Implantologie 28.02.2011
Erfolg durch Kooperation
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Moderne Behandlungskonzepte und Materialien in der Implantologie
Dentale Implantate sind bereits heute fester Bestandteil moderner Therapieverfahren in der Zahnmedizin. In Zukunft wird darüber hinaus die CAD/CAM-Technologie einen nicht minder wichtigen Stellenwert einnehmen. Industrielle Herstellungsprozesse garantieren Präzision und eine standardisierte, homogene Materialqualität. Darüber hinaus lassen sich Arbeitsabläufe optimieren und die Vorhersagbarkeit steigern.
Grundvoraussetzung für eine maximale Ausnutzung der sich bietenden Möglichkeiten ist die enge Zusammenarbeit und Planung zwischen behandelndem Arzt und Zahntechniker. Nur wenn bereits in der Planungsphase Patientenwünsche, klinische und technische Limitationen und zur Verfügung stehende Versorgungsmöglichkeiten besprochen werden, lassen sich zeit- und kostenintensive Korrekturen oder Änderungen des Behandlungsplanes weitestgehend vermeiden.
Planung im Team
Eine enge Kooperation zahlt sich bereits in der initialen Behandlungsplanung aus. Wünsche und Möglichkeiten des Patienten können frühzeitig im Gesamtbehandlungskonzept berücksichtigt werden. Vor allem der Umfang notwendiger Maßnahmen und die damit einhergehende Vorhersagbarkeit des Endergebnisses spielen eine entscheidende Rolle. So erwarten viele Patienten von einer Implantatversorgung einen festsitzenden Zahnersatz. In Abhängigkeit von der klinischen Situation und dem Ausmaß der Kieferkammatrophie weist gerade bei zahnlosen Patienten unter hygienischen und phonetischen Gesichtspunkten ein herausnehmbarer implantatgetragener Zahnersatz signifikante Vorteile auf. Ebenso sind Patienten bei ausgeprägten Defekten (z.B. nach Trauma) im Frontzahngebiet mit vorhandener natürlicher Nachbarbezahnung aufzuklären, dass trotz augmentativer Maßnahmen nicht in jedem Fall verloren gegangenes Gewebe vollständig regeneriert werden kann und unter Umständen durch prothetisch-technische Lösungen ersetzt wird (Abb.1). Kommen umfangreiche Gerüststrukturen aus Oxidkeramiken zum Einsatz, ist eine optimale Positionierung der Implantate aus biomechanischen und Materialeigenschaften unerlässlich. Hier bieten Hilfsmittel wie Wachs-Set-ups und dreidimensionale CT-basierte Planungen deutliche Vorteile.
Abb.1: Trotz augmentativer Techniken mit autologem und Knochenersatzmaterial ist die Vorhersagbarkeit des Endergebnisses bei ausgeprägten Defekten gering. Für eine ästhetische Rehabilitation insbesondere bei asymmetrischen Lückensituationen können Zirkonoxidgerüste (Procera Implant Bridge Zirconia, Nobel Biocare, Glattbrugg, Schweiz) mit gingivafarbener Keramik verblendet werden. Wichtig hierbei ist die uneingeschränkte Hygienefähigkeit.
Präzision für langfristige Stabilität
Die Abformung ist das zentrale Bindeglied zwischen Patient und Labor. Nur wenn ein möglichst passiver Sitz der Suprakonstruktion erzielt wird, lassen sich langfristige mechanische Komplikationen vermeiden. Dabei ist für die Präzision nicht die Entscheidung für oder gegen die Verwendung eines geeigneten CAD/CAM-Systems ausschlaggebend, sondern bereits die Übertragung der intraoralen Implantatpositionen auf das Meistermodell tragen entscheidend zur Präzision und langfristigen klinischen Funktion der Konstruktion bei. Während vor Jahren vereinzelt eine starre Verblockung der Implantatabformpfosten für eine maximale Stabilität gefordert wurde, haben wissenschaftliche Untersuchungen belegt, dass mit modernen elastomeren Abformmaterialien eine klinisch hervorragende Präzision auch ohne vorherige Verblockung erreicht wird. Während die Wahl des Abformmaterials (Polyether oder Polyvinylsiloxan/A-Silikon) im zahnlosen Kiefer eine untergeordnete Rolle spielt, haben Polyvinylsiloxane gerade im teilbezahnten (und häufig parodontal vorgeschädigten) Kiefer oder bei Abformungen von Implantaten und präparierten Pfeilerzähnen aufgrund ihrer höheren Elastizität deutliche Vorteile (Abb.2).
Abb.2: Moderne Polyvinylsiloxane (Affinis, Coltène/Whaledent AG, Altstätten, Schweiz), bieten vor allem bei der Abformung von Implantaten im teilbezahnten Kiefer oder bei gleichzeitiger Abformung präparierter Pfeilerzähne Vorteile.
Festsitzende oder herausnehmbare Implantatrestaurationen
Bereits im Vorfeld und in Abhängigkeit von der klinischen Situation muss das Behandlungsteam aus einer Vielzahl von Behandlungsoptionen auswählen, um den Patienten bestmöglich zu versorgen. Dabei spielt die Kommunikation aller beteiligten Fachdisziplinen und der Zahntechnik mit dem Patienten die entscheidende Rolle. Dem Patienten müssen die Vor- und Nachteile der jeweiligen Restaurationsart leicht verständlich erklärt werden. Viele Patienten haben bei der Bezeichnung „herausnehmbarer Zahnersatz“ das Bild einer konventionellen, schlecht sitzenden Totalprothese vor Augen. Es obliegt daher dem Team durch die entsprechende Aufklärung die ideale Lösung mit dem Patienten anzustreben. Zu berücksichtigende Aspekte sind darüber hinaus das Ausmaß der Atrophie, die geplante Anzahl und Position der Implantate und vor allem die Hygienefähigkeit insbesondere bei Patienten mit eingeschränkten manuellen Fähigkeiten (Abb.3).
Abb.3: CAD/CAM-generierte Titanstege (Procera ImplantBridge Titanium,Nobel Biocare) zur Stabilisierung herausnehmbarer Restaurationen bieten vor allem bei stark atrophierten Kieferkämmen Vorteile in Bezug auf Hygienefähigkeit,Unterstützung der perioralen Muskulatur und Phonetik. Oben rechts: CAD-Objekt eines gescannten Steges und der industriell gefertigte Steg auf Implantatniveau garantiert maximale Materialhomogenität und Präzision bei deutlich reduzierten Kosten gegenüber gegossenen Edelmetallkonstruktionen. Unten rechts: Als Alternative zu Stegkonstruktionen können auch individuelle Implantatabutments (Procera Abutment Zirconia, Nobel Biocare) als Primärteleskope gestaltet werden. Die Biokompatibilität des Zirkonoxid reduziert die Plaque- und Bakterienakkumulation auf ein Minimum und führt zu stabilen Weichgewebesituationen.
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Vorteile CAD/CAM-generierter Suprakonstruktionen
Im Bereich der dentalen Implantologie sind gegenwärtig vor allem In-vitro-Studien zur Langzeitstabilität und Biokompatibilität von Keramik- und Titanabutments publiziert worden. Erst durch die Einführung von CAD/CAM-Systemen zur Herstellung von Implantatabutments konnten Probleme, wie zum Beispiel Probleme bei der Implantatangulation oder eine mangelnde Abstützung der periimplantären Weichgewebe, gelöst werden. Auch Vorbehalte hinsichtlich der Kombination verschiedener Metalllegierungen und der Kontaktfläche zwischen gegossenen oder gefrästen Komponenten wurden mit der Verwendung von biokompatiblen Materialien wie Titan und ZrO2 ausgeräumt (Abb.4).
Abb.4: Trotz individueller Gestaltungsmöglichkeiten dürfen Minimalanforderungen an Materialschichtstärken nicht unterschritten werden. Für Zirkonabutments gilt eine minimale Schichtstärke von 0,8mm. Die Kombination von Zirkonoxidabutments und Aluminiumoxidkronen (Procera Alumina, Nobel Biocare) garantiert maximale Stabilität bei gleichzeitig hervorragenden ästhetischen Möglichkeiten aufgrund der besseren Lichttransmission des Aluminiumoxids. Anatomisch gestaltete Gerüste erlauben eine optimale Unterstützung der Verblendkeramik. Ob eine zementierte oder verschraubte Lösung gewählt oder ob eine Verblockung durchgeführt wird, hängt von der klinischen Situation und der Präferenz des Behandlers ab.
Trotz der breit gefächerten Versorgungsmöglichkeiten, welche die CAD/CAM-Technologie bietet, dürfen biomechanische Gesetzmäßigkeiten nicht unberücksichtigt bleiben. Das Behandlerteam muss stets bedenken, dass die Mundhöhle eine dynamische Umgebung ist, in der sehr große Kräfte auf die Versorgungen einwirken. Nur wenn neben einer detaillierten Planung auch die Möglichkeiten und Grenzen der Materialien berücksichtigt werden, ist ein dauerhafter Erfolg zu realisieren.
Insbesondere bei mehrgliedrigen implantatgetragener Restaurationen haben biomechanische Faktoren einen erheblichen Einfluss auf den langfristigen Erfolg des Zahnersatzes. Präzise und exakt passende Suprakonstruktionen sind eine Grundvoraussetzung für die Vermeidung von Komplikationen wie Schraubenlockerungen oder -brüchen oder gar Gerüstfrakturen.
Die passgenaue Herstellung mehrgliedriger gegossener Gerüststrukturen verlangt vom Zahntechniker detailliertes Wissen und große Geschicklichkeit – und ist selbst dann noch in vielen Fällen mit zeitraubenden Korrekturen durch den Zahnarzt und den Zahntechniker verbunden. Viele Arbeitsschritte können zu Fehlern führen, die in einer schlechten Passung der Gerüste resultieren und mit zeitaufwendigen Korrekturen verbunden sind. Die Fehlermöglichkeiten reichen dabei von der Gerüstmodellation, über das Einbetten und Gießen bis hin zur Anpassung auf dem Meistermodell. In einigen Fällen müssen gegossene, schlecht passende Gerüste bei der Einprobe am Patienten getrennt, intraoral verblockt und anschließend im zahntechnischen Labor gelötet werden, was zu einer zusätzlichen Schwachstelle im Gefüge führt. Dagegen garantiert das CAD-Design und die industrielle Fertigung der Komponenten eine hervorragende Materialqualität und Präzisionspassung sowohl für den Einzelzahnersatz als auch für großspannige Suprakonstruktionen.
Materialauswahl nach klinischer Indikation
Mithilfe der CAD/CAM-Technologie lassen sich unterschiedlichste Werkstoffe bearbeiten. Wichtig für die klinische Auswahl sind neben der langfristigen Stabilität der Komponenten in der Mundhöhle und der Biokompatibilität vor allem die Möglichkeiten der Weiterverarbeitung. Der kontinuierliche Fortschritt bei der Entwicklung von Keramiken hat zur Einführung hochfester Oxidkeramiken geführt. Aluminium- und Zirkonoxidkeramiken sind die gebräuchlichsten Materialien für Copings, Brückengerüste und Implantatabutments. Sehr häufig wird der Fehler begangen, die CAD/CAM-Technologie ausschließlich mit Zirkonoxid gleichzusetzen, obwohl eine Vielzahl an Materialien zur Verfügung stehen. So ist in ästhetisch anspruchsvollen Bereichen, wie z.B. im Frontzahnbereich, Aluminiumoxidkeramik für die Kronen das Material der Wahl, da es sehr günstige lichtoptische Eigenschaften bei gleichzeitiger hoher mechanischer Stabilität aufweist (Abb.4). Zirkonoxid dagegen sollte immer dann zum Einsatz kommen, wenn Festigkeit und Stabilität im Vordergrund stehen. Ein großer Vorteil des Zirkonoxids ist, dass das Material nicht auf konventionelle zahngetragene Restaurationen beschränkt, sondern als verlässliche Alternative zu gegossenen Zahnersatz für implantatgetragene Suprastrukturen wie Implantatabutments oder mehrgliedrige Brückengerüste verwendet werden kann (Abb.4).
Für hochfeste Zirkonoxidbrücken liegen erst wenige klinische Langzeitergebnisse vor. Zwar wird in vorliegenden Studien von guten bis sehr guten Erfolgsraten der Gerüstmaterialien berichtet, jedoch besteht gegenwärtig noch das Problem der Abplatzungen der Verblendkeramik (Chippings). Um dieses Problem zu minimieren, sind eine ausreichende Unterstützung der Verblendkeramik (Morphologische Gerüstgestaltung) und eine gleichmäßige Verblendkeramikschichtstärke unabdingbar (idealerweise basierend auf einem vollanatomischen Wax-up). Neben labortechnischen Ursachen spielen auch klinische Faktoren eine wichtige Rolle für den langfristigen Erfolg. So sind ein ausreichendes okklusales Platzangebot (min. 2,0–2,5mm), abgerundete Kanten und Ecken und eine entsprechende Retention der Restauration Grundvoraussetzungen. Es bedarf jedoch weiterer Forschung, um einen besseren Einblick in das Verhalten des Materials unter klinischen Bedingungen und in die verbesserten langfristigen Erfolgsraten zu erhalten.
Ein Aspekt, der bei Verwendung von Zirkonoxidrestaurationen niemals außer acht gelassen werden darf, ist die Qualität und Verarbeitung des Rohmaterials. Qualität hat bei Zirkonoxid ihren Preis. Studien haben eindeutig belegt, dass bei Verwendung von minderwertigen, kostengünstigen Zirkonrohlingen (unterschiedliche Pulverqualität, inkonstante Press- und Sinterverfahren) eine signifikant erhöhte Bruch- und Frakturanfälligkeit unter klinischer Funktion besteht. Zentralisierte Herstellungsprozesse direkt durch die Hersteller oder in entsprechenden Fräszentren bieten dabei gegenüber kleinen „in-house“-Systemen den Vorteil der absoluten Qualitätssicherung und standardisierter Produktqualität. Titangerüststrukturen eignen sich in erster Linie für herausnehmbaren steggetragenen Zahnersatz und bei Verblendung mit modernen Compositematerialien als sehr kostengünstige Alternative zu vollkeramischem festsitzendem Zahnersatz.
Neben der Stabilität ist vor allem die Biokompatibilität der Materialien unabdingbar für den klinischen Langzeiterfolg. Sowohl Titan- als auch Keramikkomponenten zeigen in Untersuchungen eine deutlich verminderte Anlagerung von Plaque und Bakterien und geringere Entzündungsprozesse in den umliegenden Weichgeweben im Vergleich zu gegossenen Legierungen oder Verblendkeramiken.
Definitive Befestigung: verschrauben oder zementieren?
Eine Frage, die immer wieder gestellt wird ist, ob eine Implantatrestauration verschraubt oder zementiert werden sollte. Hierzu liegen in der Literatur keine eindeutigen Aussagen vor, die eine der Techniken favorisiert. Bei Verwendung eines entsprechenden CAD/CAM-Systems stehen heute beide Optionen zur Verfügung und es ist einzig von der klinischen Situation und der Präferenz des Behandlers abhängig, welche Wahl getroffen wird.
Ganz gleich welche Art der Versorgung von Patient und Behandlerteam ausgewählt wird, eine verschraubte vollverblendete Keramikrestauration oder eine kostengünstige Verblendung eines Titangerüsts mit Composite, garantieren beide CAD/CAM-Suprakonstruktionen eine hervorragende Passung, Materialhomogenität und vor allem Biokompatibilität.
Eine Literaturliste kann in der Redaktion angefordert werden.
Autor: Priv.-Doz. Dr. Stefan Holst/Erlangen, Hans Geiselhöringer/München
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