Kinderzahnheilkunde 30.01.2025

Die Bedeutung der Prävention in der Kinderzahnheilkunde



Die Bedeutung der Prävention in der Kinderzahnheilkunde

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Der zahnärztlichen Prävention im Kindesalter kommt eine bedeutende Rolle zu. Noch immer stellt sich das Problem der frühkindlichen Karies, an der 14 Prozent aller Dreijährigen leiden. Neben der Einschränkung der Lebensqualität für die betroffenen Kinder kann die frühkindliche Karies weitere gravierende Folgen haben. Eine frühzeitige zahnärztliche Betreuung der Kinder sowie die Aufklärung und Motivation von Eltern und Betreuungspersonen ist deshalb notwendig. Die eingeführten früheren zahnärztlichen Früherkennungs-untersuchungen können hierbei einen Beitrag zur Verbesserung der Mundgesundheit bei den kleinen Patienten leisten.

Frühkindliche Prävention

Frühkindliche Karies (Early Childhood Caries – ECC) ist definiert als das Vorliegen von mindestens einer oder mehrerer kariöser Läsionen (mit oder ohne Kavitation) und/oder eines durch Karies fehlenden oder gefüllten Milchzahnes (Abb. 1a und b).1 Weiterhin beschreibt die frühkindliche Karies eine Erkrankung der Milchzähne, die mit kariösen Läsionen in unterschiedlicher Ausprägung einhergeht.

Häufig wird dazu die Nomenklatur nach Wyne (1999) verwendet. Diese bezieht sich auf die Altersgruppe von der Geburt bis zum sechsten Lebensjahr. Je nach Schweregrad werden drei Typen unterschieden: die milde bis moderate Form, die moderate bis schwere Form sowie die schwere Form.2 Eine zunächst milde Form kann ohne Therapiemaßnahmen in eine moderate bis schwere Form übergehen. Sie stellt aufgrund der Anzahl der betroffenen Zähne, der Schwere der Zerstörung und aufgrund des geringen Alters der Kinder eine Herausforderung für die Kinderzahnheilkunde dar und gehört inzwischen zu den häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindesalter.

Untersuchungen zeigen, dass dreijährige Kinder eine hohe Karieserfahrung aufweisen. So zeigen die Daten der Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (2016), dass 14 Prozent der Dreijährigen bereits einen dmf-t (auf Dentinniveau) über 0 aufwiesen. Zudem sind etwa drei Viertel der kariösen Milchzähne bei den Dreijährigen nicht saniert; dabei sind mehr als drei Zähne betroffen.3, 4 Als beeinflussende Ernährungsfaktoren werden eine hohe Zuckerzufuhr, die Verwendung von Trinkflaschen, eine häufige Aufnahme zucker- und säurehaltiger Getränke, insbesondere in der Nacht, und/oder ad libitum Stillen über das erste Lebensjahr hinaus genannt. Darüber hinaus spielen eine unzureichende Mundhygiene bzw. der verspätete Start des Zähneputzens durch die Eltern oder Betreuungspersonen eine Rolle.1, 5, 6 Als Umweltfaktoren werden Frühgeburt oder niedriges Geburtsgewicht, niedriger sozioökonomischer Status und niedriges Bildungsniveau der Eltern genannt. Zusätzlich werden fehlende Fluoridierungsmaßnahmen, genetische Faktoren und Zahnschmelzdefekte sowie außerdem die mütterliche Mundgesundheit und Speichelzusammensetzung als Risikofaktoren aufgeführt.7

Neben chronischen Zahnschmerzen bei fortgeschrittener Karies und damit verbundener verminderter Lebensqualität inklusive psychosozialem Leidensdruck,8 besteht die Gefahr der Entstehung von „Turner-Zähnen“ als Schädigung der Nachfolgerzähne durch das durch die Entzündung verursachte saure pH-Milieu. Darüber hinaus können sich andere Folgen wie die Entstehung eines Platzmangels durch frühzeitigen Milchzahnverlust sowie die Notwendigkeit späterer kieferorthopädischer Therapienotwendigkeiten zeigen.9

Dies führt in der Folge dazu, dass, aufgrund des geringen Alters der Patienten und der damit verbundenen altersentsprechenden unzureichenden Kooperation, die Therapie häufig nicht am Stuhl durchgeführt werden kann. So muss die Therapie oftmals als Sanierung in Allgemeinanästhesie erfolgen, was nicht nur kostenmäßig, sondern vor allem als Risiko für die kleinen Patienten problematisch ist.10, 11 Eine zahnärztliche Prävention ist daher unabdingbar.

Kariesprävention beim Kind

Eine frühzeitige zahnmedizinische Prävention in Kombination mit einer optimierten häuslichen Mundhygiene kann die Entstehung von Karies verhindern. Eine frühzeitige Prävention setzt ebenso eine frühe Erkennung von Kariesrisikopatienten voraus. So hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) dieses wichtige Konzept zur zahnmedizinischen Prävention bei Kleinkindern ab 2019 umgesetzt. Die neuen zahnärztlichen Untersuchungen ab dem ersten Milchzahn bzw. ab dem sechsten Lebensmonat (FU 1a, FU 1b, FU 1c) wurden im Juli 2019 zusätzlich eingeführt. Sie umfassen unter anderem eine gründliche eingehende Untersuchung des Kindes, eine Beratung der Eltern bzw. Betreuungspersonen sowie die Anleitung zum optimierten täglichen Zähneputzen des kleinen Kindes. Hiermit soll vor allem auch einer frühkindlichen Karies entgegengewirkt werden, indem frühzeitig Aufklärung und Beratung zur Ursachenentstehung stattfindet.12 Darüber hinaus kann so frühzeitig ein vertrauensvolles Verhältnis zum Kind aufgebaut werden, da es ohne Behandlungsbedarf kindgerecht an die zahnärztliche Betreuung und ggf. spätere Behandlung herangeführt werden kann, indem es spielerisch über „Tell–Show–Do“ an die zahnärztliche Situation gewöhnt wird (Abb. 2 und 3). Abbildung 4 gibt einen Überblick über die empfohlenen zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen vom sechsten bis zum 33. Lebensmonat.13

Als wichtiges zusätzliches Tool wurde zudem unterstützend das pädiatrische Kinderuntersuchungsheft durch Ankreuzfelder mit sechs Verweisen vom Kinder- und Jugendarzt zum Zahnarzt für Kinder vom sechsten bis zum 72. Lebensmonat ergänzt, was auch die wichtige interdisziplinäre Zusammenarbeit von Kinder- und Jugendarzt sowie Zahnarzt herausstellt.

Darüber hinaus haben Kleinkinder ab dem sechsten Lebensmonat bis zur Vollendung des 33. Lebensmonats nun zweimal pro Kalenderhalbjahr Anspruch auf eine Zahnschmelzhärtung mit Fluoridlack (FLA: Fluoridlackanwendung zur Zahnschmelzhärtung) in der Zahnarztpraxis, was die Möglichkeit schafft, bereits existierende Initialläsionen zu behandeln. Dabei sollte der Fluoridlack nur punktuell auf die kariösen Läsionen aufgetragen werden.10, 12 Mittels Microbrush oder Pinsel kann der hochdosierte Fluoridlack (22.600 ppm) appliziert werden, um eine Remineralisation zu begünstigen.14

Aufklärung und Motivation der Eltern und Betreuungspersonen als Baustein der Kariesprävention

Neben den oben genannten Maßnahmen sollten Wissensdefizite zur Mundhygiene, zur Ernährung und zur Verwendung von Fluoriden im Rahmen eines korrespondierenden Aufklärungsgespräches mit den Eltern und Betreuungspersonen behoben werden. Hier sollte auf eine kauaktive zahngesunde Ernährung und vor allem auf die Risikofaktoren der Entstehung einer Flaschen-/Stillkaries als Form der frühkindlichen Karies sowie auf die Bedeutung der täglichen Mundhygiene mit fluoridhaltiger Kinderzahnpasta als wichtiger Pfeiler der Kariesprävention hingewiesen werden. Über die „FU Pr“ (Praktische Anleitung der Betreuungspersonen zur Mundhygiene beim Kind) ergibt sich dabei die Möglichkeit, die Eltern und Betreuungspersonen hinsichtlich der Mundhygiene beim Kind zu instruieren und zu trainieren (Abb. 5). So können auch hier Defizite im Hinblick auf die praktische Durchführung der Eltern und Betreuungspersonen durch gemeinsames Putztraining beim Patienten behoben und die häusliche Mundhygiene optimiert werden.

Fluoride als Baustein der Kariesprävention

Die gemeinsamen Fluoridempfehlungen der Kinder- und Jugendärzte und der Zahnärzte sind in Abbildung 6 dargestellt. Wie bereits international etabliert, wird für Kleinkinder im Alter von unter 24 Monaten zum Zähneputzen die Verwendung von Kinderzahnpasten mit 1.000 ppm Fluorid in einer reiskorngroßen Menge empfohlen. Für Kinder von 24 Monaten bis zu unter sechs Jahren soll die Menge der Zahnpasta der Größe einer Erbse entsprechen und ebenfalls 1.000 ppm Fluorid enthalten.15 Auf die richtige Dosierung sowie das Vermeiden der kombinierten Gabe von Fluoridtabletten und der Verwendung einer fluoridhaltigen Zahnpasta sollte im Aufklärungsgespräch hingewiesen werden. Der Hinweis an die Eltern und Betreuungspersonen einer zweimal täglich gründlichen Reinigung aller Zahnflächen sollte ergänzend erfolgen, um zu gewährleisten, dass die Fluoride an der sauberen Zahnoberfläche ihre Wirksamkeit erreichen können.16

Fazit

Durch die Einführung der neuen zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen ist eine frühzeitige zahnärztliche Betreuung der Kinder sowie die Einbindung der Eltern und Betreuungspersonen, insbesondere auch im Hinblick auf Aufklärung und Motivation, möglich. Dies kann der Entstehung einer frühkindlichen Karies vorbeugen, was gerade hinsichtlich beschriebener assoziierter Problemfaktoren wünschenswert wäre.

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Dieser Artikel ist unter dem Titel „Prävention und Kinderzahnheilkunde“ im PJ Prophylaxe Journal erschienen.

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