Abrechnung 10.03.2016
Erhebliche Probleme mit der Komplexleistung „Externer Sinuslift“
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Der externe Sinuslift nach der GOZ-Nummer 9120 ist als Komplexleistung ausgestaltet, in die zum einen übertriebene „Variabilität“ eingeflossen ist und die zum zweiten methodisch nicht notwendige Leistungen umfasst.
Die in die Leistungsbeschreibung der GOZ-Nr. 9120 bei der GOZ-Reform 2012 eingeflossene Variabilität der operativen Vorgehensweise ist ein Nachteil dieser wie auch ähnlicher Gebührenpositionen (GOZ-Nrn. 9100, 9110, 9130, 9140), denn hier wird erstmalig das GOZ-/GOÄ-Prinzip der Einzelleistungsvergütung durch Einführung von Behandlungskomplexen abgelöst. Bisher galt der Grundsatz, einen Eingriff in standardmäßiger Ausführung inklusive aller essenziellen Verfahrensbestandteile zum Leistungsinhalt einer Gebührenposition zu machen und die im Einzelfall erforderlichen, selbstständigen Zusatzleistungen durch weitere Gebührenpositionen abzubilden.
Integration aller Eventualitäten
Der jetzt eingeschlagene Weg, alle chirurgischen Eventualitäten über die Leistungsbeschreibung mit dem Zusatz „gegebenenfalls“ in die Gesamtbewertung einer Gebührenposition zu integrieren, stellt hingegen das Grundkonzept der Gebührenordnung auf den Kopf, denn der je nach Modalitäten äußerst ungleiche Aufwand zwischen dem Grundeingriff und der maximal beschriebenen Gesamtleistung verbietet es prinzipiell, mit nur einer einzigen gemittelten Gebühren-position zusammengefasst zu werden. Auch ein denkbarer Verweis auf die Variationsmöglichkeit durch die Faktorbewertung nach § 5 Abs. 2 GOZ ist nicht sachlogisch, denn der Faktor dient der Bewertung der Schwierigkeiten bei der Durchführung des Eingriffs, nicht aber der Einstufung unterschiedlichen Operationsaufwands durch zusätzliche Behandlungsmaßnahmen. Neu und gleichfalls kritisch zu beurteilen ist auch die Einbeziehung von Kombinationsüberlegungen zu weiteren operativen Maßnahmen in die Leistungsbeschreibung, ändert dies doch nichts am grundsätzlichen Problem, extrem unterschiedlichen Behandlungsaufwand mit einer Gebührenposition beschreiben zu wollen.
Ferner werden methodisch nicht notwendige Leistungen in die Komplexleistung eingegliedert. So gibt es wissenschaftliche Studien aus Skandinavien, welche eindeutig belegen, dass allein die lokale Einblutung in den nach Anhebung der Schneider’schen Membran geschaffenen Hohlraum zwischen Kieferhöhlenschleimhaut und knöchernem Kieferhöhlenboden zu lokaler knöcherner Reorganisation bzw. ausreichender Knochenneu-bildung führen kann, ohne dass zwingend ein Knochentransfer durchgeführt werden müsste.
Andere methodisch unabhängige und eigenständig indizierte Operationsschritte wer den in zeitlichem Zusammenhang bzw. bei simultaner Erbringung mit der Sinusbodenelevation in hinterfragungswürdiger Weise mit Beschränkungen der Abrechnungshöhe versehen. So darf im gleichen Operations-gebiet bei simultaner Anwendung der internen Sinusbodenelevation (GOZ-Nr. 9110) die GOZ-Nr. 9100 nur zur Hälfte und bei Anwendung der externen Sinusbodenelevation (GOZ-Nr. 9120) nur zu einem Drittel der ursprünglichen Punktzahl abgerechnet werden.
Zudem ist strittig, ob bei Vorliegen getrennter Operationsgebiete – insbesondere in Fällen mit getrennter Schnittführung – die o.g. Abrechnungslimitationen nicht zu weit gehen und eine Überreglementierung darstellen bzw. ein Regelungsdefizit des Verordnungsgebers vorliegt. Offensichtlich wird dieses Regelungsdefizit beispielsweise bei einer vestibulären Auflagerungsosteoplastik im Eckzahnbereich/lateralen Frontzahn-bereich (GOZ-Nr. 9100) und gleichzeitiger interner (GOZ-Nr. 9110) wie externer (GOZ-Nr. 9120) Sinusbodenelevation im Molarenbereich. Beide Operationen können simultan zweifelsfrei bei separater Schnittführung ausgeführt werden. Bei enger Auslegung der Abrechnungsbestimmungen könnte selbst bei diesen getrennten Operations-gebieten, auch in derselben Kieferhälfte, der Mehraufwand bei Ausführung in gleicher Sitzung allein über § 5 bzw. § 2 Abs. 1 GOZ berücksichtigt werden.
Einzig eine Leistungsüberschneidung würde eine Kürzung des ärztlichen Honorars rechtfertigen. Dies ist zum einen aber nicht immer der Fall, und ob allein eine gemeinsame Schnittführung eine Leistungskürzung rechtfertigt, ist infrage zu stellen. Ähnliche Restriktionen finden sich nicht bei vergleichbaren Serienextraktionen bzw. operativen Entfernungen benachbarter Zähne. Diese unterschiedliche Würdigung des Operationsaufwandes ist nur schwer nachvollziehbar.
Falsches Signal für die fachliche Entwicklung
Es ist davon auszugehen, dass mit derartigem gebührenrechtlichen „alles über einen Kamm scheren“ ein gänzlich falsches Signal für die fachliche Entwicklung gesetzt wird, denn man muss mit der Erfahrung der Vergangenheit davon ausgehen, dass bei einer arithmetisch mittelwertig festgesetzten Gebührenhöhe für Eingriffe mit extrem unterschiedlichem Aufwand die hochwertig komplizierten Eingriffe zugunsten von Einfachmaßnahmen ohne Zusatzleistungen in den Hintergrund gedrängt werden, dass also betriebswirtschaftliche Aspekte vor den zahnmedizinischen in den Vordergrund gerückt werden.
Diese Ausführungen basieren auf dem GOZ-Kommentar von Liebold/Raff/Wissing.