Ergebnisse zu vergleichen.

Die Empfehlung, Membrane Flex einem Praxistest zu unterziehen, gilt allen Kollegen, die GBR mit resorbierbaren Membranen praktizieren und eine zugfeste Membran mit solider Standzeit suchen. In unserer Praxis ist sie zu einer zuverlässigen Alternative zur Jason® membrane geworden.

Diese Literaturliste können Sie sich hier herunterladen.

Dieser Fachbeitrag ist im Implantologie Journal 12/2022 erschienen.

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