Parodontologie 05.02.2013
Apparatives Verfahren für die klinische Kariesdiagnostik
share
Im folgenden Fachbeitrag beschreibt Prof. Dr. Anahita Jablonski-Momeni, Marburg, die Handhabung des Gerätes CarieScan PROTM zur Erfassung der Zahnkaries.
Die Diagnose der Zahnkaries zählt zu den primären Aufgaben des Zahnarztes, dabei findet die Erstuntersuchung der Mundhöhle und der Zähne üblicherweise visuell statt. In den letzten Jahren sind die Anforderungen an eine genaue Befunderhebung und sichere Diagnosestellung stark gestiegen, gleichzeitig wurden die apparativen diagnostischen Möglichkeiten für den Zahnarzt vielfältiger, und es kam zu einer konstanten Neu- und Weiterentwicklung verschiedener Verfahren. Neben der visuellen Erfassung von Läsionen können als gängige Methoden die faseroptische Transillumination mit einer Kaltlichtsonde, Fluoreszenz- und Laserfluoreszenzverfahren, die elektrische Widerstandsmessung und auch die Anwendung von Röntgenstrahlen aufgeführt werden.
Ein aktuelles apparatives Verfahren für die Diagnose der Okklusalkaries ist die Messung elektrischer Widerstandswerte an den Zähnen. Bekanntlich besitzt der speichelfeuchte intakte Zahnschmelz eine elektrische Leitfähigkeit. Bei einer kariösen Läsion nimmt das Porenvolumen im Schmelz infolge von Kalzium- und Phosphatverlust zu. Die dadurch erhöhte elektrische Leitfähigkeit des Schmelzes kann mit geeigneten Verfahren gemessen und quantifiziert werden. Ein aktuell verfügbares Gerät auf dieser Basis ist der CarieScan PROTM (CarieScan Limited, Dundee, UK; Vertrieb für Deutschland über orangedental, Biberach). Hier wird das sogenannte „AC Impedance Spectroscopy Technique“-Verfahren (ACIST) eingesetzt1, bei dem ein Wechselstrom durch den Zahn geschickt und dessen Impedanz gemessen wird. Die Impedanz gesunder Zahnhartsubstanz ist deutlich höher als die Impedanz von demineralisierten beziehungsweise kariös veränderten Zahnflächen. In Untersuchungen, die mit diesem Verfahren durchgeführt wurden, waren die Untersucher-Reproduzierbarkeiten im akzeptablen Bereich.2 In-vitro-Studien zufolge soll dieses Verfahren in der Lage sein, okklusale Läsionen mit einer Sicherheit von etwa 93 % aufzudecken.3 Für tiefe, versteckte Dentinläsionen („deep hidden caries“) lag die Treffsicherheit des Verfahrens sogar bei 100 %.4 Erste klinische Studien zeigen eine signifikante Korrelation zwischen den klinischen Untersuchungen und CarieScan-Messungen sowie eine hohe Reproduzierbarkeit der Messungen.5 Eigene aktuelle Untersuchungen bestätigen diese Tendenz und zeigen außerdem, dass dieses Verfahren eine hohe diagnostische Güte bei der Erfassung von okklusalen Dentinläsionen aufweist (Area under the ROC-Kurve 0,88).6
Handhabung des Gerätes für die klinische Kariesdiagnose
CarieScan hat einen integrierten Akku, der zunächst für circa vier Stunden aufgeladen wird (Abb. 1). Zur Inbetriebnahme wird die mitgelieferte Verbindungsmanschette auf den Gerätehals gesteckt (Abb. 2) und der Lippenhaken über ein entsprechendes Kabel mit dem Gerät verbunden (Abb. 3). Die Messungen erfolgen mit Einwegsensoren, die über die Verbindungsmanschette mit dem Gerät verbunden werden. Je Patient wird ein Sensor aus der Schutzbox entnommen (Abb. 4). Dazu wird zunächst eine Folie von der Sensorbox entfernt und der Gerätehals senkrecht auf einen Sensor gesetzt, bis er einrastet (Abb. 5). Aus hygienischen Gründen wird vor dem klinischen Einsatz eine mitgelieferte Schutzfolie über das Gerät gestülpt. Mithilfe von Watterollen werden die jeweiligen Zähne isoliert und das CarieScan eingeschaltet. Die zu messende Zahnoberfläche wird zunächst mit einer Multifunktionsspritze für etwa fünf Sekunden getrocknet, bis der Speichel entfernt ist. Zu beachten ist, dass eine Restfeuchtigkeit auf der Zahnoberfläche die Messwerte beeinflussen kann.
Nach Einschalten des Geräts zeigt eine blaue LED-Leuchte am Gerät an, dass es bereit ist für die Messungen. Um den Stromkreis zu schließen, wird der Lippenhaken nun in die Wangenschleimhaut des Patienten eingesetzt. Die Spitze des Sensors wird auf den zu diagnostizierenden Bereich gesetzt und leicht angedrückt (Abb. 6). Der Druck sollte nicht zu fest sein, sonst wird die Metallquaste gespreizt und die Messung kann nicht oder nur ungenau durchgeführt werden. Es folgt ein akustischer Signalton und das Ergebnis der Messung wird angezeigt. Durch einen Frequenzwechsel lassen sich verschiedene Tiefen unter dem Zahnschmelz untersuchen, und es wird ein Spektrumaus Impedanzpunkten erstellt. Eine im Gerät vorhandene Software analysiert das Impedanzspektrum, korrelierend zum klinischen Befund, und zeigt über eine Farbcodierung am Gerät (grün, gelb und rot) und einen Zahlenwert auf dem Display (von 0 bis 100) die Tiefe einer kariösen Läsion an (Abb. 7a und b). Im Anschluss an eine Messung können direkt weitere Messungen durchgeführt werden, indem der Sensor auf eine andere Stelle (derselbe oder ein anderer Zahn) gesetzt wird. CarieScan erkennt den neuen Messpunkt automatisch und startet die Messung. Nach Beendigung der Untersuchungen wird das Gerät ausgeschaltet, der Sensor von der Manschette entfernt (Abb. 8) und entsorgt. Der Lippenhaken ist autoklavierbar, das Gerät und die Kabel können per Wischdesinfektion mit alkoholbasierten Desinfektionsmitteln gereinigt werden.
Dokumentation und Interpretation der Messdaten
Die Messwerte für die einzelnen Zähne oder Zahnflächen können manuell in einem geeigneten Dokumentationsbogen aufgezeichnet werden (Abb. 9). Es besteht auch die Möglichkeit, die Messwerte automatisch mit einem speziellen Programm auf einen Rechner zu übertragen und zu speichern. Dazu muss zunächst die RemoteView-Software heruntergeladen und installiert werden. Mittels eines mitgelieferten Bluetooth-Sticks wird der CarieScan vom Rechner erkannt. Somit erfolgt die Aufzeichnung und das Speichern der Daten kabellos. Alle Daten (Patient, Zahn, Fläche und Resultate) können in der RemoteView-Software gespeichert werden. Die Aufzeichnung und Interpretation für jede Läsion erfolgt anhand der Farbskala und des numerischen Wertes (Abb. 10). Die Ergebnisse der Messungen können auf verschiedene Arten dargestellt werden (Abb. 11a–c). Auf der Kaufläche der Prämolaren können Daten für zwei Messpunkte (mesiale und distale Grube) erfasst und gespeichert werden. Auf den Okklusalflächen von Molaren können zusätzlich noch Messwerte für die Mitte der Fissur aufgezeichnet werden. Die Messergebnisse verschiedener Sitzungen können gegenübergestellt und verglichen werden. So kann auch digital verfolgt werden, ob es zwischen den einzelnen Kontrolluntersuchungen zu einem Stagnieren oder Voranschreiten einer Läsion gekommen ist. Dies erleichtert das langfristige Monitoring von verdächtigen initialen Läsionen. Mit der RemoteView-Software können Patienten-Reports im PDF-Format generiert und gespeichert beziehungsweise ausgedruckt werden, für eine verbesserte Patientenmotivation.
Der Einsatz des CarieScan in der Lehre
In einer modernen, präventiv ausgerichteten zahnmedizinischen Lehre sollte den Studierenden die Möglichkeit geboten werden, verschiedene Methoden der Kariesdetektion kennenzulernen. Der Einsatz unterschiedlicher Verfahren (visuell, fluoreszenzbasierte Verfahren) durch unsere Studierenden wurde bereits überprüft.7,8 Zur Anwendung des Geräts CarieScan in der Lehre liegen derzeit keine wissenschaftlich gesicherten In-vivo-Daten vor, jedoch bestand die Möglichkeit, das Verfahren anzuwenden (Abb. 12). Dabei wurde von den Studierenden die Handhabung des Gerätes als „fast selbsterklärend“ betrachtet. Die Positionierung des Sensors sei wichtig, um ein ungehindertes Ablesen der Daten vom Display zu ermöglichen, sofern keine computerbasierte Aufzeichnung durchgeführt wird. Auch hier zeigte der Praxistest, dass die zu beurteilende Zahnfläche ausreichend getrocknet werden muss, da es bei speichelfeuchten Oberflächen zu Fehlmessungen kommen kann. Der Einsatz des Gerätes wurde bei visuell „verdächtigen“ Stellen als eine ergänzende Hilfestellung zur Detektion einer kariösen Veränderung angesehen. In einigen Fällen könne möglicherweise auf das Anfertigen von Röntgenbildern zunächst verzichtet werden.
Diskussion
Die moderne Zahnheilkunde bietet eine Reihe an präventiven und minimalinvasiven Interventionsmöglichkeiten, die auf die Remineralisation oder Restauration von initialen kariösen Läsionen abzielen und in vielen Zahnarztpraxen bereits etabliert sind. Dazu bedarf es jedoch auch des Einsatzes von diagnostischen Maßnahmen, die es dem Anwender ermöglichen, kariöse Veränderungen frühzeitig zu erfassen. Umfangreiche Informationsgespräche sind regelmäßiger Bestandteil einer patientenorientierten Beratung. In diesem Zusammenhang gewinnt die Objektivierung und Dokumentation von kariösen Läsionen einen großen Stellenwert. Die Entscheidung für die Anwendung von zusätzlichen apparativen Kariesdetektionsverfahren ist in der Regel von den Praxisstrukturen abhängig. Softwarebasierte Verfahren werden hauptsächlich in solchen Zahnarztpraxen Verwendung finden, die die Anschaffung digitalisierter Strukturen bzw. digitaler Dokumentationssysteme planen oder bereits darüber verfügen. Eine einfache Installation und Handhabung ist ausschlaggebend für die reibungslose Integration von diagnostischen Apparaten in den Praxisalltag. CarieScan bietet den Vorteil, dass es mit und ohne Software auskommt. Sollten die Daten nur notiert werden, so stehen entsprechende Dokumentationsbögen für die Patientenakte zur Verfügung. Das Gerät kann an okklusalen Flächen sehr gut eingesetzt werden und auch an vestibulären und lingualen bzw. palatinalen Zahnflächen. Bekanntlich kann eine Kombination von mehreren Verfahren die diagnostische Aussagekraft erhöhen.9 Eigene In-vivo-Untersuchungen haben gezeigt, dass durch eine Kombination von CarieScan mit der visuellen Untersuchung 92,6 % der klinisch-röntgenologischen Dentinläsionen korrekt auch als solche entdeckt werden konnten.6 Die Interpretation der Messergebnisse ist in drei verschiedene Stufen gegliedert, die eine Aussage über das potenzielle Vorliegen von kariösen Veränderungen geben. Zusammen mit den definitiven numerischen Werten der Messungen werden entweder präventive oder operative Behandlungsmaßnahmen empfohlen. In eigenen Untersuchungen wurden unter der Anwendung dieser Skalainterpretation einige klinisch und röntgenologisch gesunde okklusale Flächen als „möglicherweise initial-kariös“ angezeigt (unveröffentlichte Daten). Um eine möglichst präzise Therapieentscheidung treffen zu können und ein eventuelles „Overtreatment“ zu vermeiden, sollten in jedem Fall die individuellen, patientenbezogenen Parameter berücksichtigt werden.
Schlussfolgerung
Es kann abschließend festgehalten werden, dass für eine definitive Behandlungsplanung neben der Ausdehnung von kariösen Läsionen weitere Faktoren wie die Kariesaktivität des Patienten, das Mundhygieneverhalten und die Ernährungsgewohnheiten zu berücksichtigen sind. Das Alter des Patienten sowie Faktoren wie die Lage, Aktivität und Anzahl der kariösen Läsionen spielen weiterhin eine entscheidende Rolle für ein präventiv und/oder restaurativ ausgerichtetes Therapiekonzept.
Die vollständige Literaturliste finden Sie hier.