Marketing 22.09.2022

Mit Empfehlungen allein lassen sich Auftragsbücher nicht füllen

Mit Empfehlungen allein lassen sich Auftragsbücher nicht füllen

Foto: blacksalmon – stock.adobe.com

Viele Freiberufler und Unternehmer träumen davon, ihre Auftragsbücher rein mit Empfehlungen zu füllen. Ist dieser Traum realistisch? Meist nicht! Davon ist der Marketingberater Bernhard Kuntz überzeugt. Kuntz ist nicht nur Inhaber einer Marketing- und PR-Agentur sondern auch Autor der Beratungsmarketing-Fachbücher „Die Katze im Sack verkaufen“, „Fette Beute für Trainer und Berater“ sowie „Mit PR auf Kundenfang“.

Wie wichtig sind Empfehlungen für den Erfolg von Unternehmen?

Bernhard Kuntz: Empfehlungen sind Gold wert. Denn wenn ein Kunde einem Noch-nicht-Kunden ein Unternehmen oder Produkt empfiehlt, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass aus der Empfehlung ein Auftrag wird. Wer sich als Unternehmer bei der Neukundengewinnung aber rein auf Empfehlungen verlässt, ist in der Regel verlassen.

Warum?

Kunden sind mit dem Geben von Empfehlungen meist zögerlich. Denn sie wissen, wenn ich einer anderen Person zum Beispiel einen Dienstleister empfehle und die Zusammenarbeit läuft nicht wie gewünscht, dann ist der Empfehlungsnehmer verärgert. Und er denkt sich: Wie konnte der mir diesen Unterstützer empfehlen? Das heißt, eine Empfehlung ist für den Empfehlungsgeber stets mit einem gewissen Risiko verbunden. Entsprechend zurückhaltend sind Kunden meist mit dem aktiven Aussprechen von Empfehlungen. Deshalb können speziell Unternehmen, die einen Wachstumskurs verfolgen, rein mit Empfehlungen ihre Ziele meist nicht erreichen. Dasselbe gilt für Newcomer im Markt. Denn sie haben meist noch eine sehr überschaubare Zahl von Kunden. Also ist auch die Zahl der Personen klein, die sie überhaupt empfehlen können.

Eine Top-Leistung ist das A und O

Sind Empfehlungen Glücksache?

Nein! Empfehlungen sind zunächst einmal das Resultat einer Top-Leistung. Denn nur wenn ein Kunde mit einem Produkt oder einem Unternehmen rundum zufrieden ist, empfiehlt er dieses. Doch selbst hoch zufriedene Kunden sind mit dem Aussprechen von Empfehlungen meist eher zurückhaltend. Deshalb müssen Empfehlungen gezielt akquiriert werden. Zum Beispiel, indem man zu dem Kunden bei passender Gelegenheit sagt: „Kennen Sie noch einen anderen Unternehmer, für den unsere Leistungen interessant sein könnten?“ Doch Vorsicht! Wichtig beim Akquirieren von Empfehlungen ist, dass man auf die Kunden nie Druck ausübt. Denn dies belastet die Kundenbeziehung schnell. Zögert ein Kunde mit dem Geben von Empfehlungen, sollte man sich fragen: Warum? Ist er mit der Leistung doch nicht restlos zufrieden? Ist ihm das Risiko zu groß? Oder ...? 

Wen man nicht kennt, dem vertraut man nicht 

Kann man auch solche Social Media wie LinkedIn, Instagram und Facebook für das Empfehlungsmarketing nutzen?

Generell gilt: Empfehlungen sind umso wirksamer je intensiver die Beziehung zwischen dem Empfehlungsgeber und dem Empfehlungsnehmer ist. Hierfür ein Beispiel: Angenommen zwei Unternehmer spielen regelmäßig gemeinsam Golf. Das heißt, zwischen ihnen besteht eine persönliche Beziehung und sie können den jeweils anderen und dessen Meinung einschätzen. Dann hören sie in der Regel auch gerne auf die Empfehlungen des jeweils anderen. Anders ist dies, wenn die Unternehmer nur über die Social Media miteinander verbunden sind. Dann besteht zwischen ihnen keine persönliche Beziehung. Also können sie auch die Meinungen des jeweils anderen nur bedingt einschätzen. Dies setzt dem Empfehlungsmarketing über solche Plattformen enge Grenzen.

Gibt es Branchen, in denen das Empfehlungsmarketing wichtiger als in anderen ist?

Generell gilt: Empfehlungen sind umso wichtiger je risikobehafteter aus Kundensicht eine Kaufentscheidung ist.

Empfehlungen senken die Unsicherheit

Haben Sie hierfür ein Beispiel?

Angenommen eine Person möchte einen Laptop kaufen und sie hat von Technik keine Ahnung. Dann wird sie gerne auf die Empfehlungen von Freunden hören, von denen sie weiß: Die kennen sich mit der IT-Technik aus. Anders ist dies, wenn sie sich selbst hiermit gut auskennt. Dann fühlt sie sich auch alleine entscheidungsfähig. Also sind Empfehlungen für sie relativ irrelevant. Ähnlich ist es, wenn ein Produkt aus Kundensicht nur wenig kostet. Auch dann sind den Kunden Empfehlungen nicht so wichtig, weil sie denken: „Selbst wenn ich eine falsche Entscheidung treffe, ist das nicht schlimm. Denn dann verliere ich nur ein, zwei Euro.“ Anders ist es, wenn sie tief in ihr Portemonnaie greifen müssen. Dann sichern sie ihre Kaufentscheidung gerne durch Empfehlungen ab. Das heißt, wie wichtig Empfehlungen sind, hängt stark vom Charakter sowie Preis eines Produkts sowie vom Wissen und der Vorerfahrung der Kunden ab – und zwar branchenübergreifend.

Das Interview führte Ramon Lacher.

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