Personalmanagement 21.11.2022

Frauen in Führung: Nicht Kür, sondern Zukunft

Frauen in Führung: Nicht Kür, sondern Zukunft

Foto: Who is Danny – stock.adobe.com

Ob Labore, Standespolitik oder Konzerne: Es gibt in der Dentalbranche nach wie vor nur wenige Frauen in Führungspositionen. Das muss sich dringend ändern! Dieses Ziel setzt sich Dr. Karin Uphoff und arbeitet an diesem Ziel als Gründerin des ladiesdentaltalk und Trainerin für Führung und Selbstführung seit vielen Jahren aktiv in der Branche. Angesichts der Herausforderungen, gutes Personal zu finden und mit den Unwägbarkeiten der Branche umzugehen, ist Vielfalt auf der Führungsebene unabdingbar.

Carola ist Zahnärztin und leitende Oberärztin an einer großen Uniklinik. Seit mehreren Jahren schon kümmert sie sich um die Geschicke der Abteilung. Kürzlich hat sie ihre Habilitation abgeschlossen und sich nun auf eine Professur an einer anderen Universität beworben. Wie sich herausstellt, ist sie die Einzige unter den Bewerbenden, die umfassende Führungserfahrung hat. Dennoch ist sie die Einzige, deren Führungskompetenz in dem Bewerbungsgespräch hinterfragt und umfassend geprüft wird. Ob sie sich eine solche Position denn auch wirklich zutraue – aufgrund ihres Kindes und so …

Warum dieser (unbewusste) Unterschied?

Führung ist – und ja, auch heute noch, wie Studien zeigen – nach wie vor männlich konnotiert. Führung wird mit Stärke, Macht, Herrschaft, Kontrolle und ständiger Präsenz in Verbindung gebracht und oft auch mit militärischen Begriffen kombiniert – „Der Chef hat die Truppe hinter sich oder führt ein hartes Regiment“. Diese Begriffe ordnet die Gesellschaft ­intuitiv eher Männern zu. Und damit fühlt sich die Kombination von Mann und Führungskraft stimmig an. Bei der Nutzung der Begriffe Frau und Führung in einem Satz entsteht hingegen eine Dissonanz. Entweder die weibliche Führungskraft kann Führung nicht oder wenn sie es kann, wird sie schnell als hart, zickig, männlich und damit unsympathisch abgestempelt.

Zu diesem Ergebnis kommen Studien, bei denen Probandinnen und Probanden zu Bewerbungsschreiben befragt wurden, die sich nur in einem Punkt unterschieden: Die einen waren mit einem männlichen und die anderen mit einem weiblichen Vornamen versehen. Auch in der „aufgeklärten“, progressiven Unternehmenswelt halten sich Stereotype hartnäckig. So lautet beispielsweise ein beliebter Titel zum Thema Frauen und Führung „Frauen führen anders“. Damit wird indirekt gesagt, dass es einen Standard für Führung gibt, von dem Frau abweicht. Und dieser Standard ist männlich geprägt.

Wie führen denn Frauen?

Welchen Führungsstil bevorzugen Frauen eigentlich? Auch dazu gibt es vielfältige Studien und Befragungen. All diese Studien zeigen, dass Frauen tendenziell beteiligender, team- und beziehungsorientierter führen. Laut einer Untersuchung des Verbandes deutscher Unternehme­­- innen setzen Frauen beispielsweise mehr auf Kreativität, Fürsorglichkeit und Teamfähigkeit, auf eine intensive Bindung zu ihren Kundinnen und Kunden, eine gute Beziehung zu Mitarbeitenden sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Spielt dieser Unterschied eine Rolle?

Nun könnte man sagen: Gut, die einen führen so und die anderen so. Wo ist das Problem? Tatsächlich haben sich die Anforderungen an Führung in den letzten Jahren deutlich verändert. Weil sich die Welt rasant verändert hat. Und es zeigt sich, dass der klassische – eher männliche – Führungsstil dafür nicht mehr ausreicht.

Komplex statt kompliziert

Führung war viele Jahrzehnte typischerweise personenbezogen, hierarchisch, Regeln vorgebend und kontrollierend. Diese Art der Führung hat sich im Indus­triezeitalter entwickelt und war konzipiert für Führung in einer „komplizierten“, überschaubaren und einfach strukturierten Welt, in der es Werkzeuge und Lösungen für jedes Problem gibt.

Durch die Globalisierung und Digitalisierung sind die Herausforderungen für Unternehmen vielfältig, zum Teil unkalkulierbar und unüberschaubar geworden. Sie agieren in einem unsicheren Umfeld, unter sich manchmal schnell verändernden Situationen, wie die vergangenen zwei Jahre eindrücklich gezeigt haben. Sie finden somit nicht mehr nur komplizierte Zusammenhänge vor, sondern müssen in einer „komplexen“ Welt navigieren. In komplexen Systemen funktioniert hierarchische Führung (eindimensional, top down) nicht mehr, sie ist zu langsam und einseitig. Heute wird Schwarm­intelligenz benötigt, also das Mitwirken und Mitdenken aller. Unternehmen und Organisationen brauchen dafür eigenverantwortlich agierende, engagierte Mitarbeitende.

Und diese brauchen eine teamorientierte, beteiligende, ermutigende Führung, und eine solche Art von Führung wird tendenziell eben häufiger von Frauen praktiziert. Welch positive Auswirkungen sie auf die Performance eines Unternehmens hat, geht aus einem McKinsey-Bericht hervor. Demnach erzielen Unternehmen mit einer ausgewogenen Beteiligung von Männern und Frauen einen 56 Prozent höheren Betriebsgewinn als rein männlich besetzte Unternehmen.

Und warum gibt es dann in den Unternehmen ­trotzdem nur so wenige Frauen?

Gute Frage. Ein entscheidender Faktor sind die bereits genannten in uns schlummernden Stereotypen und weil wir gerne „Mini-Mes“ auswählen. Heißt: Wenn es hauptsächlich Männer in der Führungsrolle gibt, werden sie (unbewusst) eher auch wieder Männer einstellen. Diesen Kreislauf gilt es zu durchbrechen, indem aktiv Frauen einbezogen und/oder eine bestimmte Quote eines jeden Geschlechts vereinbart wird.Wichtig ist außerdem, dass die oberste Führungsebene Vielfalt und beteiligende Führung unterstützt. Denn solange Führung klassisch von oben herab gestaltet wird, wenn es noch vorrangig um „Macht, Druck und Kontrolle“ geht, entscheiden sich viele Frauen und übrigens auch junge Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht ganz bewusst dagegen. Frauen (und junge Menschen) haben andere Vorstellungen von einem „erfolgreichen“ Arbeiten. Für sie gehören Werte, Sinn und ein konstruktives Miteinander essenziell zu guter (Führungs-)Arbeit und Teamentwicklung. Und wenn das im Unternehmen, in der Organisation oder Institution, nicht gegeben ist, verlassen diese das Unternehmen: emotional oder physisch. Quasi „Ausstieg statt Aufstieg“.

In dieser Herausforderung liegt gleichermaßen die Chance für Unternehmen, die in Zukunft (weiterhin) erfolgreich sein wollen: Indem sie Fach- und Führungsfrauen in ihrer Präsenz stärken und ihnen Raum bieten, ihr Potenzial zu entfalten, verändern sie Führung und Miteinander. Und stärken damit ihre Attraktivität für engagierte Mitarbeitende.

Frauen bringen den Wandel. Frauen SIND der Wandel. Und das Großartige dabei ist: Dieser Wandel tut ALLEN gut.

Der Artikel ist in der ZWL Zahntechnik Wirtschaft Labor erschienen.

Autorin: Dr. Karin Uphoff www.connectuu.de

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