Implantologie 22.06.2015

Klinische Erfahrungen mit resorbierbaren Kollagenmembranen



Klinische Erfahrungen mit resorbierbaren Kollagenmembranen

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Barrieremembranen sind mit ihren diversen Eigenschaften entscheidend in der GBR-Technik und müssen hohen Anforderungen standhalten. Inzwischen wird sogar der Einsatz von Membranen, die aus bovinem und porkinem Kollagen Typ I und III gewonnen werden, deutlich bevorzugt. Im vorliegenden Case Report werden die Vorteile dieser Kollagenmembranen beschrieben.

Der langfristig erfolgreiche Einsatz dentaler Implantate setzt ein ausreichendes horizontales und vertikales Knochenangebot voraus. In einer Vielzahl der Indikationen ist die Insertion jedoch nur mit vorausgehender oder zeitgleicher Augmentation des knöchernen Lagers möglich. Zur Behandlung knöcherner Defektsituationen ist eine Vielzahl von Techniken und Verfahren unter Verwendung unterschiedlicher Materialien beschrieben.1 Aus dieser Vielzahl der Verfahren kann die gesteuerte Knochenregeneration (GBR) heutzutage als therapeutisches Standardverfahren zum Aufbau von knöchernen Defekten in der Implantologie sowie Oral- und Kieferchirurgie angesehen werden. Aktuelle systematische Reviews zeigen, dass die GBR-Technik ein zuverlässiges Verfahren, insbesondere zum horizontalen Aufbau des Alveolarfortsatzes, darstellt. Die Erfolgsraten klinischer Studien zu Implantaten im augmentierten Knochen liegen im Bereich von 90 bis 100 Prozent.2 Das Prinzip dieser Verfahren beruht auf der Isolation potenziell regenerativer Zelltypen, wie z. B. Desmodontalfibroblasten und Osteoblasten schnell proliferierender Epithel- und Bindegewebszellen.3 Der Einsatz mechanischer Barrieremembranen spielt bei diesen Prozessen eine entscheidende Rolle.4 Neben der Barrierefunktion müssen Membranen für die GBR-Technik eine Vielzahl von Eigenschaften aufweisen, z. B. Biokompatibilität, Formstabilität und einfaches Handling. Zudem ist durch die Membran eine ausreichende Stabilisierung des Blutkoagulums zu fordern. Neuere Untersuchungen betonen die Wichtigkeit einer frühzeitigen transmembranösen Angiogenese; das frühzeitige Einwachsen von Blutkapillaren durch die Membran hindurch wird durch ihre Semipermeabilität gewährleistet.5

Im Detail ergeben sich für die GBR-Technik die nachstehenden Anforderungen an eine Barrieremembran:

1. Biokompatibilität: Wichtig für Zellattachment, Proliferation und Gewebeintegration, reduziert/verhindert entzündliche Abbauvorgänge.

2. Barrierefunktion: Verhindert das Einwachsen von Epithel- und Bindegewebszellen.

3. Formstabilität: Verhindert ein Kollabieren der Membran in den Defekt, sichert die Lokalisation des Augmentates.

4. Gewebeintegration: Stabilisation des Blutkoagulums.

5. Semipermeabilität: Ermöglicht frühzeitiges Einwachsen von Blutgefäßen (transmembranöse Angiogenese).

6. Handling: Sichere klinische Anwendbarkeit. (modifiziert nach Schwarz et al. 2006)

Die erste getestete Generation von Barrieremembranen bestand aus nicht resorbierbaren Materialien wie z. B. expandiertem Polytetrafluorethylen (e-PTFE). Ein Nachteil dieser nicht resorbierbaren Materialien besteht jedoch in der Notwendigkeit eines zweiten chirurgischen Eingriffs, um die Membran zu entfernen. Bei diesem Schritt kann die mit dem Entfernen verbundene Periostlösung zu einer krestalen  Resorption des Alveolarknochens und somit zu einer Beeinträchtigung des Behandlungsergebnisses führen.6,7 In klinischen Studien mit e-PTFE-Membranen traten zudem gehäuft Membranexpositionen auf, die unweigerlich zu einer bakteriellen Kontamination der Membran führten und deren Entfernen erforderlich machten.1,7 Um diese Nachteile zu umgehen, wurden während der letzten Jahre zahlreiche bioresorbierbare Membranen entweder aus natürlichen (Kollagen) oder synthetischen (Polylaktiden-PLA, Polyglykoliden-PGA oder Polyurethan) Biomaterialien her gestellt und auf ihre klinischen Einsatzmöglichkeiten hin untersucht.8 Inzwischen hat sich insbesondere der Einsatz von Membranen, die aus bovinem und porkinem Kollagen Typ I und III gewonnen werden, weit verbreitet.4 Kollagenfasern sind stabile Fasern des extrazellulären Bindegewebes. Sie sind aus Kollagenfibrillen aufgebaut, in denen drei Peptidketten schraubenförmig zu einer Tripelhelix verdrillt sind. Die unverzweigten Fasern sind sehr zugfest und nur zu ca. fünf Prozent dehnbar.4 Für den Einsatz von Kollagen spricht die Tatsache, dass es eine strukturelle Komponente besitzt und eine aktive Rolle bei der Ausbildung des Blutkoagulums spielt (hämostatische Eigenschaft). Somit kann es den Wundbereich stabilisieren.9 Weiterhin hat Kollagen eine chemotaktische Wirkung auf desmodontale Fibroblasten (Gewebeintegration) und es besitzt semipermeable Eigenschaften (transmembranöse Angiogenese).4,7 Kollagenbarrieren sind in tierexperimentellen Untersuchungen und auch in Studien mit Patienten umfassend untersucht worden – die klinischen Ergebnisse sind mit denen nicht resorbierbarer Membranen vergleichbar.10 Kollagenmembranen zeigen in diesem Vergleich auch eine niedrigere Inzidenz spontaner Expositionen. Darüber hinaus verläuft die Weichgewebsheilung mit Kollagenbarrieren nach einer Exposition infek tionsfrei.10 Ein potenzieller Nachteil des nativen Kollagens ist  jedoch seine verhältnismäßig kurze Standzeit, da es rasch durch gewebespezifische Proteasen, Kollagenasen und Makrophagen abgebaut wird.4,7 Aus diesem Grund sind die Anforderungen an die Standzeit und die Form stabilität – insbesondere bei der Augmentation großvolumiger Defekte, bei denen von einer insgesamt längeren Regenerationszeit auszugehen ist – erhöht. Zur Verbesserung der Barrierefunktion und Formstabilität nativer kollagener Membranen werden bereits seit mehreren Jahren unterschiedliche Verfahren zur Quervernetzung (Druck, Temperatur, UV-Licht, chemische und enzymatische Behandlungen) eingesetzt. Dies führt zu steiferen Kollagenmembranen und verlangsamter enzymatischer Degradierung. In tierexperimentellen Untersuchungen zeigte sich, dass die Resorption quervernetzter kollagener Membranen deutlich verlangsamt erfolgt. Gleichzeitig werden mit steigendem Quervernetzungsgrad auch die Biokompatibilität und die Gewebeintegration negativ beeinflusst. Entsprechend zeigten insbesondere chemisch quervernetzte Kollagenmembranen ein höheres Risiko von Wunddehiszenzen und Membranexpositionen.10–13 Neuere Entwicklungen im Bereich der bioresorbierbaren Barrieremembranen haben sich daher auf die Entwicklung von Kollagenmembranen mit verlängerter Standzeit fokussiert, ohne dabei die Komplikationsraten zu erhöhen.14 Mit dem Verzicht auf eine chemische Quervernetzung wurde ein wesentlicher Schritt in diese Richtung getan. Nachfolgend werden erste klinische Erfahrungen mit der Kollagenmembran creos xenoprotect (Nobel Biocare) dargestellt. Nach Angaben des Herstellers handelt es sich hierbei um eine resorbierbare Membran, die aus einem faserigen Netzwerk porkiner Kollagen- und Elastinfasern besteht (Abb. 1). In histologischen Untersuchungen zeigte diese Membran bei deutlich verlängerter Resorptionszeit und verbesserter Revaskularisation eine vergleichbare Biokompatibilität und Gewebeintegration wie Membranen aus nativem Kollagen.13 In weiteren Untersuchungen wies das Material im Vergleich zu anderen resorbierbaren Membranen eine verbesserte Dehnbarkeit und eine signi fikant erhöhte Nahtstabilität auf.15

Falldarstellung

Eine 34-jährige Patientin stellte sich mit permanenten Beschwerden in der Regio 14 vor. Nach Angaben der Patientin war alio loco an dieser Stelle acht Wochen zuvor ein Implantat mit begleitender Augmentation inseriert worden. Die Patientin klagte seitdem über einen konstant zunehmenden Schmerz, der sich trotz mehrwöchiger Antibiose mit einem Breitbandantibiotikum nicht gebessert hatte. Die klinische Inspektion zeigte zwar eine vollständige weichgewebige Deckung des Implantates (Abb. 2), bei der digitalen Kompression des Wundbereichs kam es jedoch zur Exsudation von Pus. Aufgrund der gräulich durchschimmernden Implantatanteile war eine fehlende bukkale knöcherne Knochenbedeckung des Implantates zu erwarten. Die Patientin wurde über die fragliche Prognose des Implantates aufgeklärt. Zur diagnostischen Absicherung wurde eine DVT-Analyse des Implantationsgebietes durchgeführt. Die Auswertung der dreidimensionalen Diagnostik bestätigte das weitgehende Fehlen der bukkalen Knochenlamelle. Es zeigte sich, dass der Sinus maxillaris keine Entzündung aufwies (Abb. 3). Aufgrund der konstanten Beschwerdesymptomatik wurde der Patientin eine Explantation empfohlen. Der chirurgische Eingriff zur Explantation erfolgte nach einer professionellen Zahnreinigung und perioperativer Antibiose mit 3 x 1 g Amoxicillin in Lokalanästhesie. Nach der Bildung eines Mukoperiostlappens wurde zunächst das Granula tionsgewebe entfernt und die exponierten Implantatanteile wurden dargestellt. Dabei zeigte sich, dass im bukkalen Anteil bereits mehr als zwei Drittel der Implantatoberfläche freilagen. Außerdem war es bereits zu einem vertikalen Knochenverlust von ca. 2 mm im Bereich der Implantatschulter gekommen (Abb. 4). Die Explantation erfolgte mit einer Trepanfräse, wobei der noch vorhandene zirkuläre Knochen bis in das apikale Drittel entfernt wurde. Die Mobilisation des Implantates erfolgte mit einem Bein’schen Hebel (Abb. 5). Im nächsten Schritt wurden die durch die Explantation im Wundbereich befindlichen Titanspäne sorgfältig entfernt, das Wundgebiet wurde mehrfach mit steriler Kochsalzlösung gespült (Abb. 6). Nach der sorgfältigen Reinigung der Explantationsstelle erfolgte eine Augmentation mit einem xenogenen Knochenersatzmaterial (Bio-Oss, Geistlich Biomaterials). Dabei wurde das Implantatlager zunächst schrittweise aufgefüllt, anschließend wurde der Alveolarfortsatz konturbildend wieder aufgebaut (Abb. 7). Das Augmentat wurde mit der resorbierbaren Kollagenmembran creos xenoprotect (Nobel Biocare) abgedeckt. Die Membran lässt sich einfach mit einer Schere zuschneiden. Da es bei der Benetzung mit Blut oder anderen Flüssigkeiten nicht zu einer Volumenzunahme kommt, kann die Membran sehr effizient passgenau zugeschnitten werden. Jedoch sollte beim Einpassen der Membran eine vollständige Abdeckung des Augmentates sichergestellt sein (Abb. 8). Die exakt zugeschnittene Membran wurde zur Fixierung im Bereich der mobilisierten palatinalen Wundränder mit einem resorbierbaren Polyglactid-Nahtmaterial fixiert (Vicryl 5.0, Johnson & Johnson Medical). Eine weitere Fixierung der Membran in den vestibulären Anteilen erfolgte nicht, die Membran überdeckte das Augmentat im vestibulären Bereich für ca. 2 bis 3 mm. Der Mukoperiostlappen wurde durch eine tiefe Periostschlitzung ausreichend mobilisiert, sodass ein spannungsfreier und speicheldichter Nahtverschluss mit nicht resorbierbaren Polyamid-Nähten (SERALON 5.0, SERAG-WIESSNER) möglich war. Die Antibiose wurde noch bis zum fünften Tag postoperativ fortgeführt. Sieben Tage nach dem Entfernen des Implantates mit zeitgleicher Augmentation war die Patientin beschwerdefrei. Die Wundheilung verlief komplikationslos, die Nähte konnten zehn Tage postoperativ entfernt werden. Nach einer viermonatigen Einheilzeit des Augmentates erfolgte der chirurgische Eingriff zur Insertion eines neuen Implantates. Bei der Eröffnung der Implantationsstelle mit Bildung eines Mukoperiostlappens zeigte sich ein vollständig ausgeheilter Explantationsdefekt mit einem ausreichenden vertikalen und horizontalen Knochenangebot für die Insertion eines durchmesseradäquaten Implantates (Abb. 9 und 10). Die Implantatinsertion konnte ohne weitere augmentative Maßnahmen erfolgen. Nach einem speicheldichten Nahtverschluss verlief die zwölfwöchige Einheilungsphase bis zur Freilegung komplikationslos.

Schlussfolgerung

Die hier vorgestellte resorbierbare Kollagenmembran creos xenoprotect bietet eine interessante Alternative zu den langjährig bewährten resorbierbaren Membranen aus nativem Kollagen. Diese Membran vereint die positiven Eigenschaften eines einfachen Handlings mit verlängerter Resorptionszeit und die bekannt gute Biokompatibilität von Kollagenmembranen. Diese Kombination ist insbesondere bei ausgedehnten Augmentationen mit der GBR-Technik interessant.

Hier finden Sie die Literaturliste.

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