Prophylaxe 28.02.2011

Langzeitstudie zum Nutzen der antibiotischen Zusatztherapie



Langzeitstudie zum Nutzen der antibiotischen Zusatztherapie

Heilung in sieben Tagen – Wunsch oder Wirklichkeit

Parodontitis ist eine durch Bakterien verursachte Infektionserkrankung der Gewebe, die die Zähne im Kiefer halten. Als Folge der Entzündung werden die Verankerungsfasern des Zahns zerstört, es bilden sich Zahnfleischtaschen und der Kieferknochen wird abgebaut. Es ist allgemein üblich, eine Parodontaltherapie in zwei Etappen durchzuführen, wodurch sie sich zwangsläufig über längere Zeit hinwegzieht.

In der ersten Etappe werden bakterielle Zahnbeläge und Zahnstein nichtchirurgisch entfernt, indem man im wöchentlichen Abstand einen Quadranten oder Sextanten nach dem anderen bearbeitet. Nach einer Heilungsphase von mehreren Wochen bis Monaten wird der Fall reevaluiert. Wird festgestellt, dass das Resultat noch nicht optimal ist, so wird die Therapie in einer zweiten Etappe, meist im Rahmen eines parodontalchirurgischen Eingriffs fortgeführt. Um unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden und die Bildung resistenter Bakterien zu verhindern, werden Antibiotika erst in der zweiten Phase verschrieben und nur dann, wenn die Erstbehandlung offensichtlich ungenügend war. Obschon dies vernünftig erscheint, muss man zugeben, dass die klinischen, mikrobiologischen, allgemeingesundheitlichen und ökonomischen Konsequenzen dieser Vorgehensweise bisher nie umfassend wissenschaftlich überprüft worden sind. Es könnte sein, dass Patienten, die schon in einer ersten Behandlungsphase Antibiotika erhalten, früher wieder gesund sind und weniger häufig chirurgische Zusatzbehandlungen brauchen. In den letzten Jahren wurde eine neue Behandlungsmodalität propagiert, die vorsieht, die nichtchirurgische Behandlungsphase innerhalb von nur ein bis zwei Tagen durchzuführen („Full mouth disinfection“), statt sie zu zerstückeln und über mehrere Wochen hinauszuziehen. Befürworter einer Radikalkur innerhalb kürzester Zeit haben in Vorträgen durchblicken lassen, dass man im Falle einer mit Chlorhexidinspülungen unterstützten Kurzbehandlung heute weitgehend auf Antibiotika verzichten könne.

Langzeitstudie

Aus diesen Überlegungen heraus haben wir eine doppelblinde, randomisierte, placebo-kontrollierte Langzeitstudie durchgeführt, in welcher der Nutzen einer antibiotischen Zusatztherapie nach gründlichem Scaling und Wurzelglätten innerhalb von zwei Tagen sowie die Einführung einer perfekten Mundhygiene abgeklärt wurde.

Die Resultate dieser umfangreichen Untersuchung wurden vor Kurzem veröffentlicht (Cionca etal. „Amoxicillin and metronidazole as adjunct to fullmouth scaling and root planing of chronic periodontitis“, J.Periodontol. 80:364–371,2009, Cionca et al. „Microbiological testing and outcomes of full-mouth scaling and root planing with or without Amoxicillin/Metronidazole in chronic periodontitis“, J. Periodontol. published online ahead of print, 2009). Nach der Wurzelglättung erhielten die 51 Teilnehmer dieser Studie, welche alle an einer mittleren bis schweren chronischen Parodontitis litten, während einer Woche entweder dreimal täglich gleichzeitig 375mg Amoxicillin und 500mg Metronidazol oder bloß ein Placebo (Abb.1).


Abb. 1: Studienanlage und getesteter Behandlungsablauf.

Drei und sechs Monate nach der Behandlung wurden alle Patienten umfassend nachuntersucht. Zwar wurden statistisch signifikante und klinisch relevante klinische Verbesserungen in beiden Gruppen nachgewiesen. Darüber hinaus konnte aber ein Nutzen der antibiotischen Zusatzbehandlung klar gezeigt werden. Der wichtigste Unterschied betraf die absolute Anzahl von Taschen, welche nach sechs Monaten noch tiefer als 4mm waren und bei der Sondierung bluteten (Tab. 1).


Tabelle 1: Absolute Anzahl Stellen pro Patient mit einer Tasche tiefer als 4mm, die auf Sondieren bluten.

Dies ist bekanntlich ein wichtiges klinisches Kriterium, um zu entscheiden, ob und wie ein Patient weiter behandelt werden soll. In der Testgruppe fanden wir im Mittel bloß noch 0,4 Resttaschen pro Patient; nur bei 7 von 23 Patienten wurden solche Stellen überhaupt noch nachgewiesen. Der Wert war fast zehnmal höher, falls ein Patient keine Antibiotika erhalten hatte; bei 15 von 24 Patienten in der Kontrollgruppe war dies noch der Fall.Patienten, die Amoxicillin und Metronidazol erhalten hatten,waren um den Faktor 8,85 von weiterer Parodontaltherapie geschützt, die ja wohl oft ein parodontalchirurgischer Eingriff gewesen wäre. Die Patienten dieser Untersuchung waren zwar unabhängig von einer mikrobiologischen Untersuchung in die Studie einbezogen worden, trotzdem wurde die Taschenflora mit einem gängigen Test regelmäßig auf das Vorhandensein von parodontalen Markerkeimen untersucht. Hervorragende klinische Resultate wurden in der Testgruppe unabhängig vom mikrobiologischen Anfangsbefund erreicht. Hingegen kann festgestelltwerden,dass der parodontalpathogene Keim Aggregatibacter actinomycetemcomitans nur in der Testgruppe nach Therapie in keiner einzigen Probe mehr nachgewiesen werden konnte.

Andere Studien haben den Nutzen der Verabreichung systemischer Antibiotika zusätzlich zu einer mechanischen Parodontaltherapie zwar bereits früher gezeigt. Einige dieser Arbeiten sind jedoch in Bezug auf die Resultate in der Kontrollgruppe kritisiert worden, weil der Effekt der mechanischen Therapie allein weniger gut war als das, was aufgrund von Meta-Analysen von einer korrekt durchgeführten klassischen Parodontaltherapie ohne Medikamente erwartet werden könnte. Dies war in der vorliegenden Untersuchung nicht der Fall. Ohne Antibiotika wurden mit einer Intensivbehandlung innerhalb von 48 Stunden gute Resultate erzielt. Mit Antibiotika jedoch waren die Resultate so gut,dass sich eine Weiterbehandlung entweder erübrigte oder auf ganz wenige Stellen beschränkte. In Bezug auf unerwünschte Nebenwirkungen kann festgehalten werden, dass zwar Patienten in der Testgruppe tatsächlich häufiger über Durchfall berichteten (sechs gegenüber drei Teilnehmer), demgegenüber muss jedoch festgehalten werden, dass fortbestehende Suppuration und Zahnverlust ausschließlich in der Kontrollgruppe vorkamen. Außerdem sollten die allfälligen unerwünschten Wirkungen von Antibiotika der Tatsache gegenübergestellt werden, dass dank der Kombinationstherapie die parodontale Infektion, die bekanntlich auch allgemeingesundheitliche Konsequenzen hat, innerhalb kürzester Zeit eliminiert werden konnte, was bei der traditionellen Vorgehensweise nicht der Fall ist.

Fazit

Der Zweck dieser Studie war nicht, Antibiotika als Alternative zu einer gründlichen mechanischen Reinigung zu propagieren. Ebenfalls ist es klar, dass der Erfolg einer Parodontaltherapie langfristig nicht davon abhängt, ob der Anfangserfolg mit oder ohne Antibiotika erreicht werden konnte. Vielmehr wissen wir, dass in jedem Fall die Stabilität langfristig hauptsächlich von den folgenden drei Schlüsselfaktoren abhängt: Gute Mundhygiene, regelmäßige professionelle Nachbetreuung, nicht rauchen. Trotzdem istes erfreulich, dass wir gerade heute, wo manch einer den Wert von Implantaten über den Wert der eigenen Zähne stellt, zeigen können,dass chronische Parodontitis mit relativ einfachen Mitteln und in kurzer Zeit erfolgreich behandelt und geheilt werden kann.



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