Praxismanagement 02.03.2020

Think Big! Große Praxis – Will ich das wirklich?



Think Big! Große Praxis – Will ich das wirklich?

Sie sind Inhaber einer erfolgreichen Zahnarztpraxis mit Potenzial für mehr? Dann liegt natürlich der Gedanke nahe, Ihre Praxis (weiter) wachsen zu lassen. Doch Achtung: Der Wachstumsprozess verläuft nicht linear. Rund um die Einstellung des dritten Zahnarztes steigt die organisatorische Komplexität in der Praxis sprunghaft an. Es empfiehlt sich, Praxiswachstum planvoll anzugehen, um frustrierende Erfahrungen zu vermeiden.

Zahnärzte wollen zunehmend angestellt arbeiten. Von den Vorteilen einer blitzsauber organisierten großen Mehr­behandlerpraxis profitieren Patienten, Teammitglieder und Praxisinhaber gleichermaßen. Der Weg zu einer echten Großpraxis ist allerdings kein Spaziergang. Zum Einstieg in die Thematik stellen wir unser Modell vor, das die typischen Größenkategorien von Zahnarztpraxen zeigt – siehe Grafik.

Große Zahnarztpraxen sind in vielen

Fällen aus kleineren Praxen entstan­den. Häufig wird eine Einzelpraxis (Kate­gorie I) übernommen und innerhalb von ein oder zwei Jahren in Kategorie II entwickelt. Je nach persönlicher Gestimmtheit und Energie geht es dann vielleicht noch weiter: Kategorien III und IV sind das persönliche Karriereziel ambitionierter Unternehmerzahnärzte. Genau hier lauert allerdings die Falle: Für Zahnarztpraxen ab Kategorie III gelten grund­legend andere Erfolgsprinzipien. Der Übergang von II nach III ist nicht nur finanziell riskant, sondern auch mit erheblichen Konsequenzen für das eigene Aufgabenprofil verbunden – und darf insofern wohlüberlegt sein.

© KlapdorKollegen Dental-Konzepte, 2019 – Alle Rechte vorbehalten

Der Praxisinhaber hat in Kategorie I und meistens auch noch in Kategorie II die Rolle des Hauptumsatzträgers. Ein oder zwei angestellte Zahnärzte kann er kollegial im Blick behalten und die Chefaufgaben in der Praxisführung prag­matisch handhaben, weil die Teamgröße noch eine weitgehend zentralistische Führung ermöglicht. Der Großteil der eigenen Arbeitszeit kann produktiv und damit gewinnwirksam am Patienten verbracht werden; das gilt insbesondere dann, wenn die Verwaltungsspitze mit einer Schlüsselperson verlässlich besetzt ist. Die Praxisverschuldung ist gut überschaubar bei gleichzeitig hoher Planungssicherheit, weil sich überraschende Wechsel angestellter Zahnärzte notfalls interimsweise durch eigene Mehrarbeit auffangen lassen. Sofern die therapeutischen Standards zukunftsfähig gesetzt sind und auf wertschätzendes Miteinander im Team geachtet wird, lassen sich mit Praxen der Kategorie II hoch attraktive Renditen erwirtschaften.

Mit Übergang in Größenkategorie III – rund um den dritten angestellten Zahnarzt – verändert sich die Alltagsituation grundlegend. Allein durch die größere Anzahl von Mitarbeitern passiert mehr gleichzeitig und es entsteht Komplexität. Warum macht die neue Kollegin A so viele PAR-Behandlungen? Warum wirkt die früher immer so fröhliche ZMP verschlossen und ist häufiger krank? Warum trinkt Kollege B ständig Kaf­fee – er müsste doch zu tun haben? Warum sind neben der Endo zwei Kon­trolluntersuchungen parallel terminiert, die müssten vorne doch wissen, dass das nicht geht? Warum ist die Verbrauchsmaterialquote eigentlich so enorm gestiegen? Die Kontostände sind ohnehin schon alarmierend. Und wieso stehen die Zimmer ständig leer?

Beim Übergang von Kategorie II zu III wird ein Schalter umgelegt. Mitunter kann der Eindruck entstehen, dass von jetzt auf gleich nichts mehr funktio­niert. Der Praxisinhaber kann nicht mehr alles überblicken und kann auch nicht mehr unmittelbar Ursache und Wirkung nachvollziehen, weil eine Fülle von Aktionen, Reaktionen, unterschiedliche Verhaltensmuster und Befindlichkeiten zusammenfallen. Wer als Inhaber eine Großpraxis weitermacht wie in Kategorie I und II, riskiert seine Ge­sund­heit und seine Existenz.  

Es gibt drei zentrale Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Erfolg von Zahnarztpraxen ab Größenkategorie  III: 

1. Führungskraft sein

Der Praxisinhaber legt seine gelernten Erfolgsmuster ab. Er konzentriert sich auf das Denken in Strukturen und Prozessen und engagiert sich mit jeder Zelle seines Körpers dafür, wirksam zu delegieren. Also den Mitarbeitern optimale Rahmenbedingungen für die volle Entfaltung ihrer Stärken in der Praxis zu bieten. Er ist bereit zu Selbstreflektion und zum systematischen Erlernen von Führungskompetenz und Führungs­methoden. Es gibt hier zwei zentrale betriebswirtschaftliche Kennzahlen, an denen sich Praxisinhaber orientieren dürfen: Delegationsquote und Honorarstundensatz. Das bedeutet: Fokus auf den Honoraranteil der Mitarbeiter (Delegationsquote) und deren Behandlungseffizienz (Honorarstundensatz). Im Rahmen betriebswirtschaftlicher Planung werden für beide Kennzahlen langfristige Ziele gesetzt und dadurch systematisch Erfolge entwickelt. Die eigenen Behandlungsstunden werden also zugunsten der neu auftretenden Management- und Führungsaufgaben reduziert.

Brillante Stürmer sind nicht automa­tisch auch brillante Trainer. In der Großpraxis geht es nicht mehr darum, die Tore selber zu schießen, sondern eine erfolg­reiche Mannschaft zu entwickeln. Die größte Herausforderung ist also: Weg vom Ego, weg von der Selbstoptimierung hin zum Selbstverständnis als Coach, Moderator und Förderer des Systems.

Neben der individuellen Führungsarbeit gehört dazu, eine sinnstiftende Praxiskultur zu pflegen, die das Wohl von Patienten und Mitarbeitern gleichermaßen im Fokus hat. Wer hier die entscheidenden Unterschiede macht, hat das Herz der Menschen und damit die Zukunft auf seiner Seite. Lassen Sie die angestellten Kollegen konsequent von eigener Kompetenz und Erfahrung profitieren und fördern Sie Kooperation im Team, damit die gemeinsam gesteckten Ziele erreicht werden. Im Ergebnis entstehen Bindung an die Praxis, eine starke Arbeitgeberpositionierung und die betriebswirtschaftliche Basis für attraktive Gehälter und angemessene Praxisgewinne im neuen Konzept.

2. Organisation verdichten

Die Praxisorganisation wird verdichtet und effizienzoptimiert. In Praxen ab Kategorie III funktioniert nichts mehr auf Zuruf. Es gilt, ein System zu etablieren, das die Leistungserbringung in klare Bahnen lenkt und vereinheitlicht, um im Ergebnis profitabel zu wirtschaften.

Die zentralen Ansatzpunkte sind: 

  Glasklare Regeln für Terminierung und Patientensteuerung (in der Rezeption wird die Produktivität der Praxis gesteuert)

  Einheitliche, im Zahnärzteteam einvernehmlich abgestimmte Behandlungsabläufe

  Regeln für Neupatientenzuordnung und interne Patientenüberweisung

  Feinjustierte Abläufe für Dokumentation und Abrechnung 

  Angemessene Digitalisierung des Workflows

  Betriebswirtschaftliche Planung und Praxiscontrolling 

  Zukunftsfähige Arbeitsbedingungen und aktive Arbeit an der Praxiskultur

3. Teamleiter aufbauen

Die Etablierung einer funktionierenden zweiten Führungsebene. Ob eine Unternehmung funktioniert oder nicht, hängt ganz wesentlich von der Qualifikation der zweiten Führungsebene ab. Zahnarztpraxen der Kategorie III brauchen eine funktionierende Teamleiterstruktur und ab einer gewissen Größe weiteres Führungspersonal: Das kann je nach Ausgangslage beispielsweise ein Orga- und Personalmanager, ärztlicher oder kaufmännischer Leiter oder Betriebswirt als rechte Hand des Inhabers sein.

Die zweite Führungsebene übernimmt Koordinations- und Steuerungsaufgaben im Praxisalltag und sorgt dafür, dass eine Geschäftsstruktur aufgebaut wird, die den Betrieb loslöst von der notwendigen täglichen Einwirkung des Unternehmerzahnarztes. Entscheidend ist es, nicht bei der Benennung von vermeintlich geeigneten Teamleitern stehen zu bleiben, sondern die betreffenden Personen auch aktiv und systematisch persönlich und fachlich für ihre Aufgaben – gegebenenfalls mithilfe von außen – zu qualifizieren.

Was macht das mit mir?

Das fühlt sich zunächst ungewohnt an: Auf die Leistungen anderer vertrauen, die Sicherheit und den Gewinnbeitrag der eigenen Honorarstärke schrittweise aufgeben, Zeit in Mitarbeiter und in das Organisationskonzept investieren anstatt in die eigene Arbeit am Patienten. Dieses Gefühl gilt es konstruktiv anzunehmen. Große Praxis – will ich das wirklich – entscheidet sich genau an dieser Stelle.

Denn: Je größer die Praxis in Kategorie III wird, desto alternativloser ist dieser Weg. Weil ansonsten die eigene Überlastung programmiert ist und sich kein Firmenwert aufbaut. Eine Großpraxis ist für Dritte nur so viel wert wie das, was überbleibt, wenn der Praxisinhaber raus ist. Funktionierende Delegationsstrukturen sind zwingend erforderlich, um den Betrieb früher oder später überhaupt weitergeben oder verkaufen zu können.

Fazit

Wer Großes vorhat, ist gut beraten, die eigene Motivation und die eigenen Möglichkeiten realistisch zu hinterfragen. Fakt ist, dass eine große Mehrbehandlerpraxis komplett anders funktioniert als der Drei-Behandler-Betrieb. Ambi­tionierte Praxiskonstruktionen eignen sich primär für echte Unternehmerzahnärzte, die sich gerne auch außerhalb der Komfortzone bewegen und Freude an großen Visionen und inten­siven Entwicklungsphasen haben.

Von vornherein groß zu gründen ist anfänglich finan­­ziell deutlichst riskanter, ermöglicht es allerdings, direkt in Strukturen und Prozessen zu denken und die Gesamtorganisation von Beginn an entsprechend anders aufzubauen.

Der Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

Foto Teaserbild: kuliperko - stock.adobe.com
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