Branchenmeldungen 30.12.2025

Nachhaltigkeit in der Zahnarztpraxis: Wir können mehr tun!

Betrachtet man die Zahnmedizin mit ihren einzelnen Akteuren in Praxen, Kliniken, MVZs, Industrie und in der akademischen Lehre, muss man leider feststellen, dass eine ernsthafte Aus­einandersetzung mit den Klimazielen (national, europäisch und UN), der Reduktion von Treibhausgasen und der eigenen Positionierung in diesem Kontext oftmals Randthemen sind.

Nachhaltigkeit in der Zahnarztpraxis: Wir können mehr tun!

Foto: Erde: NASA – unsplash.com/ Pappbecher: fotogurme (KI-generiert) und Illustration: PureSolution – stock.adobe.com

Während sich viele Unternehmen zunehmend Ziele zur Emissionsreduktion und Ressourcenschonung setzen und sich für soziale Projekte engagieren, werden in ­der Zahnmedizin diese Überlegungen häufig von organisatorisch-­formalen und ökonomischen Zwängen und Entscheidungen an den Rand gedrängt, weil viele Kolleg/-innen die Relevanz einer klimaschonend ausgerichteten Praxis oder Klinik unterschätzen und sich aus ihrer Sicht wichtigeren Aufgaben widmen. Hier könnte – wie auch in anderen Wirtschaftsbereichen – ein innovativer Hub ent­stehen, wenn approbierte Medizinalpersonen, akademische Institutionen, Berufsverbände und Industrie tatsächlich an einem gemeinsamen Konzept arbeiten würden. Leider spielen wie so oft im Leben Partikularinteressen eine größere Rolle als die gesellschaft­liche Weiterentwicklung. Deshalb bleiben wir in der Zahnmedizin aktuell noch weit hinter unseren Möglichkeiten.

Bedeutet nachhaltig gleich teuer?

Dabei ist der Weg zu mehr Nachhaltigkeit in Zahnarztpraxen nicht zwangsläufig mit hö­-heren Kosten verbunden. Vielmehr kann eine strategische Ausrichtung auf nachhaltige Prozesse langfristig wirtschaftliche Vorteile bringen, indem Ressourcen effizienter genutzt und Betriebsausgaben gesenkt werden. In­vestitionen in Energiesparmaßnahmen, die Digitalisierung von Arbeitsabläufen oder ­die Auswahl langlebiger Praxisprodukte zahlen sich oft schon nach kurzer Zeit aus. Gleichzeitig stärken nachhaltige Entscheidungen das Image der Praxis – sowohl bei den Patient/-innen als auch im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeitende. Die Umsetzung von Nachhaltigkeit in Zahnarztpraxen kann somit als Investition in die Zukunft verstanden werden, die gesellschaftliche Verantwortung und ökonomische Vernunft miteinander verbindet.

Apropos Lieferketten

Nachhaltigkeit heißt auch, auf die Sicherung von Arbeits- und Menschenrechten in Lieferketten zu achten. Um das zu gewährleisten, haben wir eine interne Einkaufsstrategie entwickelt, wonach Produkte nach verschiedenen Kriterien und Zer­ti­fikaten ausgewählt werden. Sie sollen berück­sichtigen, dass:

• Alle relevanten Arbeits- und Sicherheits­standards eingehalten werden
• Risikobehaftete Rohstoffe möglichst zerti­fiziert sind
• Die Wertschöpfungsketten (Produktionswege) so kurz wie möglich sind
• Waren im besten Fall regional produziert werden, um zusätzliche Produktionsschritte und Lieferanten zu vermeiden

Kostentransparenz

Natürlich entstehen im Kontext Nachhaltigkeit zusätz­liche Kosten, beispielsweise durch die Arbeitszeit, die in die Analyse von Verbrauchsdaten investiert werden muss und durch Honorare an externe Dienstleister, die für seriöse Nachweise und Einordnungen benötigt werden. CO2-Emissionen, die aufgrund von nicht weiter reduzierbaren Energieverbräuchen kompensiert werden sollen, stellen zusätzliche Ausgaben für die Praxis dar. Zertifikate nach UN-Goldstandard und ähnlich hochwertige Kompensationsmaßnahmen sind kostenintensiver als Nachweise unklarer Herkunft. Hier empfiehlt sich eine professionelle Beratung.

Erfolg durch finanziellen Klimabeitrag

Kann meine Praxis mit finanziellem Klimabeitrag erfolgreich sein? Stellt man sich diese Frage, muss die Ant­­-wort lauten: Ja. Sofern sich die Praxisbetreiber zu einer authentischen und durchgängigen Strategie entschei­-
den und nicht nach dem Kauf von Pappbechern allein glauben, für eine klimafreundlich ausgelegte Praxis alles getan zu haben. Im urbanen Umfeld ist dank einer stärker sensibilisierten Bevölkerung vor allem bei jüngeren, gut ausgebildeten Patienten mit erheblichem Zuwachs der Patientenzahl zu rechnen. Denn genau diese Pa­tienten sind sich über Mehrkosten bei der Verwendung umweltschonender Materialien im Klaren und akzeptieren diese auch. Darüber hinaus motiviert die, nach außen sichtbar gemachte, Einführung klimaschonender Maßnahmen, auch gezielte Initiativbewerbungen qualifizierter Mitarbeiter/-innen.

Bild von einem Quotenzeichen
Für eine klimafreundliche Praxis braucht es eine authentische Strategie – und nicht den Glauben, nach dem Kauf von Pappbechern sei alles getan.

6 Handlungsempfehlungen: So wirds nachhaltig!

  1. Eine umfassende Information des Praxisteams über die Ist-Situation der Praxis in Bezug auf klimaschonende und nachhaltige Arbeitsabläufe bringt alle auf den gleichen Stand. Jedes Teammitglied kann sich zudem mit eigenen Ideen und Vorschlägen zur Verbesserung einbringen, interne Ziele werden vereinbart und Aufgaben verteilt. Dabei helfen digitale QM-Programme, die eine Individu­alisierung bei den Nachhaltigkeits- und Klimathemen zulassen.
  2. Mit der Wahl eines externen Auditors (z. B. ClimatePartner), der die notwendigen digitalen Tools zur Errechnung der CO2-Emission für die Praxis zur Verfügung stellt und notwendige Schulungen anbietet, wird eine verifizierbare Basis für die Planung von Reduktions- und Kompen­sationsmaßnahmen geschaffen.
  3. Mit der Förderung nachhaltiger Lieferketten bei Labor­arbeiten und Materiallieferungen, etwa durch Auswahl von Lieferanten mit Umweltzertifikaten und der Präferenz nationaler und europäischer Hersteller, kann auch die Kooperationsseite entsprechend individualisiert werden.
  4. Implementierung von Maßnahmen zur Verringerung des Papierverbrauchs und zur Digitalisierung von Praxis­abläufen (Terminvergabe, Laborkommunikation,digitales Röntgen, Scanner etc).
  5. Für Mitarbeitende gibt es interne Fortbildung zum Thema Nachhaltigkeit, direkte Förderung der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (Deutschlandticket), sowie Bereitstellung betrieblicher Fahrräder etc., Ladestation für Elektrofahrzeuge.
  6. Überprüfung der eigenen Arbeits- und Verhaltensmuster nach ESG-Kriterien (Economic, Social, Governance).

Hessens erste Praxis mit finanziellem Klimabeitrag

Unsere Praxis in Frankfurt am Main ist Hessens erste Praxis mit finanziellem Klimabeitrag. Für unser aktives Bemühen, Ressourcen und Emissionen zu reduzieren und einen finanziellen Beitrag zu diversen Klimaschutzprojekten zu leisten, wurden wir offiziell als ClimatePartner zertifiziert. Wir lassen jährlich den Corporate Carbon Footprint (CO₂-Fußabdruck) der Praxis berechnen und überlegen immer wieder neu, wie sich weitere Ressourcen einsparen lassen. Zu unseren bisherigen Maßnahmen gehören:

  • grüner Strom
  • biokompatible Materialien bei Behandlungen
  • Reduzierung von Einwegprodukten und Plastik
  • Minimierung des Materialienverbrauchs
  • klimaneutrale Mobilität aller Mitarbeiter/-innen im ÖPNV fördern
  • Digitalisierung aller administrativen Prozesse
  • internes Entsorgungs- und Recyclingsystem für komplexe
  • Gebrauchsmaterialien
  • Kauf von seriösen Klimazertifikaten

Weitere Infos zur Praxis von Ingo Töpfer auf www.zahnarzt-am-weingarten.de.

Autor: Ingo Töpfer

ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 12/25

ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis


Dieser Betrag ist unter dem Originaltitel „Wir können mehr tun!“ in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

Seit 31 Jahren ist die ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis das führende Wirtschaftsmagazin für den Zahnarzt. Als General-Interest-Titel deckt sie das gesamte Spektrum der Praxisführung ab.

Das Wirtschaftsmagazin zählt mit seinen 12 Ausgaben im Jahr und einer Auflage von 40.800 Exemplaren zu den frequenz- und auflagenstärksten Titeln im deutschen Dentalmarkt. Zudem enthält jede Ausgabe das Supplement „ZWP spezial“, in dem besondere Themen vertieft werden.

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