Praxismanagement 25.11.2022

Stadt Praxis Land: Alleskönner Landzahnarzt!



Stadt Praxis Land: Alleskönner Landzahnarzt!

Foto: Michael Heide/Markus Ostermeie

Auf dem Land gibt es keine Spezialisten, die können alles nur ein bisschen. Ein böses Vorurteil, oder liegt vielleicht gerade in diesem Generalistentum die Herausforderung? Für Dr. Florian Schwindler aus Oberviechtach ist klar: Genau das macht den Reiz als Landzahnarzt mit aus. Er kehrte 2014 der Anonymität der Großstadt bewusst den Rücken und gründete seine eigene Praxis als Generalist, der mehr können muss, als böse Zungen von einem Landzahnarzt erwarten.

Herr Dr. Schwindler, was hat Sie veranlasst, in Oberviechtach eine Praxis zu eröffnen?

Meine Frau und ich haben unseren Lebensmittelpunkt in die Heimat zurückverlegt: Ich mit der Absicht, eine Praxis zu eröffnen, und meine Frau konnte diesen Schritt in die Selbstständigkeit – gerade auch aufgrund des familiären Rückhalts – nach fünf Jahren mit ihrer Kinderarztpraxis wagen. Unser beider Eltern wohnen jeweils nur 15 Kilometer von Oberviechtach entfernt, das ist mit Kindern natürlich ideal. Im Notfall kann schnell mal jemand einspringen. Vor meiner Praxisgründung habe ich in fünf verschiedenen Praxen als Zahnarzt in Ausbildung, angestellter Zahnarzt und als Praxisvertreter gearbeitet und wusste so ganz genau, was ich für meine Selbstständigkeit will – das habe ich dann versucht, mit meiner jetzigen Praxis bestmöglich umzusetzen.

Wie lief dieser Gründungsprozess ab?

Wir wollten zurück in die Heimat und gerade aufgrund der Nähe der Region wusste ich natürlich auch um die Versorgung hier vor Ort. Ein Zahnarzt war bereits in Rente gegangen, eine andere Zahnärztin plante ihren zeitnahen Austritt – diese Lücke wollte ich füllen. Am Anfang standen auch direkt Räumlichkeiten bereit, leider kam es aber zu rechtlichen Schwierigkeiten und ein anderer Zahnarzt übernahm diese Praxisräume. Da hieß es erst mal: Neue potenzielle Räume suchen. Und ich würde mal sagen, da war ich doch sehr erfolgreich. Zusammen mit der Vermieterin bin ich in die genaue Planung gegangen und konnte so nahezu meine Wunschpraxis kreieren. Diese Phase war für mich – sowohl beruflich als auch privat – eine spannende und aufreibende Zeit: Am 30. Juni 2014 kam unser erstes Kind zur Welt, am 1. Juli 2014 haben wir die Praxis eröffnet.

Was macht für Sie den Praxisstandort Oberviechtach konkret aus? Was sind die Vorteile einer Praxis in ländlicher Region und was vielleicht auch Nachteile?

Auf dem Land kennt jeder jeden – das ist nicht nur ein doofer Spruch, das ist tatsächlich so. Anonymität gibt es hier nicht: Meine Mitarbeiter treffe ich regelmäßig zufällig im Ort und auch Patienten sieht man nicht nur zur Behandlung. Für diese Nähe muss man einfach der Typ sein. Auf dem Land gibt es weniger kulturelle Veranstaltungen, das nächste Theater oder die nächste Oper sind ein Stück entfernt. Aber wenn ich ehrlich bin, würden wir das zeitlich – gerade mit unseren Kindern – auch nicht mehr schaffen. Für mich persönlich hat das Leben und Arbeiten auf dem Land mehr Vor- als Nachteile: Meine Familie ist in unmittelbarer Nähe, es sind hier im Ort kurze Wege zur Schule und zum Kindergarten und auch die Lebenshaltungskosten sind erschwinglicher als in der Großstadt. Entscheidet man sich hier für eine Praxis, muss aber klar sein: Man tritt als Generalist auf.

Spezialisierung und Landzahnarztpraxis schließen sich kategorisch aus. Was sagen Sie dazu?

Ja und nein. Eine spezialisierte Praxis ist zwar möglich, aber es ist tendenziell schwieriger. Es gibt natürlich aber auch immer Ausnahmen. Auf dem Land ist man in den meisten Fällen aber Generalist. Man muss sich bewusst sein, dass alle Arbeiten anfallen können, was auch heißt, dass man das eigene Handwerk wirklich gut beherrschen muss. Morgens Wurzelbehandlung, mittags ausgeschlagener Zahn und nachmittags eine Kariesbehandlung sind keine Seltenheit. Als Zahnarzt auf dem Land muss man bereit sein, sich allen Herausforderungen zu stellen. Alle Patienten, so groß oder klein der Fall sein mag, sollen mit gleicher Qualität behandelt und nicht nur weitergeschickt werden. Lieblingsaufgaben gibt es da vielleicht, aber zu sagen: Heute steht es mir nicht nach Wurzelbehandlung – geht nicht. Immer noch von großer Bedeutung ist da die gute alte Mundpropaganda. Fehler können zwar immer passieren, aber gerade hier im ländlichen Raum sprechen sich diese auch schnell herum und dann kann es das gewesen sein.

Es wird immer wieder behauptet, Praxen auf dem Land würden sich nicht rechnen oder seien nicht wirklich wirtschaftlich. Wie sehen Sie das?

Es kann bestimmt wirtschaftlich schwierig sein, würde es sich aber nicht lohnen, würde ich es ja nicht machen. Fairerweise muss man aber sagen, dass die Selbstzahlerleistungen nicht mit den Preisen aus der Großstadt mithalten können, auf der anderen Seite habe ich aber auch geringere Nebenkosten. So ist eine Praxis auf dem Land durchaus rentabel. Ich war Regensburger Preise gewohnt, und die sind überhaupt nicht mit dem zu vergleichen, was man hier für einen Einkauf beim Bäcker oder Metzger bezahlt. Man verdient vielleicht ein bisschen weniger, kann sich aber durchaus den gleichen Lebensstandard leisten.

Was müsste Ihrer Meinung nach die Standespolitik tun, um das Praxissterben auf dem Land aktiv abzuwenden?

Schwierig – ich weiß nicht, ob die Bundeszahnärztekammer darauf einen großen Einfluss haben kann, denn Lebensvorstellungen angehender Praxisgründer sind wahrscheinlich nur selten beeinflussbar. In der Allgemeinmedizin ist eine Landarztquote im Gespräch, Ärzten oder Studienanwärtern wird eine Praxis bzw. ein Studienplatz angeboten, wenn sie sich verpflichten, in den ländlichen Gebieten zu arbeiten. Aber kann das wirklich langfristig zielführend sein? Ich weiß es nicht. Ich denke, dass das Problem eher bei den zu geringen Behandlungszeiten im Vergleich zum notwendigen Behandlungsbedarf oder auch der schwierigen Vereinbarkeit von Familie und Selbstständigkeit liegt. Es sollte dort angesetzt und Modelle entwickelt werden, die es beispielsweise jungen Kolleginnen und Kollegen möglich macht, eine Selbstständigkeit und die Familie miteinander gut zu vereinen.

Was braucht es Ihrer Meinung nach, um Zahnmedizin abseits der Metropole erfolgreich und sinnstiftend umsetzen zu können?

Möchte man auf dem Land als Zahnarzt erfolgreich sein, muss man bereit sein, sich zu integrieren. Pendeln funktioniert da nicht, sondern man muss in dem Ort leben und sich gesellschaftlich verwurzeln, wenn man dort erfolgreich arbeiten möchte. Mit der gleichen Anonymität wie in der Großstadt wird das hier einfach nichts. Mein Ratschlag wäre daher: Lassen Sie sich auf Land und Leute ein, denn ländliche Regionen bieten mehr, als man denken mag!

Gutes Personal finden - keine leichte Aufgabe!

„Vernünftiges und gutes Personal zu nden, ist immer schwierig – ganz unabhängig von Land oder Stadt. Wichtig ist, das Personal, was man hat und schätzt, gut zu pegen. Ich gönne mir daher den Luxus einer zusätzlichen Mitarbeiterin, so können wir Ausfälle, Urlaub und so weiter gut abfedern. Das reduziert die Wartezeiten deutlich, es gibt keine langen Schließzeiten und Patienten sowie Mitarbeiter sind zufriedener. Die Arbeit teilt sich bei uns mit mehreren Behandlern gut auf. Die typische Einzelkämpferpraxis wird auch hier bei uns auf dem Land auf Dauer aussterben.“ Dr. Schwindler

Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

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