Praxismanagement 21.02.2011

Kommunikations-Kompetenz in der parodontologischen Praxis

Kommunikations-Kompetenz in der parodontologischen Praxis

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Wahrscheinlich kennt ihn jeder Parodontologe – den überempfindlichen, ja ängstlichen Patienten. Wie sollen der Arzt und seine Mitarbeiter reagieren, wenn sie es mit Patienten zu tun haben, die sich – aus ihrer subjektiven Sichtweise heraus – in einer Extremsituation befinden? Antworten darauf in diesem Beitrag von Patric P. Kutscher, Trainer, Berater und Coach sowie Direktor des Deutschen Instituts für Rhetorik in Bensheim.

Der kleine Patient – neun Jahre jung und zum ersten Mal beim Parodontologen – hat schlicht und einfach Angst. Um die Eltern ist es auch nicht besser bestellt: Der Kleine wird doch wohl nicht Schmerzen erleiden müssen? Dabei handelt es sich „nur“ um eine Präventionsmaßnahme – der Sohn ist von den Eltern her vielleicht vorbelastet. Mutter und Vater leiden unter Parodontitis. Nun soll geprüft werden, wie es um den Zahnhalteapparat des Nachwuchses bestellt ist. Der Parodontologe ist sichtlich genervt und sagt: „Nun stell dich nicht so an, es schmerzt doch überhaupt nicht.“

Das war es. Das so wichtige Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient – und auch zwischen Eltern und Arzt – ist empfindlich gestört. Menschliches und sprachliches Einfühlungsvermögen wären die bessere Alternative gewesen.

Wertschätzende Patientenkommunikation

Für den Parodontologen sollte der Patient im Mittelpunkt stehen. Mit all seinen Ängsten und Befürchtungen, mit seinen Hoffnungen und Wünschen. Wenn der Arzt aber so wie in dem Beispiel reagiert oder nach dem Motto „Ich bin der Meinung, dass …“ einen Monolog in seiner Fachsprache hält, die der Patient nicht versteht, ist vor allem der ängstliche Patient hoffnungslos überfordert. Besser ist es, wenn sich der Parodontologe verständlich ausdrückt, mit jugendlichen Patienten altersgerecht kommuniziert und auch die Begleitpersonen, etwa die Eltern, mit ins kommunikative Boot holt. Ein Patentrezept gibt es nicht. Wichtig sind die Wertschätzung jedes Patienten und die Sensibilisierung des Parodontologen für die Folgen, die (seine) Sprache im Patienten auslösen kann.

Verbale und nonverbale Sensibilität

Zur Erläuterung dient ein weiteres Beispiel: Bei einer schwangeren Patientin geht es um eine routinemäßige parodontologische Untersuchung. Es drohen keine zusätzlichen Risiken aufgrund der Schwangerschaft. Nur: Die Patientin empfindet das ganz anders – vielleicht ist sie falsch informiert und befürchtet Nebenwirkungen für ihr Kind. Wenn der Parodontologe nun mit bagatellisierenden Floskeln wie „Ist doch alles nur halb so schlimm“ daherkommt, verunsichert er die Patientin. Er sollte in dieser Situation noch mehr als sonst auf seine Sprache achten und sogenannte Minuswörter oder Minussätze vermeiden. Dazu zählen etwa „Ich habe Ihnen doch bereits gesagt, dass …“ oder „Sie müssen endlich einsehen, dass …“

Entscheidend ist die Körpersprache: Wenn jene Minussätze mit heftigem Kopfschütteln oder einer abwertenden Handbewegung einhergehen, ist die Patientin endgültig davon überzeugt, dass dieser Arzt nicht ihr Vertrauen verdient. Besser ist es, positive Satzanfänge wie „Sie können sich darauf verlassen …“ zu wählen, dies mit einem leichten Kopfnicken zu begleiten und außerdem den intensiven Blickkontakt zur Patientin zu suchen. Zudem sollte der Arzt sie mit ihrem Namen ansprechen, um auch auf dieser Ebene Vertrauen aufzubauen.

Sprachliche „Unfälle“ vermeiden

Die Sprache bietet genügend Variationsreichtum, um so gut wie jeden Sachverhalt positiv auszudrücken. Angenommen, die Patientin erzählt dem Arzt eine recht hanebüchene Geschichte: „Ich habe gelesen, dass man während der Schwangerschaft bei einer parodontologischen Untersuchung unbedingt …“ Dies könnte der Parodontologe mit einer Aussage kontern wie „Das ist doch Unsinn, das entspricht überhaupt nicht den Tatsachen“. Damit würde er sogar recht haben – er würde allerdings bei der empfindlichen Patientin den Verdacht erwecken, er wolle sie auch noch der Lüge bezichtigen. In dieser Situation geht es nicht um recht haben oder nicht – und darum antwortet er einfach: „Das höre ich zum ersten Mal. Meiner Erfahrung nach sollten Sie dies besser unterlassen, weil …“

Das heißt: Ein sensibler Parodontologe überlegt sich stets, was seine Äußerungen im Kopf des Patienten, zumal wenn er unter Druck steht, älter ist oder sehr ängstlich, auslösen und bewirken können.

Eine Aufforderung wie „Frau Patientin, Sie müssen Folgendes tun …“ mag vom Parodontologen gar nicht besserwisserisch gemeint sein. Und es liegt selbstverständlich nicht in seiner Absicht, die Patientin zu verunsichern. Aber: In der hochsensiblen Wahr- nehmung der ängstlichen schwangeren Frau läuft vielleicht folgendes Szenario ab: „Wieso muss ich das tun? Was passiert, wenn ich es nicht befolge? Warum betont er diese Notwendigkeit überhaupt so? Besteht etwa eine Gefahr – und er will mich nur nicht beunruhigen?“

Dies mag ein übertriebenes Beispiel sein, zeigt aber doch die sprachliche Sensibilität, ja Virtuosität, die Parodontologen gerade im Umgang mit Patienten an den Tag legen sollten, die sich in einer schwierigen Situation befinden.

Sprachliche Blockadesätze beiseite räumen

Die schlimmsten Unfälle des Lebens sind oft die der Sprache. Der Parodontologe muss kein Sprachkünstler sein. Oft genügt der gesunde Menschenverstand, der ihm zu verstehen gibt, dass sprachliche Blockadesätze wie die folgenden besser ungesagt bleiben sollten:
• die unzulässige Verallgemeinerung: „Das ist doch immer so!“
• die Rechthaberei: „Sie können mir ruhig glauben, schließlich bin ich der Fachmann!“
• die Bagatellisierung: „Das wird schon wieder, Sie machen sich vollkommen zu Unrecht Sorgen!“
• die moralische Anklage: „Sie hätten eben früher kommen müssen!“
• die Ironisierung: „Sie sind nicht die erste Schwangere, die ich untersuche!“

Verständlichkeit geht vor Ausführlichkeit

Mit einer bildhaften und anschaulichen Sprache, Visualisierungstechniken und treffenden Vergleichen ist es möglich, die Sprachwelt des Patienten zu betreten. Bei der Erläuterung etwa einer komplizierten Behandlungstechnik sollte der Parodontologe verwirrende und überflüssige Details und Nebenaspekte weglassen und die Behandlungsweise mithilfe eines Schaubildes erklären. Dem Patienten geht es im Normalfall mehr um die Darstellung des Nutzens der Behandlung.

Eine weitere sprachliche Möglichkeit, dem ängstlichen Patienten das Gefühl zu geben, ernst genommen zu werden, besteht in der konsequenten Einnahme des Sie-Standpunktes, also des Standpunktes des Patienten. Dazu tilgt der Parodontologe Wörter wie „ich, mir, meiner, mich, wir, unser“ aus seinem Wortschatz. Ein Beispiel: Ein Satz wie „Ich bin der Meinung, dass …“ wird ausgetauscht gegen „Was halten Sie davon, wenn wir …“

Techniken wie der Sie-Standpunkt und die Vermeidung von Minuswörtern und Minussätzen lassen sich trainieren. Allerdings: Glaubwürdig und authentisch kommt dies beim Patienten nur an, wenn die patientenorientierte Kommunikation nicht um ihrer selbst willen praktiziert wird, sondern der Einstellung des Parodontologen entspricht, für ihn also das Wohl des Patienten tatsächlich im Fokus steht. Dann wird sich die Sprache oft automatisch dieser Einstellung anpassen.

Kommunikative Kompetenz des Teams stärken

Gerade in den Phasen vor und nach den Behandlungen und Untersuchungen haben die Patienten mehr mit den Mitarbeitern zu tun als mit dem Parodontologen. Darum ist es von Vorteil, wenn auch das Team jene sprachliche Feinfühligkeit an den Tag legt und etwa Fachvokabular vermeidet und Komplexität, die der Patient, zumal der ängstliche, nicht nachvollziehen kann, reduziert.

Hier hat der Parodontologe eine Einflussmöglichkeit, indem er seine Vorbildfunktion nutzt: Dazu ersetzt er nicht nur in der Kommunikation mit den Patienten, sondern auch mit den Mitarbeitern den Ich- durch den Sie-Standpunkt und verwendet positive Formulierungen. Die Mitarbeiter werden dieses Kommunikationsmuster mit einiger Wahrscheinlichkeit in ihr Sprachverhalten integrieren und schließlich im Patientengespräch einsetzen. Unterstützend wirkt es, wenn sich Parodontologe und Mitarbeiter gemeinsam patientenorientierte Musterformulierungen im Sie-Standpunkt überlegen und sie einüben.

Fazit

Der Blick in die Augen, die offene Körpersprache, die Namensnennung, der Sie-Standpunkt und die Vermeidung von Minuswörtern und Minussätzen sowie Formulierungen wie „Sie können sich darauf verlassen …“ sind geeignet, ängstliche Patienten zu beruhigen. Und vielleicht denken diese schließlich: „Der Parodontologe will wirklich hören, was mich bewegt und was ich zu sagen habe – ihm kann ich wirklich vertrauen!“

Beachten Sie im Umgang mit überempfindlich-ängstlichen Patienten:

• Arbeiten Sie an Ihrer patientenorientierten Einstellung, um sprachliches Einfühlungsvermögen zu erlangen.
• Versetzen Sie sich in die Situation des Patienten.
• Verwenden Sie Positivformulierungen, vermeiden Sie Minussätze und nehmen Sie den Sie-Standpunkt ein.

Autor: Patric P. Kutscher


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