Branchenmeldungen 14.08.2024

Abenteuer Togo: Laboraufbau am anderen Ende der Welt

Abenteuer Togo: Laboraufbau am anderen Ende der Welt

Foto: ZTM Juliane Albrecht

Dieser Beitrag ist unter der Überschrift „Laboraufbau am anderen Ende der Welt“ in der ZT Zahntechnik Zeitung erschienen.

Mit einem Team von „Zahnärzte ohne Grenzen“ zog es Zahntechnikermeisterin Juliane Albrecht im April aus dem hessischen Trebur in das knapp 6.800 Kilometer entfernte westafrikanische Aného in Togo, um dort prothetische Pionierarbeit zu leisten: Im örtlichen Krankenhaus konnte dank ihr ein kleiner Laborraum zur zahntechnischen Erstversorgung in Betrieb genommen werden.

Ankunft mit Hindernissen

Endlich war es so weit: Am Pariser Flughafen traf ich meine deutschen Mitstreiter für die kommenden zwei Wochen. Wir landeten Freitag spät abends in der togolesischen Hauptstadt Lomé und mussten feststellen, dass drei Koffer in Paris zurückgeblieben waren. Auch unser 30-Tage-Visum wurde uns bei der Einreise direkt auf 14 Tage gekürzt, mit dem Hinweis auf Nachzahlung beim zuständigen Amt. Nach dem Schreck brachte uns ein Fahrer erst einmal in ein sehr gepflegtes Hotel direkt an der Küste. Während der Fahrt war noch nicht viel von der quirligen Hauptstadt zu erkennen, nur das Hupen der unzähligen Verkehrsteilnehmer ließ etwas vom bunten Treiben erahnen. Es war warm und stickig, überall roch es nach verbrannter Kokosfaser. Im Hotel trafen wir auf unseren Projektleiter Aimé. Er war bereits einige Wochen zuvor in seine alte Heimat geflogen und hatte schon vieles für uns „Weißnasen“ organisiert – darunter sämtliche Unterkünfte, einen Dolmetscher und einen Fahrer.

Am ersten Morgen starteten wir mit einem einfachen, aber guten Frühstück in den Tag und besprachen unseren weiteren Ablauf. Wir erfuhren, dass eine Helferin nicht nachkommen würde und das Team nun final aus vier Zahnärzten, zwei Helferinnen und mir als Technikerin bestand. Wir nutzten den Tag und teilten zunächst die restlichen im Koffer mitgebrachten Materialien auf zwei Gruppen auf: Eine Gruppe sollte im örtlichen Krankenhaus von Aného starten, die zweite in Akepe.

Wanted: Flexibilität zum Einsatzstart

Am Wochenende hatten wir noch etwas Zeit zum Akklimatisieren und fuhren zunächst zum Lager, wo unsere Sachspenden von dem schon im Februar geschickten Container standen und nun von uns sortiert und für den Weitertransport in die beiden Krankenhäuser verstaut wurden. Auch den Fortschritt eines Waisenhaus-Baus (einem weiteren Projekt von Aimé) konnten wir uns anschauen. Beim anschließenden Mittagessen am Togosee gab es typischen scharfen Fisch mit Djinkumé (eine Art Polenta) und Backbananen. Glücklicherweise erwies sich das meist scharfe togolesische Essen in den gesamten zwei Wochen als sehr schmackhaft und gut verträglich.

Die zunächst in Paris zurückgebliebenen Koffer erreichten uns glücklicherweise noch am Wochenende und somit waren auch die letzten für den Einsatz benötigten Sachen im Lande. Am Montag starteten wir direkt in aller Früh von Lomé aus zu unserem jeweiligen Einsatzort. Ich war sehr aufgeregt und wusste noch nicht, was mich erwarten würde und ob ich es schaffen würde, ein kleines Labor zum Laufen zu bringen. Natürlich hatte man alles zuvor geplant, gepackt und Absprachen getroffen, aber in der Realität sehen viele Dinge ja bekanntlich anders aus. Als wir ankamen, wartete eine kleine Delegation des Krankenhauses auf uns, deren nette Mitarbeiter uns in der gesamten Zeit unterstützten und auch übersetzten. Die Räumlichkeiten waren einfach, aber zu unserer Freude mit Klimaanlage ausgestattet. Es waren drei mobile Einheiten und Klappliegen aufgebaut und in der Mitte des Raumes ein riesiger Tisch, auf dem wir alle zahnmedizinischen Instrumente sortierten. Da mein Laborraum noch nicht bezugsfertig war, unterstützte ich am ersten Tag das Behandlungsteam und ging in die Assistenz – für mich als Technikerin eine neue und spannende Erfahrung, da man im Alltag eher weniger intensiven Patientenkontakt hat. Ich lernte, welche Spritzen man vorbereitet, welche Zange für den jeweiligen zu extrahierenden Zahn bestimmt ist und dass der Geruch eines eröffneten Abszesses sogar bis abends in der Nase bleibt. Auch das Zwischenmenschliche kam nicht zu kurz: Ich lernte schnell, auch ohne die Landesprache Ewe zu beherrschen, die Patienten zu beruhigen und ihnen Mut zuzusprechen, was gerade bei den Kindern sehr ergreifend war.

„Laboralltag“ auf togolesisch

Am zweiten Tag war es so weit und „mein“ Laborraum frei geräumt. Er lag etwas abgelegen von den Behandlungsräumen im Haupthaus. Ein Mitarbeiter begleitete mich den ganzen Tag, schaute mir über die Schulter und pendelte mit mir zwischen Labor und Praxis. Der Raum war genauso karg wie die Behandlungsräume, aber mit Klimaanlage und drei chinesischen (und nicht den üblichen französischen) Steckdosen versehen. Einen Wasser-, Gas- oder Druckluftanschluss gab es nicht, ebenso keinen Kompressor. Es standen mir zwei einfache Tische zur Verfügung. Mit einer großen Plastikwanne besorgte ich mir ausreichend Wasser, um damit den Platz für die Arbeitsvorbereitung zu komplettieren. Einen Trimmer hatte ich zwar, konnte ihn aber wegen der fehlenden Wasserzuleitung nicht benutzen, doch dafür eine Waage, Rüttler, Poliermotor, Lupenlampe, das überarbeitete Handstück von Wendt Dentaltechnik, welches mir im Zuge meines zuvor gestarteten Spendenaufrufs via Social Media freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde, und vieles mehr. Mit ein paar Handgriffen, einem Adapterstecker sowie einem Verlängerungskabel war das „Behelfslabor“ schnell eingerichtet und betriebsbereit. Stolz konnten wir die ersten Alginat-Abdrücke abformen und die erste Skepsis der Patienten wich der Vorfreude auf ein neues Lächeln.

Als ich die ersten Modelle ausgießen wollte, stelle ich fest, dass der mitgelieferte Gips sehr lange weich blieb und mir mangels Sockelformer oder Zeitungspapier davonfloss. Also stellte ich mir aus Wachsplatten ein paar notdürftige Sockelformer her, welche mittelfristig gut funktionierten. Zuerst hatte ich noch das Bestreben, die Modelle zu beschleifen, allerdings hatte sich das mangels einer Absaugung und nach einer Freiluft-Fräsaktion mit einer riesigen Staubwolke und vielen neugierigen Zuschauern von der benachbarten Impfstation direkt wieder erledigt. Mein Helfer konnte nach ein paar Anläufen eigenständig Modelle ausgießen und so weit mit dem Gipsmesser bearbeiten, dass man gut auf ihnen arbeiten konnte. Zwei Zahnschränke waren auch mitgeschickt worden und beinhalteten zu meinem Erstaunen fast ausschließlich Keramikzähne, welche sich zwar als etwas zu klein, allerdings farblich perfekt passend erwiesen. Zum Polymerisieren stand mir ein Drucktopf zur Verfügung, den ich mit einem Wasserkocher und einer wiederaufladbaren Fahrradpumpe betreiben konnte.

Das Prozedere klappte erstaunlich gut und die Ergebnisse konnten sich sehen lassen. Da ich ein kleines Ultraschallbad zur Verfügung hatte, hat auch das Fehlen eines Dampfstrahlers nicht gestört. Stolz konnte ich in der ersten Woche schon sechs Interimsprothesen fertigen. Bei selbigen lag die Herausforderung darin, die Klammerpositionen möglichst so zu finden, um für einen einzelnen Frontzahn die Basisausdehnung nicht allzu üppig gestalten zu müssen, was allerdings bei den dortigen Bisssituationen fast unmöglich war. Ich musste feststellen, dass selbst noch sehr junge Patienten unglaublich große Zähne mit stark abradierten, fast planen Kauflächen hatten.

Erfahrungen fürs Leben

Da unser Einsatz im hiesigen Radio vorab schon angekündigt wurde, kamen im Laufe der Woche immer mehr Anfragen nach Zahnersatz – selbst aus dem benachbarten Benin. Das „Open-Air-Wartezimmer“ war stets prall gefüllt und die Patienten trotz der langen Wartezeiten und der Hitze unglaublich geduldig. Gegen Ende der Woche war unser Alginat-Vorrat aufgebraucht und es brauchte ein paar Tage und Telefonate, bis aus irgendeinem Fundus neues Alginat aufgetrieben wurde und wir wieder tatkräftig in die neue Woche starten konnten. Bis dahin ging ich wieder in die Assistenz und durfte viele Extraktionen sehen, die bei den festen Kiefern teils nicht so einfach waren, wie zuerst erwartet.

Freitag nach der Arbeit stand ein Besuch in der deutschen Botschaft an und wir konnten uns mit dem Botschafter über die aktuelle Situation im Land (die Präsidentschaftswahlen standen unmittelbar bevor), aber auch über unser Projekt unterhalten. Am Wochenende hatten wir etwas Freizeit und konnten uns die Hauptstadt Lomé sowie den bekannten Fetischmarkt Akodésséwa anschauen, der als der größte Voodoo-Markt der Welt gilt. Erstaunlicherweise stellte sich mir die afrikanische Voodoo-Kultur eher als friedlich dar und hat gar nichts mit Puppen oder wilden Nadelspielchen zu tun. Zu unserem Glück hatten wir ein paar Tage später auch die Möglichkeit, an einer Zeremonie teilzunehmen – für diese Erfahrung bin ich sehr dankbar.

In der Folgewoche startete ich wieder in der Assistenz, bis die ersten Alginate abgeformt waren. Das neue Alginat stellte sich als nicht allzu formgenau dar und es gab einige Abdruckwiederholungen. Trotz alledem konnte ich in der zweiten Woche noch insgesamt 13 weitere Interimsprothesen fertigen. Donnerstag nach Abschluss unserer Arbeit packten wir alle Gerätschaften wieder zusammen, um sie ins Lager zu bringen. Nun hieß es auch für uns wieder Koffer packen, doch zuvor besuchten wir am Freitag noch eine Schule, um den Kindern Zahnputzübungen zu zeigen und über Zahnhygiene aufzuklären. Natürlich gab es für jedes Kind eine Zahnbürste und die von mir vorab selbst gepackten und mitgebrachten kleinen Taschen mit Buntstiften, Malheften und Stickern. Die Freude über unseren Besuch war riesig und als kleines Dankeschön bekamen wir sogar ein Ständchen. Was für ein bewegender Abschluss für einen außerordentlichen Einsatz, der uns allen viel abverlangt, aber auch unwahrscheinlich viel gegeben hat!

Autor: ZTM Juliane Albrecht

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