Wissenschaft und Forschung 13.12.2016
Mit „Oralite“ zur händefreien Mundhygiene
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Parkinson, Arthritis, Rheuma oder Amputationen können Gründe sein, warum eine selbstständige Zahnreinigung nicht oder nur schwer möglich ist. Damit auch Menschen mit Bewegungseinschränkungen ihre Zähne gründlich reinigen können, hat die Kasseler Produktdesignerin Olga Schikurski „Oralite“ entwickelt – ein Gerät, mit dem händefreie Mundhygiene möglich ist.
Die Motorik, die für die Handhabung einer normalen Handzahnbürste oder einer elektrischen Zahnbürste notwendig ist, um eine gründliche Mundhygiene durchzuführen, kann aus verschiedenen Ursachen eingeschränkt sein. Dass aber mindestens zweimal täglich die Zähne gereinigt werden sollten, um nicht nur Mundgeruch, Karies & Co., sondern auch andere Krankheiten zu verhindern, belegten in der Vergangenheit bereits unzählige Studien.
Besonders Menschen, die unter funktionellen Einschränkungen der Arme leiden, ist eine gewissenhafte Mundhygiene oft nicht möglich. Sie sind deshalb auf Hilfe angewiesen oder können ihre Zähne nur ungenügend reinigen. Selbst bei der Unterstützung durch Dritte, z.B. Pflegepersonal, ist die gründliche Reinigung nicht immer gewährleistet, da oftmals die Zeit fehlt. Während ihrer Nachforschungen kam Olga Schikurski zu der Erkenntnis: „Handzahnbürsten und elektrische Zahnbürsten sind ungeeignet, weil sie den intensiven Einsatz der Hände und Arme erfordern. Doch wenn die Hände nicht gehorchen, oder das Halten und Führen der Zahnbürste Schmerzen verursacht, erschwert dies die selbstständige Zahnpflege erheblich.“
Deshalb hat sie sich dem Problem in ihrer Diplomarbeit angenommen und „Oralite“ entwickelt. Das innovative Gerät, mit dem die junge Designerin bereits den 2. Platz beim Hessischen Staatspreis für universelles Design gewonnen hat, ermöglicht in Zukunft eine händefreie Mundhygiene. „Oralite“ besteht aus der Haupteinheit und einem individuell angepassten Mundstück, sowohl Bedienung als auch Handhabung erfolgen intuitiv und sind auch mit funktionellen Einschränkungen steuerbar. Alternativ erfolgt die Bedienung durch bspw. eine Pflegeperson, die während der circa drei Minuten dauernden Zahnreinigung andere Tätigkeiten verrichten kann.
Funktionsweise
- Der Nutzer entnimmt das Mundstück aus dem Aufbewahrungsfach und setzt es in seinen Mund ein. Nach einem leichten Zubeißen und Betätigen der Start-Taste beginnt der Zahnpflegeprozess.
- Eine initiale Spülung und Ultraschallbehandlung lösen Plaque.
- Ein flüssiger, nicht toxischer blauer Farbstoff fließt in den durch das Mundstück geformten Hohlraum um die Zähne und bindet sich selektiv an Bakterien, der Überschuss wird ausgespült.
- Bei Bestrahlung mit rotem Licht bilden sich durch den Farbstoff hochreaktive Sauerstoffe in der Nähe der Bakterien und zerstören deren Zellwände (Prozess: aPDT).
- Mit einem letzten Spülen und Ultraschall wird verbliebene Plaque ausgespült. Eine gesunde Mundflora ist wiederhergestellt.
Ein Mundstück wird individuell mittels 3-D-Scan des Gebisses und 3-D-Druck entwickelt, und soll bis zu fünf Jahre einsetzbar sein. Zudem können mehrere Menschen die Basisstation mit einem jeweils eigenen Mundstück nutzen.
Für das Wirkprinzip hat sich Olga Schikurski nach umfangreichen Recherchen für die antimikrobielle Photodynamische Therapie entschieden. Diese kommt bereits bei Wurzel- und Parodontitisbehandlungen zum Einsatz und eliminiert aktiv schädliche Bakterien. Außerdem wird Ultraschall verwendet, der festsitzende Plaque aufbricht, die durch die Spülung beseitigt wird. So werden mit „Oralite“ nicht nur Essensreste entfernt, sondern es wird auch elementar zur Prophylaxe der Mundgesundheit beigetragen.
Aktuell ist die „Oralite“-Erfinderin noch auf der Suche nach einer Firma, die sie beim Bau und weiteren Tests eines Funktionsprototypen unterstützt und das Produkt marktreif macht. Dazu sind noch folgende Schritte notwendig:
- 3-D-Scan eines Muster-Gebisses
- Technische Ausarbeitung und Programmierung eines Algorithmus zur Umwandlung der Gebiss-Scandaten in 3-D-Druckdaten für das Mundstück
- 3-D-Druck des Mundstücks und Montage der Funktionskomponenten des Mundstücks
- Bau der Haupteinheit
- Tests
- Optimierung
Für die Zukunft stellt sich die Designerin einen Vertrieb direkt in Zahnarztpraxen vor, da hier der 3-D-Scan vom Gebiss genommen und gespeichert sowie die Handhabung demonstriert werden kann.
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