Praxismanagement 12.06.2013
Der Patient als Qualitätsleitstern
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Qualitätsorientierung in der kieferorthopädischen Praxis
Qualität
ist das ständige Streben nach der Begegnung mit der Vollkommenheit, und
zwar mit dem Ziel der Patientenzufriedenheit. Es genügt nicht, wenn
sich der Kieferorthopäde allein mit dem Thema beschäftigt – vielmehr
muss das gesamte Praxisteam vom Willen zur ständigen
Qualitätsverbesserung infiziert sein. Notwendig ist die Etablierung
einer Total Quality Kultur, die die Arbeit des Kieferorthopäden und des
Teams sowie alle Arbeitsprozesse betrifft. Leitstern dabei: der Patient –
die Patientenorientierung ist der zentrale Aspekt des
Qualitätsbewusstseins.
Qualitätslücken schließen
Der
erste Schritt in Richtung eines effektiven Qualitätsmanagements
besteht darin, bei allen Mitarbeiterinnen ein Qualitätsbewusstsein zu
wecken und in der Definition dessen, was unter „Qualität in der
kieferorthopädischen Praxis“ überhaupt verstanden werden soll. Dies
sind Führungsaufgaben – der Kieferorthopäde erläutert im Teammeeting
die Bedeutung der Qualität für die Existenz der Praxis und richtet sein
Qualitätsmanagement stets an der Praxisvision, seinen Zielsetzungen
und vor allem an den Patientenerwartungen aus. Schriftliche
Patientenbefragungen und regelmäßige Gespräche mit den Patienten helfen
ihm, diese Erwartungen genau kennenzulernen. Auf dieser Basis werden
alle Praxisabläufe einem Qualitätscheck unterzogen, um daraus
Aktivitäten und Maßnahmen abzuleiten, die helfen, den angestrebten
Qualitätsstandard zu erreichen. Letztendlich definiert der
Kieferorthopäde also einen gewünschten Qualitäts-Sollzustand, um ihn mit
dem Qualitäts-Istzustand abzugleichen und den Qualitätslücken auf die
Spur zu kommen, die durch geeignete Maßnahmen geschlossen werden müssen.
Ist es für den Kieferorthopäden also von besonderer Bedeutung, dass
seine Mitarbeiterinnen nicht nur fachlich kompetent, sondern auch sehr
patientenzugewandt agieren, dies jedoch bei der einen oder anderen
Mitarbeiterin nicht der Fall ist, schickt er diese Mitarbeiterinnen zum
Beispiel auf eine Fortbildung.
Qualitätsorientierung spielt in der kieferorthopädischen Praxis eine große Rolle. © B. Franklin
Qualität der Patientenkontakte im Fokus
Die
Qualitätsdefinition und die konkrete Ausformulierung der
Qualitätsstandards muss jeder Kieferorthopäde in „eigener Regie“
festlegen – aber mit einiger Wahrscheinlichkeit wird wohl immer die
Qualität der Patientenkontakte und damit die Kommunikationskompetenz der
Mitarbeiter einen elementaren Qualitätsaspekt darstellen. Das bedeutet:
Der Kieferorthopäde definiert, welche Merkmale einen qualitativ
hochstehenden Patientenkontakt auszeichnen. Dabei kann er zwischen den
verschiedenen Phasen eines Patientengesprächs unterscheiden – etwa
Terminvereinbarung am Telefon, Begrüßung, Vertrauensaufbau, Gespräch mit
dem Kieferorthopäden, Behandlung und Therapie, Verabschiedung – und
jeweils individuelle Qualitätskriterien festlegen. Diese sollten
möglichst messbar und nachprüfbar sein. Denn nur so kann eine genaue
Beurteilung darüber erfolgen, welche Qualität zum Beispiel die
Terminvereinbarungen zurzeit haben, also eine Bewertung des Istzustandes
vorgenommen werden. Auf dieser sicheren Analysebasis gleicht der
Kieferorthopäde die Qualitätskriterien mit dem zuvor definierten
Sollzustand ab. Eine wichtige Frage dabei lautet: Wie lässt sich der
qualitative Istzustand möglichst zweifelsfrei feststellen? Eine Option
ist, die Qualitätsüberprüfung in der Praxis selbst vorzunehmen, zum
Beispiel durch einen externen Qualitätsmanagement-Berater, der den
Qualitäts-Istzustand analysiert und Verbesserungsvorschläge
unterbreitet. Dieser Berater kann einen unbefangen, neutralen Blick auf
die Praxisprozesse und insbesondere auf die Mitarbeiterkompetenzen
werfen.
Beschwerden als Quelle für Qualitätsverbesserungen
Ein
entscheidendes Kriterium bei der Festlegung des Qualitätsstandards
sollte selbstverständlich die Wahrnehmung des Patienten sein.
Sicherlich: Der Kieferorthopäde wird eigene, wohl sehr konkrete
Vorstellungen haben, was er den Patienten bieten möchte. Was aber
wünscht der Patient selbst? Konkreten Anlass zur Verbesserung der
Qualität geben meistens die Kritikpunkte oder die Patientenbeschwerden.
Dazu braucht es ein Klima in der Praxis, in dem das Team Kritik und
Beschwerden nicht als Angriffe versteht, sondern als Chancen zur
Verbesserung. Die entsprechende Einstellung dazu müssen sich
Kieferorthopäde und Mitarbeiter erarbeiten: „Hurra, eine Beschwerde,
danke, dass Sie uns helfen, besser zu werden!“ Bei einer Beschwerde
räumt die Mitarbeiterin den Beschwerdegrund zunächst aus und fragt dann:
„Vielen Dank, dass Sie die Mühsal auf sich genommen haben, uns Ihre
Beschwerde vorzutragen. Wir nehmen sie gerne als Anregung, unsere
Qualität zu verbessern. Gibt es Ihrer Meinung nach weitere
Schwachstellen bei uns?“ Durch diese offensive und aktive Vorgehensweise
entwickelt sich das Beschwerdemanagement zum innovativen
Qualitätsmanagement. Der Kieferorthopäde und sein Team interpretieren
Beschwerden nicht nur als zweite Chance, den unzufriedenen Patienten
doch noch an die Praxis zu binden, sondern als innovative Anregungen,
Schwachstellen aufzuspüren und auszumerzen.
Die Qualitätsbrille des Patienten aufsetzen
Zudem
nutzt der Kieferorthopäde Patientenbefragungen, um die
Qualitätserwartungen der Patienten in Erfahrung zu bringen. Die
Befragung sollte dem Patienten auf jeden Fall die Möglichkeit eröffnen,
Gründe für seine Unzufriedenheit anzugeben. Eine Skalierung der
Antworten etwa durch das Schulnotensystem oder eine sonstige Notengebung
genügt nicht. Besser ist es, wenn der Patient seine Bewertung
detailliert begründen und Ursachen für seine Unzufriedenheit
ausformulieren kann: „Sind Sie mit den Beratungsgesprächen in der Praxis
zufrieden?“ – diese geschlossene Frage ist zu unspezifisch.
Aussagekräftiger ist es, wenn der Patient darstellt, warum er
unzufrieden ist. Der große Vorteil: Der Kieferorthopäde erhält so
Hinweise, welche Praxisprozesse Zufriedenheit und Begeisterung bzw.
Unzufriedenheit in den Bereichen erzeugt, die dem Patienten wichtig
sind. Indem er sich die Qualitätsbrille des Patienten aufsetzt, kann er
diejenigen aus Patientensicht entscheidenden Qualitätsmerkmale
entwickeln, welche aktuell Unzufriedenheit hervorrufen.
Qualitätsbriefkasten aufstellen
Eine
Alternative, um von den Patienten Vorschläge zur Qualitätsverbesserung
zu erhalten, ist der Qualitätsbriefkasten. Dazu liegen Zettel im
Wartezimmer oder am Eingangsbereich aus, die der Patient ausfüllen kann.
Es geht dabei nicht nur um Bewertungen. Natürlich wäre auch das eine
Möglichkeit, um Patientenmeinungen zu erhalten, etwa durch Fragen mit
mehreren Ankreuzmöglichkeiten. Der Qualitätsbriefkasten will mehr: Er
soll die Patienten animieren, ausführlichere Vorschläge zu formulieren,
die zum Beispiel zur Verbesserung der Arbeitsabläufe und der
Patientenorientierung beitragen. So ist es möglich, die Erwartungen und
Wünsche der Patienten zum Qualitätsleitstern zu erheben. Die umfassende
Integration der Patientenmeinung verlangt ein starkes Selbstwertgefühl
seitens des Kieferorthopäden und des Praxisteams. Denn so mancher
Patient wird den Innovationsbriefkasten oder die schriftliche Befragung
als Möglichkeit zur ungerechtfertigten und stark übertriebenen
Beschwerde missbrauchen. Dem kann der Kieferorthopäde einen Riegel
vorschieben, indem er insbesondere den Fragebogen zur Patientenbefragung
von einem Anbieter ausarbeiten lässt, der sich auf die professionelle
Formulierung und Gestaltung solcher Befragungsbogen versteht. Solche
Anbieter wissen, wie eine Patientenbefragung aufgebaut sein muss, sodass
sie zu konkreten Hinweisen für die Qualitätsverbesserung führt.
Das Gespräch mit „Stammpatienten“ suchen
„Qualitätsdialoge“
sollte der Kieferorthopäde am besten mit Patienten führen, zu denen
bereits ein Vertrauensverhältnis besteht. Ihnen fällt es leichter, den
Finger in die Wunde zu legen und auch kritische Aspekte anzusprechen. Je
ausgeprägter das Vertrauen zwischen dem Kieferorthopäden und dem
Patienten ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass dieser auch
Verhaltensaspekte anspricht. Dies kann so weit reichen, dass der Patient
zum Beispiel auf Mitarbeiterschwächen direkt eingeht: „Was mir
aufgefallen ist, Ihre Mitarbeiterin, die Frau Müller, ist in letzter
Zeit immer so hektisch. Darunter leidet die Freundlichkeit!“ Natürlich
darf der Kieferorthopäde den Hinweis nicht ausnutzen, um die
Mitarbeiterin abzustrafen. Er dient ihm vielmehr dazu, mit ihr ein
sachliches Kritikgespräch zu führen und die Patientenorientierung in der
Praxis zu verbessern – und damit die Qualität.
Kommunikationskompetenz der Mitarbeiter optimieren
Ein
ungewöhnlicher Weg, die so wichtige Kommunikationskompetenz des
Kieferorthopäden und auch des Teams zu verbessern, besteht darin, jenen
QM-Berater zu gestatten, sich als „stiller Beobachter“ in der Praxis
aufzuhalten und bei den Gesprächen – sofern der Patient damit
einverstanden ist – dabei zu sein. So kann er unmittelbar nach einem
Gespräch ein konstruktiv-produktives Feedback geben, Schwachstellen
benennen, Stärken hervorheben und Verbesserungsvorschläge für die
Patientenkommunikation unterbreiten. Die Vorschläge lassen sich direkt
im nächsten Patientengespräch einsetzen – und wiederum gibt der
Berater Feedback. Im Idealfall setzt sich ein kontinuierlicher
Qualitätsverbesserungsprozess in Gang.
Fazit
Das
wohl wichtigste Kriterium für die Qualitätsorientierung in der
kieferorthopädischen Praxis ist die Patientenzufriedenheit. Gelebte
Qualität ist erreichbar durch die Optimierung der Beziehungen zwischen
dem Kieferorthopäden, den Mitarbeiterinnen, den Patienten und den
Praxisprozessen.
Die verwendete Literatur finden Sie hier.