Branchenmeldungen 06.09.2017
Versorgungswerk: Glanzzeiten vorbei?!
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Um den Zustand des deutschen Rentensystems mussten sich Zahnmediziner bisher wenig Gedanken machen. Doch durch anhaltende Niedrigzinsen geraten auch Versorgungswerke immer öfter unter Druck. So mancher Zahnmediziner sorgt sich um sein Altersgeld
Weniger Rente?
Zahnarzt Andreas Dietrich aus Ludwigshafen ist entsetzt. Während und nach seiner Assistenzzeit in Hessen hatte der Mediziner jeden Monat Beiträge an das dortige Versorgungswerk entrichtet. Sieben Jahre lang. Nun teilt die Einrichtung mit, dass die Rentenanwartschaft des 54-jährigen Praxisbesitzers „durch neue Berechnungsmodalitäten“ von monatlich 380 Euro auf 250 Euro gesunken ist. Knapp 30 Prozent Verlust. „Hätte Dietrich bis zum Ende seiner Berufstätigkeit an dieses Versorgungswerk gezahlt, wäre das Defizit weniger stark aufgefallen“, meint Markus Sobau, Geschäftsführer von MEDIsecur in Mannheim. Seit 20 Jahren beraten der Finanzplaner und sein 20-köpfiges Expertenteam Mediziner in Finanzfragen. Zwar hat ein Großteil der 89 deutschen Versorgungswerke den Rechnungszins von bisher üblichen vier auf bis zu zwei Prozent gesenkt, trotzdem würden nur in den seltensten Fällen bestehende Rentenansprüche gekürzt. „Stattdessen steigen die Anwartschaften einfach weniger schnell“, erklärt der Finanzwirt. Diese Vorgehensweise verwässere den Wertverlust. Das Resultat aber bleibe gleich: Weniger Rente.
Stefan Strunk, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e.V. (ABV) beruhigt: „Trotz Niedrigzinsphase erwirtschaften die meis- ten Versorgungswerke Erträge oberhalb ihres Rechnungszinses.“ Grund dafür: Das elastische Finanzierungsmodell. Anders als beispielsweise Lebensversicherungen müssen Versorgungswerke laut Anlageverordnung nur ein Viertel ihrer Kapitalanlagen in festverzinsliche Wertpapiere investieren. Im Niedrigzinsumfeld erhöhen daher viele Einrichtungen Immobilien- und Aktienquoten. Laut Aussagen verschiedener Pressestellen federe das die Zinseinbußen vorerst ab. Langfristige Prognosen möchte allerdings keine der Organisationen aufstellen. Zu unsicher sei das Kapitalumfeld. Fakt ist, dass die durchschnittliche Arztrente von 2004 bis heute lediglich um weniger als zwei Prozent angehoben wurde.
Höhere Steuern
Was erschwerend hinzu kommt und laut Finanzberater Sobau den wenigsten Zahnärzten bewusst ist: Künftige Rentner müssen ihr Altersruhegeld höher versteuern. Ausschlaggebend ist die geltende Besteuerungssituation im Jahr des Renteneintritts. Wer 2025 den Ruhestand antritt, versteuert bereits 85 Prozent der monatlichen Auszahlungen – ein Leben lang. Besonders hart trifft die Regelung Rentner ab dem Jahr 2040. „Deren Monatsbeträge sind voll steuerpflichtig“, bestätigt Björn Demuth, Fachanwalt für Steuerrecht aus Stuttgart. So landen von bei- spielsweise 4.000 Euro Rente ab 2030 nur noch circa 2.500 Euro netto auf dem Konto.
Private Krankenversicherung
Ein anderer wenig bedachter Kostenpunkt sind die meist privaten Krankenversicherungen (PKV). Diese berechnen Beiträge nicht nach Einkommen wie ihre gesetzlichen Kollegen, sondern nach dem individuellen Risiko, krank oder pflegebedürftig zu werden. Daher steigen die Kosten, die von der Nettorente abgehen, im Alter auf monatlich 600 bis 800 Euro. Anders als die gesetzliche Rentenversicherung bezuschussen Versorgungswerke Beitragszahlungen nicht. Tipp des Experten Um ihre Anwartschaften zu erhöhen, reagieren viele Dentalmediziner mit freiwilligen Zuzahlungen. „Die Vorteile liegen klar auf der Hand“, sagt ABV-Mann Strunk, „mehr Leistungen und eine verminderte Steuerlast während der aktiven Zeit.“ Anlageberater Sobau hingegen rät eher zur Skepsis. „Alle Finanzmittel, auch Zuzahlungen, sind im Versorgungswerk bis zur Rente und darüber hinaus gebunden“, gibt er zu bedenken. Egal in welcher Notlage, während des Erwerbslebens kommen Ärzte nicht an die Ersparnisse heran. Und auch nach Renteneintritt ist keine Einmalauszahlung möglich. „Anstatt freie Gelder per Zusatzzahlung zu binden, sollten Ärzte damit eine individuelle und verfügbare private Altersvorsorge auf bauen“, empfiehlt der Fachmann. Diese sollte sowohl steuerliche als auch persönliche Aspekte berücksichtigen. Sinnvolle Möglichkeiten mit mehr Ertrag und Sicherheit sind Immobilien und abgesicherte Wertpapierdepots, bei dem investierte Mittel kurz bis mittelfristig verfügbar bleiben.
Fazit
Versorgungswerke sind vielleicht nicht mehr die unfehlbaren Heilsbringer als die sie einst galten. Trotzdem bleiben sie ein vergleichsweise stabiler Baustein für die Ruhestansplanung. Allerdings sollten Zahnmediziner in Zeiten niedriger Zinsen und unsicherer Kapitalmärkte sich nicht ausschließlich auf die Institution verlassen. Zwar werden die Renten in absehbarer Zeit nicht sinken, aber im Gegensatz zu steuerlichen und versicherungsbasierten Aufwendungen eben auch nicht nennenswert steigen. Wer sich absichern will, kombiniert die berufsständischen Leistungen mit einem zweiten privaten Renten-Standbein. Die Angst vor Altersarmut ist zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls unbegründet.
Der Artikel erschien in der Dental Tribune German Edition No. 6/2017.