Kieferorthopädie 20.04.2022

GNE-Apparatur – von analog zu digital



GNE-Apparatur – von analog zu digital

Foto: Autoren

Die Apparatur zur forcierten Gaumennahterweiterung ist das kieferorthopädische Gerät, welches am häufigsten zur Behandlung eines der heutzutage am meisten auftretenden okklusalen Probleme eingesetzt wird – die transversale Unterentwicklung des Oberkiefers, und zwar unabhängig davon, ob diese mit einem unilateralen oder bilateralen Kreuzbiss einhergeht oder nicht. Ziel des folgenden Artikels ist es, anhand von klinischen Fallbeispielen zwei Methoden zur Planung und Umsetzung festsitzender orthopädischer Behandlungsgeräte für die Korrektur transversaler maxillärer Defizite gegenüberzustellen und jeweils kritisch zu hinterfragen.

Im ersten Fall wurde das traditionelle analoge Prozedere für die Herstellung des kieferorthopädischen Therapiegeräts verwendet, während im zweiten Fall eine Methode zur Anwendung kam, die den Einsatz digitaler CAD/CAM-Technologie inklusive der 3DLeone Designer Software beinhaltete (Abb. 1).

Fall 1 – traditionell analoge Methode

Das erste klinische Beispiel zeigt einen männlichen Patienten (Alter: neun Jahre, zwei Monate alt) mit verengtem Oberkiefer, der eine transversale Diskrepanz von –5 mm aufwies. Zudem lag ein einseitiger Kreuzbiss (links) vor, der mit einer lateralen Abweichung des Unterkiefers nach links einherging (Abb. 2a–d). Zur Oberkieferexpansion kam eine GNE-Apparatur zum Einsatz, die laborseitig mit den üblichen Fertigungsverfahren hergestellt wurde, bei denen nach Anpassungstest der Bänder für die Ankerzähne ein Alginatabdruck genommen wurde. Eine Woche vor dem Anpassen der Molarenbänder sowie eine Woche vor dem Einbringen der Expansionsapparatur wurden im Patientenmund Separiergummis eingesetzt. Als Expansionsschraube verwendete das Labor den Palatal Expander A0620 (Leone*) mit einem maximalen Dehnungsweg von 13 mm (0,8 mm pro Aktivierung) (Abb. 3). Zur Korrektur der transversalen Diskrepanz sah das Expansionsprotokoll eine einmal tägliche Aktivierung (0,8 mm) für die Dauer von 32 Tagen vor. Um einem möglichen Rezidiv entgegenzuwirken, wurde hierbei eine Überkorrektur von etwa 30 Prozent der Diskrepanz ermittelt und entsprechend berücksichtigt (Abb. 4a–d). Nach dem Ende der Aktivierung verblieb die Apparatur zur knöchernen Konsolidierung und Stabilisierung noch für zwölf Monate in situ (Abb. 5a–d).

Fall 2 – digitale Methode

Das zweite Fallbeispiel zeigt einen männlichen Patienten (Alter: neun Jahre und vier Monate) mit ebenfalls unterentwickeltem Oberkiefer, bei dem die transversale Diskrepanz –4 mm betrug. Es zeigten sich ein maxillärer anteriorer und intraossärer Engstand sowie okklusale Klasse II-Verhältnisse, ohne dass ein Kreuzbiss vorlag (Abb. 6a–d). In diesem Fall wurde für die Herstellung des Behandlungsgeräts ein digitaler Abdruck mithilfe eines Intraoralscanners genommen, ohne dass Separiergummis verwendet werden mussten. Im Patientenmund wurde eine GNE-Apparatur eingesetzt, welche vorab mittels digitaler CAD/CAM-Technologie und unter Einsatz der 3DLeone Designer Software realisiert wurde. Als Expansionsschraube kam der Palatal Expander A0620D (Fa. Leone) mit einem maximalen Dehnungsweg von 9 mm (0,8 mm pro Aktivierung) zur Anwendung (Abb. 7).

Analog dem ersten Fallbeispiel sah das Aktivierungsprotokoll auch bei diesem zweiten Patienten eine einmal tägliche Schraubenaktivierung vor. Die Dauer der Aktivierungsphase betrug 26 Tage, wobei zur Relapse-Vermeidung ebenso eine Überkorrektur von etwa 30 Prozent der vorliegenden Diskrepanz einkalkuliert wurde (Abb. 8a–d, Abb. 9a–d). Der Aktivierungsphase schloss sich auch bei diesem Patienten eine Retentionsphase zur knöchernen Konsolidierung und Stabilisierung des erzielten Behandlungsergebnisses an.

Vergleichsmethode

Für den Vergleich von analoger und digitaler Methode wurden die patientenindividuellen Phasen sowie die Bau- und Lieferzeiten der jeweils zur Anwendung kommenden Expansionsapparatur ausgewertet. Darüber hinaus wurden die Präzision der Schraubenpositionierung und die Interferenzen der jeweiligen Retentionsarme mit der Gaumenschleimhaut verglichen. Dabei wurde in den einzelnen Phasen Folgendes untersucht: das Einsetzen der elastischen Separatoren, die Methode der Abdrucknahme, die Notwendigkeit des Ausgießens der Modelle, das Gerätedesign, sowie die Konstruktion und Lieferung.

Ergebnisse

Beide Konstruktionsmethoden sind effektiv, da das realisierte Gerät jeweils die skelettale Expansion des Oberkiefers gewährleistet. Bei der komplett digitalen Apparaturfertigung konnte jedoch durch Wegfall von drei Terminen am Stuhl als auch durch eine um 50 Prozent verminderte Konstruktionszeit eine deutliche Zeitersparnis beobachtet werden, wodurch diese Methode sich als effizienter erwies.

Bei der digitalen Methode wurde zudem ein besserer Tragekomfort für den Patienten festgestellt. Dank künstlicher Intelligenz in der 3DLeone Designer Software kann die Konstruktion des Therapiegeräts weniger abhängig vom Labortechniker und somit genauer im Design erfolgen. Darüber hinaus wurde bei der Verwendung von vollständig individualisierten digitalen Bändern (wie auch bei anderen Fällen, die mit GNE-Apparaturen behandelt wurden, die ebenfalls mit dieser Methode umgesetzt wurden) eine 50-prozentige Verringerung der Wahrscheinlichkeit einer Ablösung des Behandlungsgeräts festgestellt.

Die Vorteile einer komplett digitalen Methode für den Kliniker lassen sich wie folgt zusammenfassen: Es mussten keine Separiergummis platziert werden. Zudem war es möglich, das Projekt vor Realisierung des Behandlungsgeräts zu validieren. Die Unannehmlichkeiten für den Patienten konnten erheblich reduziert werden, das die Bänder nicht in die Zahnzwischenräume eindringen und die Metallteile mit den jeweils richtigen Abständen zu den Weichgewebestrukturen und ohne störende Kanten oder Winkel gestaltet sind (durch die spezielle Software können diese leicht überprüft und ggfs. entfernt werden). Darüber hinaus lösen sich die virtuell entworfenen Bänder nur selten. Sie können leichter, schneller und dank der fehlenden Kompression von Weichteilen für den Patienten angenehmer eingebracht werden als traditionelle Bänder.

Als laborseitige Vorteile sind die Einsparung von Arbeitsschritten, die Verkürzung von Fertigungs- und Lieferzeiten der GNE-Apparatur, sowie der Wegfall der Notwendigkeit des Druckens von Arbeitsmodellen zu nennen.

Die Nachteile für den Kliniker liegen im Wesentlichen in den höheren Kosten, die für die Herstellung der Geräte erforderlich sind. Für das Labor liegen sie in der Notwendigkeit begründet, sich die notwendigen Fähigkeiten für die Nutzung der Software aneignen und sich hinsichtlich des Metalldrucks auf einen Druckdienstleister verlassen zu müssen, sofern sie über keinen laboreigenen 3D-Drucker verfügen (Übersicht 1).

Fazit

Die Umsetzung eines komplett digitalen Workflows bei der Planung und Fertigung einer Gaumennahterweiterungsapparatur hat den einzigen Nachteil, dass mit ihr – im Vergleich zur traditionellen analogen Methode – etwas höhere Kosten verbunden sind. Durch die Verkürzung der Fertigungszeit, den Wegfall von Stuhlterminen, den höheren Patientenkomfort sowie die Möglichkeit, dank Nutzung einer speziellen Software technisch perfekte Apparaturen herzustellen, kann dieser Workflow jedoch als effizient und in den Ergebnissen besser vorhersagbar angesehen werden, was die höheren Kosten durchaus rechtfertigt.

* Vertrieb DE über dentalline GmbH

Dieser Beitrag ist in den KN Kieferorthopädie Nachrichten erschienen.

Mehr Fachartikel aus Kieferorthopädie

ePaper