Parodontologie 03.05.2024

Assoziationen zwischen obstruktiver Schlafapnoe und Parodontitis



Assoziationen zwischen obstruktiver Schlafapnoe und Parodontitis

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Spätestens mit der Aufnahme der Unterkieferprotrusionsschienen (UPS) in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zu Beginn des Jahres 2022 fand die Erkrankung der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) Eingang in die Zahnmedizin (Kielmann, 2022). OSA ist die häufigste schlafbezogene Atmungsstörung, die sich in diversen Symptomen u. a. von Schnarchen über Tagesschläfrigkeit bis zu Verhaltensauffälligkeiten niederschlägt (Heiser & Eckert, 2019).

Das Ereignis einer Obstruktion äußert sich in dem repetitiven Kollaps der pharyngealen Muskulatur, was zu einem reduzierten bis ausbleibenden Atemfluss mit resultierender Hypoxämie führt. Mit der Protrusion des Unterkiefers mittels einer Schiene soll dem entgegengewirkt werden. Dies wird zumindest für leichtere Fälle der OSA als mögliche Alternative zur Überdruckbeatmung mittels CPAP-Maske, dem aktuellen Goldstandard, gesehen (Kielmann, 2022). Aus dem chronisch entzündlichen Charakter beider Erkrankungen leitet sich die Vermutung einer bidirektionalen Beziehung zwischen OSA und Parodontitis ab. Außerdem stellt sich die Frage, welcher Beitrag in der zahnärztlichen Praxis zur Diagnostik einer OSA geleistet werden kann.

Die Erkrankung obstruktive Schlafapnoe ist eine schlafbezogene Atmungsstörung, welche durch Apnoen, dem Verschluss der Atemwege, und Hypopnoen, dem verminderten Atemfluss, charakterisiert ist. Diese sich wiederholenden Episoden resultieren in einer Hyperkapnie, dem Anstieg der Kohlendioxidkonzentration im Blut, und schließlich der Hypoxämie, der Sauerstoffunterversorgung eines Organismus (Wellmann et al., 2020). Zur Schnellevaluation einer vorliegenden Erkrankung kann ein Fragebogen, z. B. der ESS-Fragebogen, dienen. Diagnostisch gemessen wird die OSA mittels Polysomnografie am Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI), welcher die Anzahl der Apnoen und Hypopnoen pro Stunde summiert (Sateia, 2014). Die Diagnose Apnoe wird gestellt, wenn pro Stunde Schlafzeit mindestens 10 Phasen mit Apnoe oder Hypopnoe von je mindestens 10 Sekunden Dauer registriert werden. Zu unterscheiden ist die OSA von anderen schlafbezogenen Atmungsstörungen, die ähnliche Symptome zeigen, aber keiner Obstruktion unterliegen (Van Ryswyk et al., 2018; Stuck & Maurer, 2018). Das Ereignis einer Obstruktion bei der OSA ist der vollständige oder teilweise Verschluss der vorwiegend pharyngealen Atemwege durch den Kollaps der umliegenden Muskulatur im Schlaf, die bei langer Unterbrechung des Atemflusses eine Weckreaktion auslösen kann (Herkenrath & Randerath, 2018). Dieses sich wiederholende Ereignis führt zum Problem des fragmentierten Schlafs, der sich in Tagesschläfrigkeit bemerkbar machen kann (Peppard et al., 2013; Rundo, 2019). Durch die Schlaf-Fragmentation kommt es zu einer Beeinträchtigung von regenativen Prozessen im Körper, welche für die Vitalfunktionen enorm wichtig sind (Bösch, 2014). Das Erkrankungsbild der obstruktiven Schlafapnoe ist weitverbreitet und birgt unbehandelt weitreichende gesundheitliche Risiken (Peppard et al., 2013). Als Begleiterkrankungen sind kardiovaskuläre Erkrankungen, Hypertonie, das metabolische Syndrom und weitere systemische Erkrankungen bekannt (Al Lawati et al. 2009; Hou et al., 2018). Häufig wird die OSA nicht diagnostiziert, da Schnarchen gesellschaftlich vielmehr als Bagatelle anstatt eines gesundheitlichen Problems betrachtet wird. Benjafield et al. (2019) schätzten für die obstruktive Schlafapnoe eine Prävalenz bezogen auf die Gesamtpopulation von etwa 50 Prozent. Allein in Deutschland sollen schätzungsweise 26 Millionen Menschen betroffen sein. Da der Hauptrisikofaktor Adipositas infolge epidemiologischer Veränderungen in der Bevölkerung stetig zunimmt, ist auch zukünftig mit einer steigenden Prävalenz von obstruktiver Schlafapnoe zu rechnen (Stuck & Maurer, 2018).

Vier Phänotypen der OSA

Die OSA hat verschiedene Ursachen. Wie Obstruktion zustande kommt, lässt sich nach aktuellem Kenntnisstand an vier phänotypischen Merkmalen festmachen (Heiser & Eckert, 2019). Dazu zählen:

  • Anatomische Einschränkungen (dynamische anatomische Veränderungen/Anomalien/hohe Kollapsibilität)
  • Ineffektive Muskelaktivität der Dilatatoren
  • High-Loop-Gain (Überempfindlichkeit des respiratorischen Kontrollsystems/instabile Atemkontrolle)
  • Niedriger Schwellenwert für Arousals (Weckreaktion im Schlaf)

Der relative Beitrag dieser Komponenten ist variabel und individuell bei jedem Patienten zu eruieren. Die oberen Atemwege verlaufen anatomisch betrachtet von der Nase und dem Mund über den Pharynx bis oberhalb der Epiglottis (Bösch, 2014). Die Obstruktionen, die den partiellen oder vollständigen Verschluss der oberen Atemwege illustrieren, ereignen sich bei der OSA an unterschiedlichen Stellen. Im uvulopalatinalen Bereich ist die häufigste Obstruktionsstelle (89 Prozent), gefolgt von Zungengrund, Hypopharynx und Larynx (jeweils 33 Prozent) und Nase (21 Prozent). Ganze 72 Prozent der Patienten haben multiple Obstruktionen (Bachar et al., 2008). Die Querschnittsfläche des Pharynx ist bei OSA-Patienten anatomisch kleiner als bei gesunden mit Auswirkungen auf einen stärkeren negativen pharyngealen Druck (Randerath & Galetke, 2006; Heiser & Eckert, 2019). Dadurch ist ein geringeres Volumen im Bereich des Atemwegs gegeben und eine Obstruktion wahrscheinlicher. Die Hauptursache ist die zervikale Adipositas, die sich in Fettgewebsablagerungen im Bereich des Nackens und um den Pharynx auszeichnet. Auch Fettansammlungen in der Zungenregion haben eine Beeinträchtigung der Atmungsfunktion zur Folge. Selbst die zentrale Adipositas kann die Anfälligkeit für OSA erhöhen. Der Grund liegt in der verstärkten mechanischen Belastung der oberen Atemwege, was insbesondere im Liegen bei einem hohen Anteil an Bauchfett das Lungenvolumen verringert (Heiser & Eckert, 2019). Menschen mit anatomischen Verengungen im oberen Segment der Atemwege neigen bereits bei hohen luminalen Drücken oberhalb des Atmosphärendrucks zu Obstruktionen. Im Gegenteil dazu scheinen Menschen ohne anatomische Anomalien vor OSA geschützt zu sein. Weitere Faktoren, die eine Kollapsibilität beeinflussen, sind neben den Eigenschaften des Weichteilgewebes auch die Körper- und Kopfposition, die Viskosität der Pharynxschleimhaut und die rostrale nächtliche Flüssigkeitsverschiebung mit zervikaler Ödembildung (z. B. bei Herz- und Nierenversagen, Schwangerschaft, v. a. im dritten Trimenon). Auch skelettale Anomalien im Bereich der Kiefer sowie die Lage des Zungenbeins nehmen Einfluss auf das Volumen der Luftwege (Chi et al., 2011).

Würden ausschließlich anatomische Veränderungen vorliegen, wäre die logische Schlussfolgerung, dass auch Beeinträchtigungen abseits des Schlafes aufträten (Heiser & Eckert, 2019). Darum wird ein Zusammenspiel mit den anderen drei nicht anatomischen Phänotypen vermutet. Das „Offenbleiben“ des Pharynx wird hauptsächlich durch die Aktivität der umliegenden Muskulatur gewährleistet. Aus der Perspektive der Evolutionstheorie fehlt in dieser Region eine knöcherne starre Unterstützung. Bei der Inspiration nimmt die Muskelaktivität für gewöhnlich zu und bei der Exspiration ab (Randerath & Galetke, 2006). Deshalb ist der Phänotyp des ineffektiven Atemwegsdilatators wesentlich. Der Atemantrieb des Organismus wird hauptsächlich durch die Konzentration des Kohlendioxids im Blut bestimmt (Heiser & Eckert, 2019). Chemorezeptoren registrieren Schwankungen und leiten diese Informationen über den parasympathischen Nervus vagus an das in der Medulla oblongata liegende Atemzentrum weiter. Schwankungen des CO2-Gehalts können pharyngeale Obstruktionen und kortikale Arousals auslösen. Mit dem Begriff High-Loop-Gain wird der Grad der Instabilität oder Überempfindlichkeit des respiratorischen Kontrollsystems beschrieben (Deacon & Catcheside, 2015). In einer solchen Situation reagiert die Atmung übertrieben auf geringe CO2-Veränderungen, was mit einem negativen pharyngealen Inspirationsdruck einhergeht. Man spricht auch von einer Überkompensation. Durch den High-Loop-Gain entstehen Oszillationen im Atemantrieb, was die Generatorenneuronen stimuliert und dadurch der pharyngealen Muskulatur einen Impuls gibt, welcher in der folgenden Periode zu einem geringeren Atemantrieb führt. Die Aktivität der Pharynxdilatatoren nimmt ab, was in weiteren Obstruktionen mündet (Heiser & Eckert, 2019).

Der vierte mögliche Auslöser für eine OSA hängt mit einem niedrigen Schwellenwert für Arousals zusammen. Ein Arousal ist eine kortikale Erregung, welche eine Weckreaktion aus dem Schlaf heraus einleitet (Eckert & Younes, 2014). Bei Menschen mit geringer Muskelaktivität kann es vorkommen, dass die pharyngeale Muskelaktivität erst bei sehr stark ausgeprägten O2- oder CO2-Veränderungen reflektorisch einsetzt. Bei diesen kann ein rasches Arousal-induziertes Aufwachen, um den Pharynx für die Luftzirkulation zu öffnen, quasi lebensrettend sein. Etwa 30–50 Prozent der OSA-Patienten erwachen bei bereits geringen Veränderungen (> 15 cm H2O) des negativen intrathorakalen Drucks, was Ausdruck einer niedrigen Arousal-Schwelle ist (Eckert et al. 2013).

Systemische Wirkungsbeziehungen

Sowohl Apnoen als auch Hypopnoen ziehen eine arterielle Hypoxämie und Hyperkapnie nach sich (An & Ranson, 2011), die aufgrund der negativen Auswirkungen auf den Metabolismus weitere Begleiterkrankungen fördern. Dazu gehören systemische Entzündungen, Lungenhochdruck und zahlreiche kardiovaskuläre Erkrankungen wie beispielsweise systemischer Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Vorhofflimmern, Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz und Atherosklerose. Des Weiteren sind Assoziationenzu Diabetes mellitus, Asthma, allergischer Rhinitis, Fibromyalgie und dem metabolischen Syndrom beschrieben (An & Ranson, 2011). Die OSA-induzierte Hypoxämie kann zu immuno-inflammatorischen Veränderungen führen, die wiederum vaskuläre Gefäßveränderungen mit atherosklerotischen Umbauprozessen antreiben. Dies hat Gefäßhypertrophie und Hormon-metabolische Veränderungen wie Insulinresistenz und Dyslipidämie zur Folge. Der Mechanismus dabei ist die Ausschüttung von proinflammatorischen Mediatoren wie dem C-reaktiven Protein (CRP), welches initiiert durch das proinflammatorisch wirksame IL-6 in der Leber synthetisiert wird (Li et al., 2017). Im Serum von OSA-Erkrankten können weitere Entzündungsmediatoren in erhöhter Präsenz identifiziert werden. Dazu gehören Tumornekrosefaktor(TNF)-α, IL-8, sowie die Adhäsionsmoleküle ICAM, Selektine und VCAM (Nadeem et al., 2013). Ein weiterer nachhaltiger Faktor in Hinblick auf systemische Entzündungen betrifft das erhöhte Level an oxidativem Stress, welcher sich auf die Ausbildung kardiovaskulärer Erkrankungen negativ auswirken kann (Westhoff & Litterst, 2012). Ein erhöhtes Vorkommen von Wasserstoffperoxid, welches oxidativen Stress begünstigt, ist bei OSA-Patienten im Atemkondensat messbar. Mit dem Fokus auf systemische Hypertonie liegt die Ursache im Zusammenhang mit OSA in der verstärkten Sympathikus-Aktivität, welche durch Arousals, exzessiven Druckschwankungen im Thorax und durch eine Sauerstoffentsättigung stimuliert wird (Sanner & Lamwers, 2010). Diese Mechanismen haben eine vermehrte Sekretion von Stresshormonen wie Adrenalin zu verantworten. Konsekutiv kommt es zur Vasokonstruktion der Gefäße mit resultierendem Anstieg des Blutdrucks. Außerdem bewirkt der stark negative thorakale Druck eine Belastung für den Herzmuskel, da die kardiale Pumpfunktion infolge des Drucks gestört wird.Einen weiteren Faktor stellen die Arousals dar. Nachts findet während zwei von vier Schlafphasen intensiviert körperliche Regeneration der Stoffwechselprozesse und des Immunsystems statt (Kares-Vrincianu et al., 2017). Bei Schlaf-Fragmentation werden diese Phasen seltener durchlaufen mit negativen Konsequenzen für Regenerationsprozesse. Fatigue, Aufmerksamkeits-, Konzentrations- oder Gedächtniseinbußen, Verschlechterungen in der sozialen, familiären oder beruflichen Leistungsfähigkeit, Störungen der Stimmung, Verhaltensprobleme wie Hyperaktivität, Aggression sowie verminderte Motivation und Energie können dadurch zu einer erheblichen Minderung der Lebensqualität führen (Mayer et al., 2015). Exzessive Tagesschläfrigkeit fördert die Neigung zu Fehlern oder Unfällen. Sekundenschlaf kann dabei eine Rolle spielen. Nicht therapierte OSA-Hochrisikopatienten stellen damit eine Gefahr für sich und die Gesellschaft dar.

Zur Überprüfung einer möglichen Assoziation von OSA und Parodontitis erfolgte eine systematische Literaturrecherche in der Datenbank PubMed unter Verwendung der Suchbegriffe „obstructive sleep apnea AND periodontitis“. Es erwiesen sich insgesamt 14 Studien zur Beantwortung der Fragestellung dieser Arbeit als relevant.

Unter den Ergebnissen finden sich überwiegend Publikationen, die über eine erhöhte Prävalenz parodontaler Erkrankungen bei OSA-Patienten berichten, und Studien, in denen mögliche biologische Zusammenhänge geprüft wurden. In der Querschnittstudie von Stázic et al. (2022) wurde das Ausmaß der parodontalen Erkrankung bei OSA-Patienten untersucht. Dabei konnte eine signifikante Korrelation zwischen dem AHI-Score einerseits und dem mittleren klinischen Attachmentlevel (CAL) und dem Plaque-Score (FMPS = full-mouth plaque score) andererseits belegt werden. Es handelt sich um die einzige Studie in der vorliegenden Literaturauswahl, in der sich auf die aktuelle Klassifikation der Parodontalerkrankungen bezogen wird: Parodontitis in den Stadien 3 und 4 tritt gehäuft bei schweren OSA-Fällen mit einem AHI > 15 auf. Ein weiterer Hinweis auf eine Korrelation der OSA mit einer Parodontitis ist in einer koreanischen Querschnittstudie zu finden: Neben einem AHI-Score, Alter und Rauchstatus wurden hier das männliche Geschlecht und Mundatmung als Risikofaktioren für Parodontitis identifiziert (Seo et al., 2013). Diese epidemiologischen Befunde werden durch die Untersuchungen von Al Habashneh et al. (2016), Ahmad et al. (2013), Keller et al. (2013), Nizam et al. (2016) und Mukherjee & Galgali (2021) bestätigt. Umgekehrt wurde in einer Fall-Kontroll-Studie ein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für OSA bei bestehender Parodontitis gesehen (Ahmad et al., 2013). Auch Kinder können von OSA betroffen sein. Hier bestand ein Zusammenhang zwischen OSA und einer erhöhten Karies- und Parodontitisprävalenz (Tamasas et al., 2016). Im Gegensatz hierzu konnten in den Untersuchungen von Sales-Peres et al. (2016) und Loke et al. (2015) keine Korrelationen zwischen der Erkrankungsschwere bezüglich OSA und Parodontitis gefunden werden.

Verschiebung des Mikrobioms

Über die bisher dargestellten Korrelationen hinaus wurden auch Faktoren untersucht, die Hinweise auf eine Beeinflussung der Ätiopathogenese der Parodontitis durch eine bestehende OSA geben könnten. So wurde eine Verschiebung des oralen Mikrobioms hin zu einem pathogeneren Niveau gesehen (Chen et al., 2021; Nizam et al., 2016). Zwar sind Veränderungen in der Biodiversität insgesamt unwahrscheinlich, jedoch wurden in parodontalen Taschen bei OSA-Patienten mehr gramnegative Bakterien nachgewiesen, welche die Progression einer Parodontitis maßgeblich vorantreiben können (Nizam et al., 2016; Seymour et al., 2021; Socransky et al., 1998). Insbesondere die Spezies Prevotella als Parodontalpathogen konnte im Speichel von OSA-Erkrankten signifikant häufiger gefunden werden (Chen et al., 2021). Die Verschiebung in Richtung eines verstärkt pathogenen Biofilms zeigt sich in der höheren Anzahl der Keime des roten Komplexes, welche durch ihre Toxine wie Lipopolysaccharide dazu in der Lage sind, Virulenzfaktoren zu generieren und inflammatorische Prozesse zu aktivieren (Seymour et al., 2021; Socransky et al., 1998).

Immunologische Veränderungen

Neben einer evtl. veränderten mikrobiologischen Komponente hat besonders die Immunantwort des Wirts Einfluss auf Ausmaß und Fortschreiten der parodontalen Gewebeschädigung. Im Speichel von OSA-Patienten wurde unabhängig vom Schweregrad der OSA ein signifikant erhöhtes Level des proinflammatorischen Zytokins Interleukin-6 (IL-6) gefunden (Nizam et al., 2016), ebenso eine signifikant erhöhte Apelinkonzentration. Apelin wird von Adipozyten in Abhängigkeit des Insulinspiegels sezerniert (Boucher et al., 2005), hat u. a. vaskuläre Effekte (hypotensiv, stimuliert Angiogenese) und beteiligt sich am Knochenaufbau (Xie et al., 2006). Das erhöhte Apelinvorkommen bei OSA könnte durch den Risikofaktor Adipositas begründet sein. In einer anderen Untersuchung wurde neben dem erhöhten IL-6-Wert bei OSA-Patienten auch eine erhöhte IL-33-Konzentration im Speichel nachgewiesen (Nizam et al., 2014). Der Entzündungsmediator IL-33 induziert hauptsächlich die Produktion von T-Helferzellen-assoziierten Zytokinen (Papathanasiou et al., 2020). Das proinflammatorische Zytokin IL-1β und der Entzündungsmediator C-reaktives Protein (CRP) deuten auf eine Assoziation zwischen OSA und Parodontitis hin, da sich auffällig erhöhte Werte in der Sulkusflüssigkeit bei Patienten mit OSA zeigen (Gamisz-Isik et al., 2017). Die CRP-Werte sind auch im Serum signifikant erhöht. IL-1β gehört zu den Zytokinen, die als erste unter den Mediatoren an den Ort des Entzündungsgeschehens gelangen, mit der Funktion, die endotheliale Adhäsion zu fördern und damit die Diapedese von Leukozyten zu erleichtern (Seymour et al., 2021). Auch wegen der Stimulierung von TNF-α ist IL-1 maßgeblich an der Ätiopathogenese der Parodontitis lokal beteiligt. Dies könnte die signifikant erhöhte Prävalenz von Parodontitis bei OSA-Erkrankten erklären. Dagegen konnte der Verdacht, dass sich die OSA auf die Aktivität der Matrix-Metalloproteinasen-2, -8 und -9 (MMP-2, -8, -9), den Gewebe-Inhibitor der Matrix-Metalloproteinase-1 (TIMP-1), Myeloperoxidase, neutrophile Elastase und neutrophilem Gelatinase-assoziiertem Lipocalin auswirkt, nicht bestätigt werden (Nizam et al., 2015).

Fazit und praktische Implikationen für die Zahnarztpraxis

In den analysierten Studien können trotz einer vorhandenen Heterogenität, insbesondere bezüglich der epidemiologischen Befunde, Hinweise auf eine Assoziation der Krankheitsbilder OSA und Parodontitis gefunden werden: In mehreren Studien wurden Korrelationen zwischen dem Schweregrad beider Erkrankungen identifiziert, und es wurden ätiopathogenetische Faktoren gefunden, die einen biologischen Zusammenhang plausibel erscheinen lassen. Um Kausalitäten und eine Ursache-Wirkungs-Beziehung zu bestätigen, wären u. a. Interventionsstudien erforderlich, aus denen Rückschlüsse über die Auswirkungen der Parodontalbehandlung auf OSA-Patienten und die Auswirkungen der OSA-Behandlung auf den Parodontalstatus gewonnen werden könnten (Hill, 1965).

Für viele Patienten ist die regelmäßige Kontrolluntersuchung und ggf. die Teilnahme an einem Präventionsprogramm in der Zahnarztpraxis der einzige von akuten Symptomen unabhängige Kontakt zu medizinischem Fachpersonal. Dies legt nahe, dass in diesem Umfeld auch die Chance genutzt werden sollte, im Rahmen der fachlichen Möglichkeiten Verdachtsmomente für systemische Erkrankungen wie auch die OSA zu registrieren, nicht nur bezüglich einer in der Zahnarztpraxis planbaren Therapie mittels Unterkieferprotrusionsschiene, sondern auch aufgrund ihrer hohen Relevanz für die allgemeine Gesundheit. Exzessive Mundatmung, Mundtrockenheit in Kombination mit Zungen- oder Wangenimpressionen und Zungenbelag, ein kurzes Zungenbändchen mit Einschränkungen für die Mobilität der Zunge, hypertrophe Mandeln, eine übermäßig große Zunge mit viel Weichgewebe im Halsbereich oder ein zu schmaler Gaumen sowie Malokklusionen können anatomische Hinweise auf eine OSA bieten (Berggren et al., 2021; Brożek-Mądry et al., 2021). Diese charakteristischen Befunde in der Mundhöhle können gemeinsam mit dem Anamnesegespräch (optional unterstützt durch spezifische Fragebögen wie bspw. dem ESS-Fragebogen) prädisponierende Faktoren darstellen oder Anhaltspunkte über eine vorliegende Erkrankung geben, deren Diagnose durch weitere Fachärzte wie HNO-Ärzte, Hausärzte, Pulmologen und Schlafmediziner konkretisiert werden muss. Patientenkommunikation sowie interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den erwähnten Fachärzten sind hierbei zielführend. Aus Sicht der OSA-Patienten, die in den meisten untersuchten Publikationen eine hohe Parodontitisprävalenz zeigten, ist eine regelmäßige parodontologische Untersuchung und bedarfsgerechte systematische Parodontaltherapie bei Erkrankten empfehlenswert.

Autoren: Prof. Dr. Peter Hahner, Merlind Hofert

Dieser Beitrag basiert auf der von Frau Merlind Hofert an der EU|FH vorgelegten Bachelorthesis mit dem Titel „Welche Assoziationen gibt es zwischen obstruktiver Schlafapnoe und Parodontitis? Eine systematische Literaturrecherche“

Der Beitrag ist im PJ Prophylaxe Journal erschienen.

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