Businessnews 06.04.2022

Goldener Zahnersatz zum Ausdrucken – flexibel, wirtschaftlich und nachhaltig

Goldener Zahnersatz zum Ausdrucken – flexibel, wirtschaftlich und nachhaltig

Foto: C.HAFNER

Neben der Möglichkeit des digitalen CAD/CAM-Fräsens können Goldgerüste jetzt auch im 3D-Lasermeltingverfahren entstehen. Zahnarzt Heiko Grusche, Vertriebsleiter bei C.HAFNER in Wimsheim, gibt Auskunft über die Vorreiterrolle der Gold- und Silberscheideanstalt und erläutert die Vorteile, Eigenschaften sowie Abläufe des innovativen Verfahrens.

Herr Grusche, mit der Technologie, aus pulverförmigen goldhaltigen Edelmetalllegierungen mittels 3D-Drucktechnik Goldgerüste für den Zahnersatz herzustellen, ist C.HAFNER Innovationsführer. Was prädestiniert das Unternehmen für diese Vorreiterrolle und worauf basieren Ihre Erfahrungswerte?

C.HAFNER ist spezialisiert auf die Aufarbeitung und Verarbeitung von Edelmetallen. Seit fast 100 Jahren werden auch Edelmetalllegierungen für dentale Anwendungen hergestellt. Somit hat sich über die Jahre eine hohe Edelmetallkompetenz entwickelt. Im Zuge der Digitalisierung der Zahnmedizin hat C.HAFNER schon früh die Weichen gestellt, um auch die digitale Verarbeitung von Edelmetall zu ermöglichen. Mit Fräsen in Edelmetall im Jahr 2011 war das Unternehmen Pionier in der Branche. In der Zwischenzeit haben sich weitere digitale Verfahren wie z.B. Lasermelting etabliert. Da liegt es nahe, dass sich C.HAFNER auch mit diesen Technologien und deren Transformation in Bezug auf Edelmetall beschäftigt. Hinzu kommt eine Entwicklungskooperation mit der Firma TRUMPF, die 3D-Lasermelting Maschinen herstellt. Daraus konnte extrem viel Know-how im Bereich des 3D-Drucks von Edelmetallen aufgebaut werden, was nun für die Herstellung von Goldgerüsten für Zahnersatz genutzt werden kann. Obendrein betreibt C.HAFNER eine eigene hochmoderne Pulververdüsungsanlage, mit der das benötigte Edelmetallpulver selbst produziert wird. Schlussendlich schließt sich der Materialkreislauf mit der eigenen Aufarbeitung der Edelmetallabfälle. Somit ist die gesamte Prozesskette in einer Hand, und es besteht ein riesiger Erfahrungsschatz in der Edelmetallverarbeitung, was das Unternehmen prädestiniert, eine Vorreiterrolle auch im Bereich 3D-Druck von Gold einzunehmen.

Für welche Indikationen eignet sich das Verfahren?

Die additiv gefertigten Gerüste aus der hochgoldhaltigen Legierung Orplid CF (72 % Gold) sind für diese auch als Guss erhältliche Legierung vorgesehenen Indikationen freigegeben. Typischerweise geht es hier um Inlays, Onlays, Kronen, Brücken und Teleskope. Es handelt sich um eine Typ 4-Legierung, aus der auch weitspannige Brücken gefertigt werden können. Es gibt also keine Limitierungen in dieser Richtung. Zu beachten ist, dass die Legierung hoch expandierend ist, also mit Low-Fusing-Keramikmassen zu verblenden ist. Interessant sind zunehmend auch Anwendungen, die bisher nicht im Fokus lagen, z.B. die Herstellung von Retainern.

Trotz hoher Goldpreise: Wie hoch ist die derzeitige Nachfrage nach Gold im Mund und welche Vorteile birgt es gegenüber anderen Materialien?

Wir alle wissen, dass die Nachfrage nach Gold in den vergangenen Jahren stetig gesunken ist. Dafür gibt es mehrere Gründe, zum einen die Entwicklung der Edelmetallpreise, zum anderen die Entwicklung der Substitutionsprodukte (Keramik, NEM) und auch die Digitalisierung. Die beiden ersten Gründe können wir nicht beeinflussen, wohl aber die Darstellung der digitalen Prozesskette für Edelmetall. Wenn es gelingt, diese so einfach und anwenderfreundlich wie möglich zu gestalten, wird man auch mit Gold erfolgreich am Markt agieren können. Wir sind überzeugt, dass es einen Sockelbetrag an Edelmetall in der Zahnersatzversorgung geben wird, und dieser wird eben künftig immer mehr digital sein. Gold ist unbestritten einer der bewährtesten und verträglichsten Werkstoffe für Zahnersatz. Es ist beständig und hat letztendlich immer noch einen Materialwert, was den Werkstoff von allen anderen Zahnersatzmaterialien unterscheidet.

Worin sehen Sie die Vorteile der additiven Fertigung aus Edelmetallpulver gegenüber der CAD/CAM-Frästechnik?

Ein bedeutender Vorteil der additiven Fertigung gegenüber der Frästechnik ist aus Kundensicht die größere Geometriefreiheit bei der Konstruktion. Es können z.B. gezielt Hinterschnitte angelegt werden und es besteht die Möglichkeit, materialsparender zu konstruieren. Bei der Frästechnik ist man limitiert, weil nicht alle Stellen am Werkstück vom Fräser gleich gut zu erreichen sind. Ebenso ist die Herstellung sehr filigraner Strukturen, wie z.B. von Retainern, einfacher. Ein weiterer Vorteil ist natürlich die Vermeidung von Edelmetallabfällen, die ja bei der Frästechnik in großen Mengen in Form von Spänen anfallen und aufwendig recycelt werden müssen. Es wird nur der Anteil von Edelmetallpulver benötigt, der in das Werkstück und die Supportstrukturen einfließt. Das Restpulver aus dem Prozess kann aufbereitet und erneut verwendet werden.

Bitte beschreiben Sie möglichst detailliert Schritt für Schritt den kompletten Ablauf der Prozesskette – vom Abscannen durch den Zahnarzt bis zum fertigen Zahnersatz.

Der einfachste Weg ist der Start mit einem üblichen Intraoralscan. Auf dieser Basis konstruiert der Zahnarzt oder Zahntechniker dann die Gerüste. Die Übermittlung der Konstruktionsdaten im bekannten .stl-Format an C.HAFNER erfolgt ganz einfach über ein Versendetool und die Daten landen direkt im Auftragsverwaltungssystem von C.HAFNER. Hier werden sie auf Plausibilität geprüft und in die Bearbeitungssoftware für den 3D-Druck geladen. Es erfolgt die Platzierung auf der Bauplattform und die Fertigung. Nach dem 3D-Druck wird die Bauplatte einem speziellen Glühprozess unterzogen, um Spannungen in den Gerüsten auszuschalten. Anschließend werden die Objekte von der Bauplatte und den Supports getrennt und die Gerüste einer Qualitätskontrolle unterzogen. Nach dem Wiegen der Gerüste erfolgt nun der Versand an den Kunden zur Weiterverarbeitung, d.h. die gewohnten zahntechnischen Schritte wie Verschleifen der Supports, Keramikverblendung und Politur.

Wie integriert sich die additive Fertigung optimal in den Workflow des Zahnarztes und mit welchem Zeitbedarf für den 3D-Druck und die gesamte Prozesskette sollte der Zahnarzt rechnen?

Da in vielen Fällen bereits digitales Equipment in Form eines IO-Scanners oder eines Laborscanners vorhanden ist, lässt sich die additive Fertigung von Gold reibungslos, wie gerade beschrieben, in den Workflow integrieren. Einfach die Konstruktionsdaten an C.HAFNER versenden und drei Tage später die fertigen Gerüste erhalten. Auf Wunsch kann auch eine Expressbearbeitung erfolgen, sodass bereits am übernächsten Tag die Gerüste geliefert werden, woraufhin die übliche vorhin beschriebene Weiterverarbeitung mit keramischer Verblendung und Politur erfolgen kann.

Wie schätzen Sie die Wirtschaftlichkeit dieses Verfahrens ein, auch im Hinblick auf den Nutzen beispielsweise gegenüber der Frästechnik?

Beide Verfahren, Fräsen und Drucken als ausgelagerte Fertigung, sind für den Anwender wirtschaftlich, weil Fixkosten variabilisiert werden können – sie fallen nur bei tatsächlicher Nutzung an. Das klassische Equipment wie Gießgeräte und Vorwärmöfen sowie Verbrauchsmaterialien, wie Wachse, Einbettmassen etc., und Energie können eingespart werden. Selbstverständlich hat jedes Verfahren seine Vorteile, die vom 3D-Druck liegen hauptsächlich im Bereich der Materialersparnis – insbesondere im Hinblick auf die Freiheiten bei der Konstruktion.

Inwiefern handelt es sich bei dem Verfahren um eine „grüne Technologie“?

Bei der additiven Fertigung handelt es sich um ein ressourcenschonendes Verfahren, weil eben kaum Abfälle entstehen. Diese können zwar vollständig recycelt werden, fallen aber bei subtraktiven Verfahren in ungleich größeren Mengen an. Es muss also nicht so viel Ausgangsmaterial wie für die Frästechnik gefertigt werden. Es handelt sich also in jedem Fall um eine „grünere“ Technologie. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass das komplette Edelmetallrecycling bei C.HAFNER CO2-neutral ist. Das ist ein tatsächlicher und auch messbarer Beitrag zum Klimaschutz und weltweit einmalig.

Autor: Nadine Kunert

Das Interview ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

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