Branchenmeldungen 11.08.2022
LandZahnWirtschaft: Aus Liebe zur Heimat zurück aufs Land
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Jede Standortwahl ist eng mit der eigenen Biografie verbunden: So wagte die Zahnärztin Sabrina Mayrhofer aus Liebe zur Heimat den Schritt in die Selbstständigkeit im ländlichen Raum. Im Interview spricht die junge Zahnärztin über die Vorteile einer Landpraxis und zeigt damit, dass sich der Standort – wirtschaftlich, fachlich als auch menschlich – mehr als lohnt. Es ist alles nur eine Frage der Perspektive.
Frau Mayrhofer, was hat Sie veranlasst, am Standort Aidenbach im Landkreis Passau eine Praxis zu eröffnen?
Ich komme ursprünglich aus der Nähe von Aidenbach, und da ich seit jeher ein sehr heimatverbundener Mensch bin, fiel mir die Standortwahl nicht schwer. Eine Praxis in einer Großstadt kam für mich von Anfang an nicht infrage. Ich wollte das Kleinstadtflair täglich um mich haben, die Ruhe und umgebende Natur. Das kann eine Großstadt einfach nicht bieten. Außerdem wollte ich gerne auch wieder in der Nähe meiner Familie wohnen, und so bin ich im niederbayrischen Aidenbach gelandet – im selben Gebäude, in dem auch mein Bruder mit einer Jugendhilfeeinrichtung ansässig ist.
Was sind für Sie Vorteile einer Praxis in ländlicher Region?
Mit einem Standort in ländlicher Region ist man nicht bloß Zahnarzt, sondern kennt die Menschen auch auf einer ganz persönlichen Ebene – das gefällt mir. Patienten reden mit mir auch über Privates, da sie wissen, dass sie bei mir immer ein offenes Ohr finden. Man begegnet sich auch mal außerhalb der Praxis und baut so ein ganz anderes Vertrauensverhältnis zueinander auf. Ich schätze das sehr, denn für mich ist die Anonymität der Großstadt nichts. Durch diese Nähe steht der Patient immer auch als ganze Person im Mittelpunkt und nicht „nur“ seine zahnärztliche Behandlung. Ich habe mich damals direkt nach meiner Assistenzzeit im Oktober 2019 selbstständig gemacht. Dabei habe ich Räumlichkeiten einer ehemaligen Zahnarztpraxis übernommen, aber nach Renovierung und Modernisierung meine eigene Praxis neu gegründet und den jetzigen Patientenstamm von null aufgebaut. Das Finden von gutem Personal in der ländlichen Region kann eine Herausforderung sein, aber da ich gut vernetzt war, fand ich relativ schnell Zahnmedizinische Fachangestellte. So hatte ich schon früh mein Team zusammen, die alle mit mir gemeinsam meinen Traum verwirklichen wollten. Privat lief es bei mir zu dieser Zeit allerdings weniger gut. Meine Mutter lag zu dieser Zeit aufgrund einer Krebserkrankung im Krankenhaus und verstarb dann leider zwei Wochen nach der Eröffnung meiner Praxis. Ohne ihre Unterstützung und guten Ratschläge hätte ich den Schritt in die Selbstständigkeit wohl nie so rasch gewagt. Sie war in dieser Hinsicht mein großes Vorbild, denn sie ging selbst, Jahre zuvor, den Schritt in die Selbstständigkeit und gründete im gleichen Alter eine Praxis für Ergotherapie sowie eine Schule zur Ausbildung von Ergotherapeuten. Als sie erkrankte, wollte ich in ihre Fußstapfen treten und ihr zeigen, dass ich meinen Weg gehe und sie sich keine Sorgen um mich machen braucht. Durch sie weiß ich, was Durchhaltevermögen, Ideenreichtum und Unternehmergeist sind
Es wird immer wieder behauptet, Praxen auf dem Land würden sich nicht rechnen – Wie sehen Sie das?
Natürlich hat man in der Großstadt häufig ein anderes, größeres Patientenklientel, aber dafür sind die Kosten auch sehr viel höher! Auf dem Land hat man die Möglichkeit, große Räumlichkeiten zu einem fairen Preis anzumieten. Wir haben Parkplätze direkt vor der Tür, und auch der finanzielle Druck, die Praxis gewinnbringend zu führen, ist um einiges geringer. Unabhängig davon gibt es sowohl in der Großstadt als auch auf dem Land immer Behandlungsbedarf. Jeder bekommt früher oder später einmal Zahnschmerzen und die konservierende Therapie und eventuell nötige prothetische Versorgung wird natürlich auf dem Land genauso durchgeführt wie in der Stadt. Nach meiner Erfahrung ist die Praxisbindung hier bei uns wesentlich höher als in der Stadt. Der Zahnarzt wird hier nur selten gewechselt, eben weil es viel familiärer ist, es aber auch nicht so viele Behandler gibt. Das ist ein klarer Vorteil des Standorts.
Was sollten junge Zahnärzte mitbringen, wenn sie auf dem Land praktizieren möchten und wie „tickt“ der ländliche Standort?
Man muss in erster Linie mit Menschen umgehen können und ihnen auch zuhören. Wenn man dann noch sauber arbeitet, schätzen einen die Patienten schnell, fühlen sich wohl und kommen gerne wieder. Neuigkeiten verbreiten sich hier schnell, ist ein Patient zufrieden und fühlt sich gut aufgehoben, wird er davon erzählen. Wenn man dann auch nicht nur die teuerste Behandlung verkaufen will, sondern dem Patienten ehrlich sagt, dass er mit der einfachen Versorgung vermutlich genauso gut fährt, kommen die Patienten von alleine wieder.
Dieses Interview ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 7+8/2022 erschienen.