Recht 06.11.2025
Rechtliche Fakten statt Mythen: Zahnaufhellung mit über 6% Wasserstoffperoxid
Darin wurde die These vertreten, dass Zahnaufhellungsprodukte mit einer Wasserstoffperoxid-Konzentration von über 6% nicht mehr zulässig seien und daher nicht mehr in Verkehr gebracht oder angewandt werden dürften. Bei genauer Betrachtung der Rechtslage ist dies aber falsch und wohl allein einseitiges Unternehmensmarketing.
Begründet wurde dies mit Verweisen auf die EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) und auf ein veraltetes und zudem nicht rechtsverbindliches Auslegungsdokument „Manual on Borderline and Classification“ (Version 1.22) zur längst aufgehobenen Richtlinie 93/42/EWG (MDD). Zahlreiche Anwender fragten sich daher besorgt, was diese angebliche Änderung konkret für ihre Praxis bedeutet.
Die gute Nachricht: Bei genauer Betrachtung zeigt sich schnell, dass die Lage weitaus entspannter ist, als manche Mitteilung vermuten lässt. Fakt ist. Bei Zahnaufhellungsprodukten gibt es keine absolute Grenze der Konzentration von mehr als 6% Wasserstoffperoxid. Vielmehr entscheidet die Produktart danach, was als Inhaltsstoff zugelassen und weiterhin angewendet werden darf – vorausgesetzt, die jeweiligen Mittel wurden ordnungsgemäß gemäß den Produktvorgaben zur Produktart in Verkehr gebracht und die jeweiligen produktspezifischen benannten Sicherheits- sowie Aufklärungsvorgaben werden eingehalten. Hinweise einzelner Hersteller spiegeln daher vielmehr unternehmerische Vermarktungsstrategien zu deren rein kosmetischem Produktportfolio wider als den tatsächlichen Rechtsrahmen für die unterschiedlichen Aufhellungsprodukte.
Ist ein Aufhellungsmittel ein reines Kosmetikum, so ist tatsächlich gesetzlich eine limitierte Konzentration von maximal 6 % Wasserstoffperoxid gegeben. Ist es aber ein Medizinprodukt mit medizinischer Indikation und dem notwendigen CE-Kennzeichen mit der Nummer der Benannten Stelle, die das die Verkehrsfähigkeit bescheinigende Zertifikat ausgestellt hat, so unterliegt die Konzentration keiner gesetzlichen Limitierung. Sie ist vielmehr vom Hersteller auf der Basis der Risiko-Nutzen-Bewertung und der integrierten Sicherheit des Produktes festzulegen. Das kann durchaus deutlich über den für Kosmetika allein zulässigen 6 % (Horizont beim Kosmetikum ist der „durchschnittliche“, d.h. „dümmst“ anzunehmende Verbraucher) liegen.
Ein häufiges Missverständnis ist auch die Annahme, der Übergang von der alten MDD (Richtlinie 93/42/EWG) zur neuen MDR (Verordnung (EU) 2017/745) im Mai 2021 habe den Status dieser Präparate verändert. Dies ist jedoch nicht korrekt, da die MDR nichts an der Definition und Kategorie des Medizinproduktes geändert hat: Produkte mit einer Konzentration von über 6% Wasserstoffperoxid können daher nach wie vor gemäß den medizinprodukterechtlichen Vorgaben als Medizinprodukte in Verkehr gebracht werden. D.h. sie können von Zahnärzten weiterhin risiko- und bedenkenlos eingesetzt werden. Produkte hingegen, die als Kosmetikum in den Bereich der Kosmetikverordnung fallen, sind auf eine maximale Konzentration von 6 % beschränkt.
Für die Praxis bedeutet das: Zahnärzte können ihren betroffenen Patienten auch weiterhin ein professionelles In-Office-Whitening mit höher konzentrierten Gelen anbieten – vorausgesetzt, sie behandeln mit einem seriös und CE-zertifiziert in Verkehr gebrachten Produkt im Rahmen der Zweckbestimmung. Wichtig bleibt dabei eine transparente Patientenaufklärung über Chancen und Risiken. Sollten seitens der Patienten Fragen zur Zulässigkeit aufkommen, lässt sich eindeutig klarstellen: Der Einsatz solcher Produkte scheitert nicht an einer Prozentgrenze, sondern an der richtigen Produktart. Entscheidend ist nicht die Anwendungsart als Aufhellungsgel selbst, sondern die Produktart und ob Hersteller ihre Produkte künftig weiterhin als regulatorisch anspruchsvolles Medizinprodukt mit Zertifikat, oder als bloßes registrierungspflichtiges Kosmetikum am Markt verfügbar machen.
Fazit
Hinweis: Dieser Beitrag dient ausschließlich der Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.
Autor: Dr. jur. Volker Lücker