Marketing 06.02.2017
The War of Talents: Zur Knappheit der Humanressourcen
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Aktuell ist der Fachkräftemangel auf dem deutschen Wirtschaftsmarkt eine reale Herausforderung. Hierbei stellt das Personal eine erfolgskritische Ressource dar, da durch die Begrenzung der Ressourcen nicht nur die Nachfrage steigt, sondern somit auch der Preis auf dem Fachkräftemarkt. Doch wie gewinnt man geeignete Arbeitskräfte für die Praxis, wie können Kostenersparnisse bewirkt werden und welche Auswirkungen haben diese Erkenntnisse auf das Praxismanagement? In diesem ersten Beitrag zum „War of Talents“ werden die Grundlagen zum Thema erörtert.
Neun von zehn Unternehmen in Deutschland kalkulieren innerhalb des nächsten Jahrzehnts mit einem signifikanten Fachkräftemangel (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB). Daher bietet die strategische Ausrichtung der Arztpraxen durch Binnenmarketing, Employer Branding1 sowie angepasstes Führungsverhalten betriebliche Maßnahmen, um die Praxis zukunftssicher aufzustellen. Denn ohne Fachkräfte keine wertschöpfenden Organisationen und folglich auch kein Gewinn für die Praxisinhaber.
Personalentwicklung
Gegenwärtig besteht das Humankapital einer Zahnarztpraxis vorwiegend aus drei Generationen: Den Babyboomern (*1955 bis 1965), der Generation X (*1965 bis 1979) und der Generation Y (*nach 1980). Je nach situativer Ausprägung der Praxis gilt es, die diversen Generationen nicht nur nach ihren individuellen Merkmalen, sondern auch nach ihren generationsbedingten Qualifikationen durch das Praxismanagement zu führen (siehe Tabelle ). Hierbei sollten im besonderen Maße die Ausprägungen der Arbeits- bzw. Lernstile, Führungsverhalten, Kommunikationsformen und technische Fähigkeiten integriert werden.
Die Generation Y, die aktuell vorwiegend auf dem Fachkräftemarkt agiert, unterscheidet sich im Vergleich zu den tradierten Generationen sowohl in den qualitativen Fertigkeiten als auch in den Ansprüchen, die ein potenzieller Arbeitgeber für die gelungene Besetzung innerhalb einer Praxis erfüllen muss. Hierbei werden transparente Kommunikationsvorgänge, multimodales Multitasking, flache Hierarchien und lebenslange Lernprozesse fokussiert. Zeitgleich nimmt im Gegenzug der Anteil an erfahrenen Arbeitskräften zu, so- dass eine altersheterogene Zusammenarbeit im Praxisalltag unvermeidbar geworden ist.
In der Praxis können wir feststellen, dass durch die unterschiedlichen Anforderungen und Qualifikationen des Praxispersonals die gegenseitige Wertschätzung durch mitarbeiterorientierte Führung und die Berücksichtigung der spezifischen Unterschiede ein essenzieller Bestandteil für eine erfolgreiche und zukunftstragende Praxis ist.
Veränderung der Organisationskultur
Das Ziel einer jeden Zahnarztpraxis ist es, durch die kompetente und erfolgreiche Behandlung der Patienten Gewinn zu erzielen, der den Praxiswert steigert.
Die primären Funktionen einer wertschöpfenden Organisation sind unmittelbar in den Produktionsprozess eingebunden. Die sekundären Funktionsbereiche, wie z.B. die Praxisorganisation und das Personalmanagement, beeinflussen den Produktionsprozess in einer Praxis eher passiv. Darüber hinaus integrieren sie Tätigkeitsbereiche, die es den direkt wertschöpfenden Praxisaktivitäten erst ermöglichen, das komplette Erfolgsvolumen auszuschöpfen. Folglich ist es essenziell, dass die Deckung des zukünftigen Fachkräftebedarfs sichergestellt wird, da ohne die sekundär wirkenden Fachkräfte keine erfolgreiche Behandlung durch den Zahnarzt erfolgen kann.
Durch die geringe Anzahl der Kohorte der aktuell in den Arbeitsmarkt eintretenden Generation Y entsteht ein Wettkampf um qualifizierte Arbeitskräfte, da die Variablen bzw. die Ansprüche von Praxen beinahe identisch sind. Es ist ein Wandel des Arbeitsmarktes zu verzeichnen: Der Angebotsmarkt entwickelt sich zu einem Nachfragemarkt. Aus diesem Grund ist es für Unternehmen zwingend notwendig, innovative Wege bzw. Veränderungen der aktuellen Organisationskultur zu erzeugen.
Als elementare Handlungsoption gilt das Employer Branding, das das Unternehmen dabei unterstützt, die Aufmerksamkeit auf dem Arbeitsmarkt gegenüber konkurrierenden Arztpraxen auf sich zu lenken und eine unverwechselbare Identität des Unternehmens zu kommunizieren.
Ihre Ziele für das Employer Branding sollten in Ihre strategische und operative Unternehmensplanung integriert werden, denn durch eine positive Reputation der Praxis ziehen Sie nicht nur Patienten, sondern auch potenzielle Bewerber für Ihre Praxis an.
Moderne Arbeitsplatzwünsche
Der vorherrschende qualitative und quantitative Engpass an Fachkräften erlaubt es den Arbeitssuchenden, ihren zukünftigen Arbeitgeber weitestgehend auszusuchen.
Potenzielle Wunscharbeitgeber haben sich auf den Wandel der Generation Y und die daraus resultierenden modernen Arbeitsplatzwünsche eingestellt. Hierbei spielt neben der Integration von digitalen Medien auch eine Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen durch Lebensphasenorientierung eine signifikante Rolle.
Der klassische Arbeitslebenszyklus einer Fachkraft ist heutzutage zunehmend mit Brüchen versehen, sodass die Praxisleitung die potenziellen Arbeitskräfte in der aktuellen Lebensphase abholen und diverse Optionen für die individuellen Anforderungen bereitstellen müssen. Besonders hervorzuheben sind die Faktoren der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Selbstverwirklichung und die Verpflichtung, sich in einer späteren Phase des Berufslebens um pflegebedürftige Eltern zu kümmern (Elder Care).
Ebenfalls kann das Commitment zum Arbeitgeber durch Verantwortungsübernahme und Selbstbestimmung in den auszuführenden Tätigkeitsfeldern gesteigert werden. Annehmlichkeiten, wie zum Beispiel flexible Zeiteinteilung oder kostenlose Verpflegung innerhalb der Praxis, können den Arbeitnehmer langfristig an die Arztpraxis binden. Diese strategische Berücksichtigung bewirkt massive Kostenersparnisse, da keine Ressourcen aufgewendet werden müssen, um erneut Fachangestellte auf dem Markt für sich zu gewinnen.
Insgesamt können Sie den individu ellen Bedarf an Flexibilisierung durch regelmäßig durchgeführte Mitarbeitergespräche erkennen und entsprechend reagieren. Diese Austauschprozesse dienen als Anregung für Verbesserungen in der Praxis und erhöhen die Zufriedenheit bzw. Bindungsprozesse der Arbeitnehmer.
Führung in Zahnarztpraxen
In der Arbeitswelt von Generation Y und digitaler Kommunikation stellt sich auch die Frage nach neuen Anforderungen an die Führung der Praxis.
Das professionelle Personalmanagement ist eine zentrale Führungsaufgabe geworden, die direkte Auswirkungen auf das Betriebsklima, das Employer Branding und die Motivation der Arbeitnehmer hat. Hierbei sollten die Rollendefinitionen und Aufgabenverteilungen innerhalb des Praxisteams klar definiert und transparent kommuniziert werden, um Defizite im Arbeitsablauf zu vermeiden. Zunehmend kann der Praxiseigentümer je nach Aufgabensegmentierung als Unternehmer mit Verantwortung für das Geschäft, als behandelnder Zahnarzt, als Sachbearbeiter für bürokratische Angelegenheiten oder als Personalchef fungieren. Diese Rollenungewissheit und Steigerung der Komplexität der Aufgaben durch eine Vermischung der Generationen kann die Kompetenzanforderungen der Praxisleitung überschreiten. Daher werden aktuell vermehrt Business-Coaches in die Praxen integriert, um passende Managementstrategien für die Praxisleitung und die Steige rung der Leistungsfähigkeit des Teams zu entwickeln (mehr zu diesem Thema im zweiten Teil dieses Beitrags).
Es kann festgehalten werden, dass für jede Praxis eine klare Aufteilung von Aufgaben und Befugnissen durch regelmäßige Teambesprechungen förderlich ist, um Misskommunikation und defizitäre Handlungsabläufe auszuschließen. Auch können die Formierung eines Führungsteams bzw. das Einstellen eines Praxismanagers die innerbetrieblichen Variablen ordnen und eine zeitgemäße Leitung ermöglichen.
Fazit
Sowohl durch interne als auch durch externe Maßnahmen kann eine zukünftige Deckung des Fachkräftebedarfs in den Zahnarztpraxen sichergestellt werden. Hierbei können Employer Branding, Kommunikation und Flexibilität der Ressourcenknappheit entgegenwirken, um die Praxis zukunftssicher aufstellen.
Dieser Beitrag erschien erstmalig in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 1+2/17.