Implantologie 28.02.2011
Die einzeitige Ausformung der periimplantären Weichgewebe
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Wie können wir mithilfe einer Routinetherapie ein Höchstmaß an Ästhetik und Funktion erzielen? Dies immer unter der Voraussetzung, dass keine zeit- und kostenintensiven Behandlungszwischenschritte erfolgen müssen. Natürlich kann mit den heutigen Möglichkeiten und dem Wissen, das wir um die Ästhetik und die reaktiven Gewebe um das Implantat haben, oft ein optimales Ergebnis erzielt werden.
Entscheidendes Ziel muss es immer sein, Methoden zu entwickeln, die einer großen Masse der Patienten ein einfaches Verfahren zur Verfügung stellt, das mit einer Minimalzahl an Behandlungsschritten – und damit auch mit möglichst wenig Kostenaufwand – ein Optimum an Ergebnisqualität eröffnet. Das Entscheidende für die natürliche Funktion und für die optimale Ästhetik ist, dass ein Abutment auf Gingivaniveau exakt die dreidimensionale Form des natürlichen Zahnes an dieser Position hat. Hierzu ist es hilfreich, für Behandler und Zahntechniker zunächst eine Formstudie von natürlichen Dentitionen vorzunehmen. Dies erfolgt am besten am Situationsmodell eines natürlichen Gebisses, welches keine iatrogenen Rekonstruktionen aufweist. Zu diesem Zweck werden am Modell alle Gipszähne nur eines Quadranten auf Gingivadurchtrittsniveau radiert (Abb. 1). Dies geschieht sowohl für den Ober- und Unterkiefer. Nun erhält man in der Aufsicht einen Eindruck natürlicher Zahnformen auf dem Niveau, wo die Schulter des Abutments endet und der Rand der Restauration beginnt (Abb. 2). Ziel muss es nun sein, diese Form so perfekt wie möglich auf die jeweilige Situation zu übertragen.
Abb. 1 und 2: Halbseitig auf Gingivaniveau radiertes Situationsmodell OK (Abb. 1) und UK (Abb. 2) zur Verdeutlichung der anatomischen Zahnquerschnitte. Abb. 3: Angussfähiges Abutmentim anatomisch reduzierten Gipstrichter.
Für den individuellen Fall kann analog dem oben dargestellten Vorgehen am Situationsmodell der symmetrische Zahn im eventuell nicht therapierten Quadranten radiert werden. So kann das für diesen Patienten individuelle Austrittsprofil des zu versorgenden Implantates studiert werden. Im Folgenden wird dann um das Modellanalog der entsprechende Gipskrater geformt (Abb. 3). Anbei die Bemerkung, dass die Abformung nur mit einem Standardabformpfosten erfolgen muss. Es hat also keine Individualisierung stattgefunden. Allgemein bekannt ist die schrittweise Ausformung des Gingivatrichters mit immer wieder modifizierten Provisorien. Am Ende steht dann die Abformung mittels eines individualisierten Abformpfostens, um das aufwendig erarbeitete Profil auf das Gipsmodell zu übertragen. Diese Technik soll hier jedoch nichtbesprochen werden. Es geht vielmehr darum, mit nur einem Schritt von der standardmäßigen Abformung zum anatomisch perfekt geformten Abutment zu gelangen.
Ist nun im Labor der zukünftige Gingivaaustritt am Gips geformt, kann mit der Modellation des subgingivalen Anteils des Abutments begonnen werden. Wichtig ist, dass der Gipstrichter sich dreidimensional entweder wie erwähnt am gegengleichen Zahn orientiert, oder wenn dieser nicht vorhanden ist, an die anatomisch korrekte Form angelehnt ist. Hierbei spielt die Erfahrung des Behandler-Techniker-Teams eine wichtige Rolle. Anfänglich besteht oft der Fehler darin, dass zu wenig extendiert wird. Rücksicht ist hier auf die Art und Masse des vorhandenen Weichgewebes zu nehmen. Ist die Gingivaauflage auf dem Knochen sehr stark und der Bereich der Attached Gingiva um die Implantatschulter sehr breit, so kann auch viel Gewebe verdrängt und damit entsprechend mehr extendiert werden.
Die nächste Entscheidung betrifft die Wahl des Materials für das Abutment. Begonnen haben wir in den Anfangszeiten mit dem sogenannten UCLA-Abutment. Bei vielen Systemen ist dies als angussfähiger Gold-Kunststoffaufbau erhältlich. Zu dieser Zeit stand kein anderer Abutmenttyp zur Verfügung. Titanaufbauten zum Beschleifen scheiden für diese Technik aus. Auch sogenannte anatomische Abutments haben keine ausreichenden Dimensionen für wirklich gute Ausformungen der periimplantären Weichgewebe. So wird zunächst ein Metallaufbau aus einer Aufbrennlegierung gegossen und dann entweder mithilfe der klassischen VMK-Technik zirkulär verblendet, oder es wird eine 360° Keramikschulter angepresst. Mit der Press-to-Metal-Technik lassen sich hochpräzise Ergebnisse erzielen.
Abb. 4: Angegossener Abutmentrohling. Abb. 5: Abutmentmitangepresster 360° Schulter Abb. 6: Abutmenteinprobe zur Kontrolle der epigingivalen Schulterlage.
Heutzutage steht eine Vielzahl von Materialvariationen zur Verfügung: vom Aufbrennen mit Titankeramik auf Titanaufbauten über Zirkonoxidaufbauten, welche mit Titanklebebasen verbunden werden. Mit den gleichen Materialien kann dann auch die Krone hergestellt werden. Derzeit ist wohl Zirkonoxid das Material der Wahl, da die Gingivaadaptation hier sicher am besten ist. Ist nun nach dem oben beschriebenen Verfahren das Abutment gestaltet, folgt als nächster Behandlungsschritt die Einprobe am Patienten. Die Verdrängung der Gingiva kann unter Umständen etwas Zeit in Anspruch nehmen, da die Dimension des Austritts vom Niveau des Gingivaformers sofort auf das endgültige Maß aufgeweitet werden muss. Dies erfordert in manchen Fällen eine Anästhesie. Beurteilt wird nun die Weichgewebsverdrängung und die Lage der Schulter beziehungsweise des Kronenrandes, sofern diese gleich mit angefertigt wurde. Zu sehen ist nun, ob die anfänglich vorhandene Anämie in einer akzeptablen Zeit verschwindet. Dann kann die endgültige Form entweder korrigiert werden, oder wenn notwendig, eine definitive Bissnahme auf dem Abutment erfolgen.
Abb. 7: Eingesetzte Restauration. Abb. 8: Ansichtvon palatinal. Abb. 9: Röntgenabschlussbild.– Abb. 10: Abutmenteinprobe eines weiteren Falles in Regio 24.
Abb. 11: Eingesetzte Restauration. Abb. 12: Restauration zwei Jahre nach Zementierung. Abb. 13: Perfekte Passung der Presskeramikschulter zur Abutmentschulter.
Abb. 14: Anatomisch geformte Seitenzahnabutments eines weiteren Falles auf dem Meistermodell OK. Abb. 15: Fertiggestellte Restaurationen auf dem Meistermodell. Abb. 16: Eingesetzte Restauration im OK.
Abb. 17: Eingesetzte Restauration im UK. Abb. 18: Modifikation der Abutmenttechnik mittels Frästechnik aus Zirkonoxid auf der Titanklebebasis. Abb. 19: Abutmenteinprobe.
Diskussion
Es steht uns ein Verfahren zur Verfügung, das ein Optimum an Ästhetik und Funktion bietet und zudem noch mit maximal reduzierten Behandlungsschritten erfolgen kann. Sicher müssen Behandler und Zahntechniker erst Erfahrungen sammeln. Meist wird die Form der Abutments am Anfang eher unterkonturiert. Oft sind bei den ersten Fällen auch fast immer Nachkorrekturen fällig. Dies verschwindet aber unserer Erfahrung nach schnell. Sicher steht nach wie vor alternativ die schrittweise Ausformung des Weichgewebes zur Verfügung, was sicher den Goldstandard darstellt. Es muss im Einzelfall entschieden werden, ob das aufwendige Verfahren angezeigt ist oder das vorgestellte einzeitige Verfahren zur Anwendung kommen kann.
Zusammenfassung
Nach einer standardmäßigen Implantatabformung mit konfektionierten Abformpfosten wird am Gipsmodell ein anatomisch optimales Austrittsprofil der späteren Suprakonstruktion als Negativ hergestellt. In dieses wird ohne weitere Zwischenschritte das Abutment gestaltet und in der zweiten Behandlungssitzung das periimplantäre Weichgewebe einzeitig ausgeformt. Nun kann eine anatomisch optimal geformte Krone zementiert werden.
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