Branchenmeldungen 18.08.2025
Digitale Barrierefreiheit in der Zahnarztpraxis
Seit dem 28. Juni 2025 verpflichtet das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) zahlreiche Zahnarztpraxen zur Einhaltung digitaler Barrierefreiheitsstandards. Das betrifft alle nicht-kleinstunternehmerischen Praxen mit Online-Terminbuchung. Die gesetzliche Grundlage basiert auf der europäischen Richtlinie 2019/882 und schreibt die Einhaltung der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1 auf Konformitätsstufe AA vor. Davon betroffen sind insbesondere Websites, digitale Terminvereinbarungen und sämtliche Formen der Patientenkommunikation im digitalen Raum.
Website und digitale Terminbuchung barrierefrei gestalten
Eine barrierefreie Praxis-Website erfordert klare Struktur, technische Zugänglichkeit und verständliche Inhalte. Texte müssen skalierbar, Navigationselemente per Tastatur bedienbar und Farbkontraste deutlich erkennbar sein. Bildmaterial wird mit Alternativtexten ergänzt, audiovisuelle Inhalte benötigen Untertitel oder Transkriptionen. Die Verwendung semantisch korrekter HTML-Elemente sichert eine zuverlässige Interpretation durch Hilfstechnologien wie Screenreader. Auch die Verständlichkeit spielt eine wesentliche Rolle: Fachbegriffe sollten erläutert, Inhalte logisch gegliedert und Formulare möglichst selbsterklärend aufgebaut sein. Verständliche Beschriftungen von Formularfeldern und konsistente Fehlermeldungen gehören ebenfalls dazu. All diese Maßnahmen verbessern die Nutzererfahrung für alle Patienten, nicht nur für Menschen mit Einschränkungen.
Auch die digitale Terminvergabe gilt als elektronische Dienstleistung und unterliegt deshalb den vollständigen Vorgaben des BFSG. Dabei genügt es nicht, nur eine technisch funktionierende Lösung bereitzustellen. Vielmehr müssen sämtliche Interaktionen barrierefrei gestaltet sein. Eingesetzte Buchungstools müssen diese Standards nativ erfüllen oder durch gezielte Anpassungen entsprechend erweitert werden. Der Integrationsprozess sollte durch dokumentierte Tests mit Prüfwerkzeugen begleitet werden, etwa mit dem WAVE Evaluation Tool oder axe DevTools.
Barrierefreie Patientenaufklärung
Digitale Patientenaufklärung geht über bloße Informationsvermittlung hinaus. Inhalte müssen nicht nur verfügbar, sondern auch zugänglich sein. Dazu zählen lesefreundliche Layouts, sprachlich vereinfachte Texte sowie grafische Elemente zur Unterstützung der Verständlichkeit. Lösungen wie spitta pia oder MAIA.tools bieten vorgefertigte Module, die standardisierte und barrierefreie Aufklärungsprozesse ermöglichen. Idealerweise werden Formulare in verschiedenen Sprachen angeboten, was insbesondere bei Aufklärungsbögen über medizinische Eingriffe relevant ist. Die barrierefreie Gestaltung sorgt dafür, dass auch Patienten mit kognitiven Einschränkungen die Inhalte erfassen und ihre Einwilligung fundiert erteilen können.
Technische und organisatorische Umsetzung in der Praxis
Die Umsetzung digitaler Barrierefreiheit erfordert ein systematisches Vorgehen. Neben den technischen Anforderungen ist auch die interne Organisation wichtig. Schulungen des Praxisteams zur Sensibilisierung und Handhabung barrierefreier Softwarelösungen sind ebenso wichtig wie die Erstellung eines Maßnahmenplans. Verantwortlichkeiten für Prüfung und Pflege der digitalen Systeme sollten klar definiert sein. Externe Dienstleister, insbesondere Webentwickler und Systemanbieter, müssen über die Vorgaben des BFSG informiert und entsprechend eingebunden werden.
Für die technische Umsetzung sind folgende Werkzeuge und Lösungen besonders geeignet:
- WAVE, axe oder Siteimprove zur Überprüfung der Barrierefreiheit von Websites
- cleverQ und Availy als barrierefreie Systeme für die Online-Terminbuchung
- spitta pia, AnaBoard® und MAIA.tools zur barrierefreien digitalen Patientenaufklärung
- PDF/UA-konforme Tools wie axesPDF oder Adobe Acrobat Pro für barrierefreie Dokumentenerstellung
Die Auswahl der Lösungen sollte auf die spezifischen Anforderungen der Praxis abgestimmt und in die bestehende IT-Infrastruktur integrierbar sein.
Barrierefreiheitserklärung und rechtliche Nachweise
Gemäß BFSG müssen Zahnarztpraxen eine Erklärung zur Barrierefreiheit auf ihrer Website veröffentlichen. Diese informiert über den aktuellen Stand der Barrierefreiheit, beschreibt mögliche Einschränkungen und benennt eine Kontaktstelle für Rückmeldungen. Die Erklärung selbst unterliegt denselben Barrierefreiheitsanforderungen wie der restliche Webauftritt. Darüber hinaus sind Praxen verpflichtet, die Einhaltung der Standards auf Nachfrage belegen zu können. Die Nachweispflichten erfordern daher eine lückenlose Dokumentation sämtlicher Maßnahmen, Änderungen und Überprüfungen. Das schließt auch externe Gutachten und Prüfprotokolle ein.
Typische Probleme bei der Umsetzung
Die praktische Umsetzung digitaler Barrierefreiheit verläuft nicht immer reibungslos. Technische Komplexität, eingeschränkte Ressourcen und unzureichende Expertise zählen zu den häufigsten Stolpersteinen. Viele bestehende Systeme sind nicht oder nur schwer anpassbar. Zudem besteht bei vielen Anbietern von Praxissoftware Nachholbedarf in Bezug auf Barrierefreiheit. Auch organisatorisch ergeben sich Hürden – etwa bei der internen Kommunikation oder der Schulung des Personals. Langfristig lassen sich diese Probleme nur durch konsequente Integration des Themas in alle Digitalisierungsprozesse der Praxis bewältigen.
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