Abrechnung 12.08.2013
Endodontie = Zahnerhaltung?
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„Endodontie ist unterbezahlt, aber bei ausreichender Bezahlung muss auch für bessere Qualität gesorgt werden.“ Dieses Zitat von Prof. Dr. Hülsmann (Universität Göttingen) möchte ich meinem Artikel voranstellen. In den von mir beratenen Praxen stehen die Zahnärzte bei einer Indikation „Endodontie“ immer vor dem gleichen Dilemma: Der Patient meint, er sei „versichert“ und müsse nichts bezahlen und seine Kasse bzw. deren Sachbearbeiter meinen das auch.
Der Zahnarzt aber weiß oder ahnt, dass das Kassenhonorar nur einfachste Behandlungfälle abdeckt. Und so kommt es dann zu dem zweifelhaften Ruf der Wurzelbehandlung als einem äußerst unangenehmen und oft vergeblichen Versuch, einen Zahn für eine begrenzte Zeit zu erhalten. Fehlt dann dem Zahnarzt das Vertrauen in seine eigene Endodontie, wird er die wurzelgefüllten Zähne nicht umgehend mit einer hochwertigen Restauration versehen, sondern mit plastischen Füllungen, deren Insuffizienz sich schon allein aus der Kavitätengröße ergibt und die Misserfolgswahrscheinlichkeit weiter erhöhen. Und so kommt Prof. Dr. Hülsmann zu der Aussage: „Die Erfolgsquote der Wurzelbehandlung kann nach mehreren Studienergebnissen in Deutschland mit maximal 50 Prozent angenommen werden.“ Wer das Wohlergehen des Patienten in den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellt, sucht natürlich nach einem Ausweg aus dem Dilemma. Soll er dem Patienten ungefragt nach den Kriterien des SGB V („ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich“) den Zahn extrahieren, weil der Patient die Stahlbrücke als Härtefall zum „Nulltarif“ bekommt? Oder soll er ärztlicher Ethik folgend seinereits zum „Nulltarif“ den Patienten über alternative Behandlungsmöglichkeiten wie z.B. eine zuzahlungspflichtige Wurzelbehandlung aufklären? Diese Gewissensfrage muss jeder Behandler für sich selbst entscheiden. Ich möchte hier nur auf die Gefahren für diejenigen Behandler hinweisen, die aus verständlichem Mitgefühl für die Situation des Patienten versuchen, „alles auf Kasse zu machen“. Diese besonders „großherzigen“ Kollegen riskieren nicht nur die Rückzahlung von Honoraren im Regressfall, sondern auch im schlimmsten Fall ihre Kassenzulassung. Ich möchte das konkret an einem Beispiel aus einer aktuellen Praxisberatung erläutern: Es handelte sich um eine einspannige Brücke von 14 auf 16, die im Befund mit k-b-k eingetragen wurde. In der Karteikarte wurden allerdings kariöse Defekte an 14 und 16 dokumentiert.
Die gelockerte Brücke wurde abgenommen, an 16 eine endodontische Behandlung zulasten der Kasse durchgeführt, danach wurde die Brücke zunächst temporär zementiert. Vier Monate später wurde in einem Heil- und Kostenplan eine neue Brücke beantragt. Bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung wird dem Zahnarzt hier gnadenlos die Kons-Richtlinie 9 präsentiert, die dieser Praxis ebenso wie vielen anderen Praxen völlig unbekannt war. Sie lautet: „Zähne mit Erkrankungen oder traumatischen Schädigungen der Pulpa sowie Zähne mit nekrotischem Zahnmark können in der Regel durch endodontische Maßnahmen erhalten werden. Die Wurzelkanalbehandlung von Molaren ist in der Regel dann angezeigt, wenn damit eine geschlossene Zahnreihe erhalten werden kann, eine einseitige Freiendsituation vermieden wird, der Erhalt von funktionstüchtigem Zahnersatz möglich wird.“
Diese Kriterien treffen auf den vorliegenden Fall aber nicht zu, denn der korrekte Befund ist nicht „k-b-k“, sondern „kw-b-kw“,da die Zähne 14 und 16 kariös sind und die vorhandene Brücke nicht wieder als definitive Versorgung eingegliedert wird. Damit ist eine endodontische Behandlung des Zahnes 16 keine Kassenleistung und muss mit dem Patienten privat vereinbart werden, wenn der Zahnarzt dieses „Scheinhonorar“ nicht in einer Wirtschaftlichkeitsprüfung Jahre später zurückzahlen möchte. Auch kann er sich nicht darauf verlassen, dass nur die „Kons“ geprüft wird. Dank umfassender Datenerfassung und entsprechender Prüfsoftware werden mittlerweile auch die Kombinationen seiner konservierenden Behandlung mit ZE und PA durchleuchtet.
Was lernt der geneigte Leser aus meinen Ausführungen? Der Zahnarzt muss alle Richtlinien kennen und gerade bei einer Schmerzbehandlung seinen Patienten richtlinienkonform aufklären. Gegebenenfalls muss er die erste Sitzung auf eine reine Schmerzbeseitigung beschränken und erst in einer weiteren Sitzung über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten und ihre Kosten sprechen. Und hier sind wir wieder bei der Patientenaufklärung angelangt, die seit dem 26.2.2013 gesetzlich geregelt ist. Der Zahnarzt kann dieses ungerechte System nicht ändern, er kann nur so gut wie möglich den Patienten über dieses System aufklären und „seinem“ Patienten eine informierte Entscheidung für diese oder jene Behandlungsalternative erleichtern. „Seine“ Aufgabe wird durch die Synadoc-CD erleichtert, die automatisch befund- und planungsorientierte Patientenaufklärungsbögen und eine präzise Kostenaufklärung bereitstellt und für einen endodontisch zu behandelnden Zahn die Kons-Richtlinie 9 abprüft.