Branchenmeldungen 19.08.2016

Familienunternehmen Zahnarztpraxis: Dreamteam oder Rosenkrieg?



Familienunternehmen Zahnarztpraxis: Dreamteam oder Rosenkrieg?

Foto: © Andrey Popov – fotolia.com

Was für viele Unternehmen traditionelle Regel ist, nimmt auch bei Zahnärzten immer mehr zu: Ehe- oder Lebenspartner sowie Familienangehörige arbeiten gemeinsam in einer Praxis. Das tägliche Miteinander ist in jedem Fall eine Herausforderung.

Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben

Ist es möglich, dentales Berufs- und Privatleben erfolgreich zu ver­einen? Welche Regeln gilt es zu beachten, wo lauern Fallstricke? Es gibt viele gute Gründe, als Ehefrau (im Folgenden gleichbedeutend mit Lebenspartnerin oder auch dem männlichen Pendant) in der Praxis „einzusteigen“. Und dass Kinder die elterliche Praxis übernehmen, ist für viele Zahnmediziner eine Bestätigung und Weiterführung ihres Lebenswerkes. Arbeitskräfte aus dem familiären Bereich in den Betrieb zu inte­grieren, ist verlockend. Die eigenen Ange­hörigen kennt man genau. Das Vertrauensverhältnis ist gegeben, eine loyale Einstellung zum Betrieb und eine hohe Identifikation mit der Praxisführung sind selbstverständlich. Viele Chefs versprechen sich in ihrer Führungsposition einen Austausch auf Augenhöhe und eine Entlastung der Verantwortung.

Vorteile

Tatsächlich sind die Vorteile familiengeführter Unternehmen nicht von der Hand zu weisen. Durch die Zusammenarbeit der Partner und Angehörigen besteht meist eine flache Hierarchie. Schlanke Strukturen, schnelle und effiziente Entscheidungswege oder auch Bindung von qualifiziertem Personal sind Vorzüge von Familienunternehmen, stellte schon 2003 die Universität Witten/Herdecke fest. Nicht zuletzt spielen auch finanzielle Überlegungen eine Rolle. Zudem kann das Image der Praxis durch die mitarbeitenden Familienangehörigen gesteigert werden, Verbundenheit und funktionierende Partnerschaft werden demonstriert.

Gefahren

Der große Unterschied zwischen angestellten Mitarbeitern und Familienangehörigen ist die Gestaltung der Personalkosten und ganz allgemein der Umgang mit dem feinfühligen Thema Finanzen: Am Ende des Tages geht es um das Geld, dass in der Familienkasse landet. Genau hier lauern jedoch auch Gefahren. Fragen der Sozial- und Rentenversicherung, zustehenden An­teile und arbeitsrechtlichen Fallstricken sollten mit Fachleuten gründlich durchleuchtet werden. Insbesondere, wenn die geldwerte Entlohnung deutlich unterhalb der üblichen Gehaltstarife liegt, ist eine selbstkritische Betrachtung wichtig. Neben diesen Risiken sollte auch bedacht werden, was im Falle einer Trennung geregelt sein muss, damit z. B. berufliche Qualifikationen des mitarbeitenden Angehörigen erhalten bleiben und keine Nachteile aus der Familientätigkeit entstehen. Im Vorfeld der Zusammen­arbeit, und dann in der Folge regelmäßig, sollten die Beteiligten die folgenden Fragen erörtern:

  • Haben wir ein gemeinsames Ziel? 
  • Wie lautet es? 
  • Warum wollen oder müssen wir gemeinsam in der Praxis arbeiten? 
  • Was wollen und können wir gemeinsam erreichen? 
  • Was verspricht sich jeder einzelne von uns davon? 
  • Wer wird davon noch profitieren? 
  • Wo sehen wir Risiken? 

Je offener und ehrlicher darüber ein fairer Austausch geführt wird, umso weniger Missverständnisse oder Enttäuschungen wird es geben. Gerne werden Tätigkeiten der Praxisinhaber an die Angehörigen übertragen, die aus Sicht von Zahnärzten lästig und unangenehm sind. So kümmern sich die Partner um Praxisorganisation, Personalverwaltung, Buchhaltung oder dem intimen Thema Geld bei Abrechnung, Kontenführung, Steuer – und vielem mehr.

Fachkenntnisse erforderlich?

Grundsätzlich finden sich in einer Zahnarztpraxis genügend Felder, die ohne spezielle Vorkenntnisse besetzt werden können. Die Erfahrung zeigt aber, dass Fachkenntnisse die Etablierung in das bestehende Praxisgefüge als auch im Verständ­nis der Abläufe und Bedürfnisse der Praxisteams enorm erleichtern. Eine weitere Faust­regel: Je mehr Angehörige mit ihrer Tätigkeit auf die Zu­arbeit und Kooperation mit Mit­arbeitern der Praxis angewiesen sind, umso wichtiger ist das Einarbeiten in medizinische Fachkunde, Sprachgebrauch, zahnmedizinische Behandlungsabläufe und dentale Arbeitsfelder. Deshalb sollte im Vorfeld sehr deutlich geklärt werden, für welche Aufgaben genau der Angehörige eingesetzt werden soll und wie wurde bzw. wie wird bisher diese Aufgabe und von wem erledigt? Wird jemandem Kompetenz entzogen und wer muss sich mit einer neuen Auf­gabenverteilung abfinden? Werden spezielle Kenntnisse für die Aufgabe erforderlich oder sind sie gewünscht? Und wie kann die Ein­arbeitung am reibungslosesten organisiert werden? Zu klären ist auch, wie eine gute Integration insbesondere in lang bestehende Teams möglich ist. Informieren Sie alle Teammitglieder darüber, wie Sie sich die Zusammenarbeit vorstellen und binden Sie die Mitarbeiter aktiv mit ein. Eine gut vorbereitete und überdachte Integration von Angehörigen in bestehende Team- und Prozessstrukturen vermeidet unnötigen Stress, Ärger und Enttäuschung.

Automatische Führungsrolle

Familienangehörige haben automatisch in der Praxis eine Führungsrolle, die logische Konsequenz aus der flachen Hierarchie. Insofern sind das Wissen und die Kenntnis über Führungsqualifikationen und die eigene Führungspersönlichkeit wichtig. In vielen Fällen lauert das größte Konfliktpotenzial in der Ambivalenz von Führungsperson und Führungsrolle. Mitarbeiter und auch Patienten sowie andere außenstehende Personen setzen häufig voraus, dass Angehörige über alle Vorgänge der Praxis intensiv Bescheid wissen und spezielle Belange gegenüber dem Chef besonders gut vertreten können. Umgekehrt wird jede angespannte Situation sensibel registriert, und bei Auseinandersetzungen leidet das Praxis­image sofort. Deshalb gilt es, die Rolle der Angehörigen in der Praxis klar zu definieren und im Umgang mit diesen Anliegen Grenzen und Regeln zu setzen. Sonst wird man schnell „zwischen den Stühlen zerrieben“. Über die klare Hierarchie, Aufgabenteilung und Führungsgestaltung können Sie bereits viel Konfliktpotenzial entschärfen.

Nähe und Distanz

Regeln Sie auch Ihre gemeinsamen Gefühle: Streit in Gegenwart der Mitarbeiter ist ebenso gefährlich wie der Austausch von Zärtlichkeiten. Pflegen Sie eine gesunde Distanz, indem Sie z. B. das „Du“ gegenüber den Mitarbeitern vermeiden. Auch wenn dieser Umgangston als ein Zeichen für gute Zusammenarbeit gilt, droht bei Auseinandersetzungen Befangenheit.

Motivation und Bestätigung

Zur Motivation mitarbeitender Angehöriger und für das Selbstbewusstsein sind persönliche Erfolge und Bestätigung notwendig. Folgende Fragen können hilfreich sein, den eigenen Bedarf zu definieren:

  • Was macht mir an meiner Arbeit wirklich Freude und Spaß? 
  • Setze ich mich ein, weil ich will, weil ich kann oder weil ich muss, und was davon ist in welchem Maße o.k. für mich? 
  • Gibt es noch anderes, woraus ich für mich wichtige Motivation ziehen kann? 
  • Was mache ich, was haben wir für Alternativen, wenn es nicht reicht? 

Je offener und ehrlicher mit diesen Fragen umgegangen wird, umso konfliktfreier kann die gemeinsame Arbeit gestaltet werden.

Absprachen

Benennen Sie am besten vor Beginn Ihrer gemeinsamen Tätigkeit, mindestens aber in Ihrer Reflektion alle Risiken, die Ihnen bewusst werden oder die aufgetaucht sind, und diskutieren Sie über diese Vorkommen, Häufigkeit und Betroffene. Spielen Sie „Worst-Case-Situationen“ durch und legen Sie Streitregeln fest. Berücksichtigen Sie dabei auf alle Fälle, dass Auseinandersetzungen nie in der Praxis und in Anwesenheit der Mitarbeiter oder Patienten stattfinden. Also bedarf es Regeln und Absprachen für Konfliktsituationen. Die wichtigste: Reden Sie darüber: Was ist erforderlich, um im Praxiskontext wieder gesprächsbereit zu sein? Legen Sie sich ein persönliches Morse-Lexikon zurecht, mit dem Sie dem Partner signalisieren können, wenn ein Problem auftaucht. Das kann ein Stichwort sein, ein Bild oder ein Handzeichen.

Bedenken Sie

Das Risiko, dass Mitarbeiter oder auch Patienten ihre Chefs gegeneinander ausspielen, dürfen Sie nicht unterschätzen. Wahr ist aber auch, dass die Trennung von Berufs- und Privatleben im Familienbetrieb weitgehend aufgehoben wird. Jedem sind der Tagesablauf und die Tätigkeit des Anderen bekannt, er kann sich in die Angelegenheiten des Partners einmischen. Alle positiven, aber auch die negativen Themen werden mit nach Hause genommen. Bei größeren Problemen geht es in Familienunternehmen mitunter um die Existenzgrundlage. Auch die Hierarchie der Partner im Familienkontext spielt eine Rolle. In der Partnerschaft lebt man gleichberechtigt, in der Praxis steht beispielsweise der Zahnarzt der Ehefrau als Chef vor. Kinder stehen in der Familienhierarchie unter den Eltern, das kann in der Praxis genau umgekehrt sein. Daraus entstehen besondere Situationen, die in schwierigen und kritischen Praxissituationen nicht einfacher werden. Um diese besondere Konstellation zu meistern, gibt es die Option der regelmäßigen „Chefstunde“ oder des „Familienrates“. Legen Sie dazu feste Gesprächszeiten fest, in denen Sie sich ausschließlich über Ihre Zusammenarbeit austauschen, und sorgen Sie für ein kommunikatives Fair Play! Legen Sie gemeinsam klare Grenzen fest: Definieren Sie Zeiten ausschließlich für den Beruf und ausschließlich für das Familien- und Privatleben.

Fazit

Ein gemeinsames Arbeiten im Familienbetrieb Zahnarztpraxis kann ein gutes und erfolgreiches Konzept sein, wenn die Beteiligten offen und ehrlich mit den Chancen und Risiken umgehen. Dreamteam ist möglich, Rosenkrieg vermeidbar!

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