Branchenmeldungen 02.02.2024
Schmerzfreie Zahnmedizin im Fokus – Interview mit Dr. Diana Heimes
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Was macht einen guten Zahnarzt aus? Überraschenderweise beantworten viele Patienten diese Frage nicht mit der Qualifikation des Behandlers; vielmehr spielen die sozialen Fähigkeiten und eine schmerzarme Therapie die entscheidende Rolle (D. Heimes).
Diese Tatsache aufgreifend, rückt – beginnend mit dem Unnaer Forum für Innovative Zahnmedizin sowie in Valpolicella und Leipzig – das Thema „Schmerzfreie Zahnmedizin“ im Rahmen verschiedener OEMUS MEDIA-Veranstaltungen verstärkt in den Fokus. In Form eines separaten Programmblocks/Expertentalk referieren und diskutieren mit Prof. Dr. Dr. Peer Kämmerer/Mainz, Dr. Diana Heimes/Mainz sowie Prof. Dr. Nicole Arweiler/Marburg ausgewiesene ExpertInnen aus unterschiedlichen Blickwinkeln die Thematik.
Wir sprachen im Vorfeld mit Dr. Diana Heimes/Mainz zu Inhalt und Zielsetzung des neuen Moduls.
Frau Dr. Heimes, gemeinsam mit Prof. Kämmerer sind Sie Autorin des im Quintessenz-Verlag erscheinenden Fachbuches „Schmerzkontrolle in der Zahnmedizin“. Welche Bedeutung hat das Thema „Schmerz“ grundsätzlich in der zahnärztlichen Behandlung und wie hat sich hier die Sicht und Herangehensweise in den letzten Jahren geändert?
Dr. Heimes: Es gibt einen Beschluss der Versammlung des Skandinavischen Zahnärztlichen Vereins Stockholm aus dem Jahr 1881, in dem es wörtlich heißt: „Zahnextraktionen gehen so schnell, dass der Patient sie ohne Betäubung vertragen kann.“ Obwohl wir heutzutage durch die Entwicklung der zahnärztlichen Lokalanästhesie glücklicherweise nicht mehr unter solchen Bedingungen arbeiten müssen, haben viele Patienten früherer Generationen Schmerzen noch als integralen Bestandteil der zahnärztlichen Behandlung verstanden. Zähne und Schmerzen sind seit jeher eng miteinander verbunden. Sei es der Zahndurchbruch, die Pulpitis, die Behandlung oder Extraktion von Zähnen. Ein großer Teil der Patienten, die sich im zahnärztlichen Notdienst vorstellen, leiden schon seit mehreren Tagen an Schmerzen und so ist auch das Thema Chronifizierung eines, das in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus gerückt ist. Dank der modernen Lokalanästhesie und Schmerztherapie ist es heutzutage möglich, eine beinahe schmerzfreie Behandlung anbieten zu können. Moderne Verfahren wie die Präemptive Analgesie, die Gabe von Analgetika noch vor dem eigentlichen Eingriff, aber auch minimalinvasive Formen der Lokalanästhesie wie die Intraligamentäre Anästhesie erlauben uns Zahnärztinnen und Zahnärzten dem Wunsch des Patienten nach einer schmerzarmen Behandlung nachkommen zu können.
Es gibt ja offenbar nicht den Schmerz an sich. So unterschiedlich und komplex die Ursachen sind, so differenziert sind sicher auch die Optionen. Was gilt es hier zu wissen und zu unterscheiden bzw. was kommt wann zu Einsatz?
So unterschiedlich unsere Patienten sind, so sind es auch ihre Schmerzen. Nervenschmerzen sind anders zu behandeln als durch ein Trauma bedingte oder inflammatorische Schmerzen, chronische Erkrankungen unterscheiden sich von akuten. Die Frage der idealen Therapie der verschiedenen Entitäten kann sicherlich mehrere Bücher füllen. Ein zentraler Punkt ist es jedoch, sich mit den täglich auftretenden Problemen auseinandersetzen und sie richtig behandeln zu können. Zahnschmerzen entstehend häufig durch einen peripheren inflammatorischen Reiz, dieser wird über zahlreiche Synapsen zunächst in das Rückenmark und anschließend in das Gehirn weitergeleitet. Diesen Schmerz können wir in den meisten Fällen effektiv mit den bekannten Mitteln therapieren: Wir nutzen das individuell an den Patienten und die Situation angepasste Nicht-Opioid-Analgetikum und wenn der Schmerz doch zu stark ist, ist es uns Zahnärztinnen und Zahnärzten auch möglich, auf die nächste Stufe der Schmerztherapie, die schwachen Opioide, zu eskalieren. Falls die Schmerzursache nicht durch eine endodontische Therapie oder eine Extraktion sofort beseitigt werden kann, ist auch die überbrückende Gabe von langwirksamen Lokalanästhetika möglich. Denn das Ziel unserer Bemühungen besteht, neben der Reduktion des Leidensdruckes, vor allem in der Vermeidung chronischer Schmerzen. Denn diese sind häufig sehr schwer zu therapieren.
Abseits dessen stellen sich auch immer wieder Patienten mit neuropathischen Schmerzen vor, die aufgrund der Komplexität der Behandlung nicht selten schon chronische Formen angenommen haben. In solchen Fällen kommen meist multimodale Therapiekonzepte unter Einsatz von Neuroleptika oder Antidepressiva zur Anwendung. Letztendlich kann auch eine Myopathie bei craniomandibulärer Dysfunktion zu starken Schmerzen im orofazialen Bereich führen. In solchen Fällen wäre eine langfristige analgetische Therapie jedoch kontraproduktiv. Der korrekte Ansatz ist in solchen Fällen eine fächerübergreifende prothetisch-physiotherapeutische- und, zuweilen auch, psychologische Behandlung der Patienten.
Wie Sie sehen, hatten Sie mit Ihrer Vermutung recht: So unterschiedlich unsere Patienten sind, so sind es auch ihre Schmerzen und jeder Fall muss auf die individuellen Gegebenheiten angepasst werden.
Im Hinblick auf die Bedürfnisse der Patienten spielen, wie eingangs schon erwähnt, gerade präventive Maßnahmen der Schmerzausschaltung bis hin zur Sedierung eine Rolle. Was ist hier möglich und wo liegen die Grenzen dessen, was in einer Zahnarztpraxis gemacht werden sollte?
Es ist schon mit recht einfachen Methoden möglich, die Behandlung für Patienten angenehmer zu gestalten. Ein in der Anästhesie schon seit Langem etabliertes Verfahren ist die Präemptive Analgesie. Hierbei handelt es sich um die Gabe von Schmerzmitteln schon vor dem eigentlichen Reiz. Viele Studien haben gezeigt, dass hierdurch die Schmerzen und auch der Analgetikaverbrauch nach dem Eingriff deutlich gesenkt werden können. Seit Kurzem ist dieses Verfahren nun auch durch eine deutsche wissenschaftliche Mitteilung gestützt und kann so in der täglichen Praxis rechtssicher angewendet werden.
Abseits solcher simplen Methoden können natürlich auch verschiedene Verfahren der Sedierung durch die Zahnärztin oder den Zahnarzt angewendet werden. Die Möglichkeiten reichen von einer oberflächlichen bis hin zur moderaten Sedierung weithin gesunder Patienten. Es wird empfohlen, die Sedierung nur durch geschultes Personal und unter Sicherheitskautelen durchzuführen. Anhand der ASA-Klassifikation, eine Klassifikation der „American Society of Anesthesiologists“, mithilfe derer Patienten in Risikogruppen eingeteilt werden, wird die Eignung der Patienten für eine Sedierung im zahnärztlichen Umfeld geprüft. Im nächsten Jahr wir außerdem eine Leitlinie zur Sedierung in der Zahnmedizin erscheinen, die einen rechtlich sicheren Handlungskorridor für die alltägliche Praxis schaffen wird.
Sie sind eine der ReferentInnen im Rahmen des Podiums/Expertentalk „Schmerzfreie Zahnmedizin“. Warum sollten Ihrer Meinung nach Zahnärztinnen und Zahnärzte ihr Wissen zum Thema Schmerz öfter auf den neuesten Stand bringen?
Obwohl die meisten Analgetika und Lokalanästhetika schon recht lange auf dem Markt sind, werden, wie in jeder anderen medizinischen Disziplin auch, beinahe täglich neue Daten generiert. Bleibt man bei Altbewährtem, kann das zwar in vielen Fällen ausreichend sein, dennoch wird man den sich ändernden Bedingungen nicht gerecht. Unsere Gesellschaft ist einem stetigen Wandel unterlegen. Die deutsche Bevölkerung altert zunehmend – was natürlich auch den verbesserten Versorgungsmöglichkeiten zu verdanken ist. Dadurch werden wir Zahnärztinnen und Zahnärzte in den folgenden Jahren jedoch mit einer steigenden Anzahl älterer und kranker Patienten konfrontiert werden. Da sich diese Personengruppe durch viele Faktoren von jungen Menschen unterscheidet, müssen wir uns kritisch mit dem neuen Thema „Altersmedizin“ auseinandersetzen. Abseits dieser Entwicklung haben wir natürlich auch die Pflicht, uns bezüglich der aktuellen Leitlinien und Warnhinweise auf dem Laufenden zu halten – das ist auf einer solchen Veranstaltung deutlich attraktiver als allein zu Hause vor dem Bildschirm.
Und nicht zuletzt sind wir es auch unseren Patienten schuldig, ihnen die bestmögliche und an den aktuellen Stand der Dinge angepasste Therapie zu ermöglichen. Ich denke, hierfür bietet das Podium den perfekten Rahmen.
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg!
Termine und Anmeldemöglichkeiten:
- 02.03.2024 in Unna/Kamen: Unnaer Forum für Innovative Zahnmedizin
- 15.06.2024 in Valpolicella/IT: Giornate Veronesi
- 21.09.2024 in Leipzig: Leipziger Forum für Innovative Zahnmedizin
Informationen:
OEMUS MEDIA AG
Holbeinstraße 29
04229 Leipzig
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