Branchenmeldungen 12.04.2016
Wegen schiefer Zähne: 33 Jahre unschuldig hinter Gittern
Nur er selbst wusste, dass er unschuldig ist. 33 Jahre lang ertrug ein US-Amerikaner sein Schicksal hinter Gittern. Jetzt kommt er frei. Der Beweis ist geführt: Den Mord hat ein anderer begangen.
Als sich die
Gefängnistore im Jahr 1982 hinter Allan Harward schlossen, war
er noch ein junger Mann, das volle, dunkle Haar sauber gescheitelt.
Als Matrose hat er gedient, auf dem damals nagelneuen
Flugzeugträger USS Carl Vinson. Als am 14. September
der Werftarbeiter Jesse Perron mit einer Brechstange erschlagen
und seine Frau stundenlang vergewaltigt wurde, kam schnell
Harward in Verdacht. Zwei Geschworenen-Jurys sprachen ihn
schuldig, 33 lange Jahre verbrachte er hinter Gittern.
Zu
Unrecht, wie sich jetzt herausstellte. Das höchste Gericht
des Bundesstaates Virginia hat am Donnerstag festgestellt:
Harward saß unschuldig in Haft. Die Verbrechen hatte sein
krimineller Matrosen-Kollege begangen, der später unter anderem
wegen Einbruchs verhaftet wurde und 2006 in einem Gefängnis in
Ohio starb. Das hat eine DNA-Analyse von Spermien einwandfrei
ergeben, die bei der Frau gefunden wurden.
Harward
ist einer von vielen in den USA. Das in New York ansässige Netzwerk
Innocence Project listet 337 Urteile auf, die sich als falsch
herausgestellt hätten. Im Durchschnitt hätten die Verurteilten 14
Jahre in Haft gesessen, ohne irgendetwas falsch gemacht zu
haben. 2015 war ein Mann in Pennsylvania aus dem Gefängnis
entlassen worden, der sogar 34 Jahre lang in Haft saß, ohne der
Täter zu sein. Als alter Mann kam er schließlich frei, konnte
zumindest seinen
Lebensabend im Kreis seiner Familie
verbringen.
Harward wurde Opfer seiner schiefen Zähne -
und einer Beweismethode, die damals als revolutionär galt,
heute aber längst umstritten, wenn nicht verpönt ist. Er wurde
überführt, weil zwei Gerichts-Zahnärzte seinen Kieferabdruck
mit Bisswunden am Bein der vergewaltigten Frau verglichen - und
beide zu dem Ergebnis kamen, die Spuren am Opfer stammten
einwandfrei vom Gebiss Harwards. Das stellte sich als falsch heraus.
„Harward ist schon das 25. Opfer falscher
Bisswunden-Vergleiche“,
sagt Michael Kelly von dem Netzwerk. „Die Methode wurde in den
vergangenen Jahren komplett diskreditiert.“
Die
Generalstaatsanwaltschaft hatte den Fehler eingeräumt und selbst für
die Entlassung plädiert. „Der Gedanke, dass er mehr als die Hälfte
seines Lebens hinter Gittern verbringen musste, ist herzzerreißend“,
sagte Virginias Generalstaatsanwalt Mark Herring. Virginia könne
ihm die Jahre nicht zurückgeben. „Aber wir können sagen, dass es
uns leid tut und dass wir daran arbeiten,
es richtigzustellen.“
Alwin Kagey, einer der
beiden Zahnärzte, die die falsche Diagnose gestellt hatte,
räumte inzwischen Fehler ein. „Die Methode wurde möglicherweise
damals überschätzt“, sagte er kleinlaut. „Was
wirklich schmerzt: Wir haben das damals im guten Glauben
gemacht.“ Harwards Anwalt Roy Lasris nahm es gelassen. „Diese
verdammten Bisswunden. Seine Eltern hätten ihn zum Zahnarzt
schicken sollen, dann hätte er diese ganzen Probleme nicht
gekriegt.“
Quelle: dpa
Anzeige