Recht 28.02.2011

BEB oder BEL, das ist hier die Frage



BEB oder BEL, das ist hier die Frage

Foto: © Shutterstock.com

Aktuelle Gerichtsentscheidungen erklären „GKV-Preise“ auch bei der Implantatversorgung privat versicherter Patienten für anwendbar – und die Abrechnung höherer Material- und Laborkosten zur Ausnahme. Zu Unrecht, wie viele meinen.

Müssen private Krankenversicherer ihren Mitgliedern die Kosten von Zahnlaborleistungen erstatten, die auf Grundlage der Bundeseinheitlichen Benennungsliste für zahntechnische Leistungen (BEB) berechnet worden sind? Oder dürfen sich Privatversicherer stattdessen auf listenmäßige Obergrenzen berufen, wie sie das für Kassenpatienten maßgebliche Bundeseinheitliche Verzeichnis zahntechnischer Leistungen (BEL) vorsieht? Für den Zahnarzt und den von ihm beauftragten Zahntechniker stellt die „Abrechnung nach BEB“ unter dem Gesichtspunkt der Preis- und Honorargestaltung einen klaren Pluspunkt dar. Aus Sicht der Privatversicherer wird sie mit Blick auf die Beitragsentwicklung zunehmend kritisch beurteilt. Entsprechend restriktiv ist deren Erstattungsverhalten. Ob das BEL auch im Bereich der Privatliquidation als Obergrenze Anwendung finden soll, ist Gegenstand eines anhaltenden Tauziehens vor den Instanzgerichten. Sein Ausgang ist nicht abzusehen.

Die Ablehnung des BEL in der Rechtsprechung

Die frühere – teils auch obergerichtliche – Rechtsprechung lehnte bei der Abrechnung zahntechnischer Leistungen die Anwendbarkeit des mit den gesetzlichen Krankenkassen vereinbarten BEL auf Privatversicherte überwiegend ab.1 Mit Verweis auf den Versichertenstatus von Privatpatienten wurde dabei argumentiert, dass kassenärztliche Tarife im Bereich der privaten Krankenversicherung nicht anwendbar seien, da privatärztliche und kassenärztliche Leistungen nicht gleichgestellt werden könnten. Anders als für den Kreis der in einer gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten bestehe bei der Be­urteilung der von Privatversicherten zu zahlenden Vergütung kein Wirtschaftlichkeitsgebot im engeren Sinne.2 Auch sei die Versorgung der Privatversicherten mit besonderen Anforderungen verbunden.3 Es komme mithin allein auf die
im Einzelfall angemessenen Aufwendungen an. Diese ergäben sich aus den konkret in Auftrag gegebenen Arbeiten, ggf. unter Berücksichtigung der örtlichen Gepflogenheiten.4 In den Augen ihrer Kritiker leidet diese Argumentation daran, dass sich die werkvertraglich geschuldeten zahntechnischen Laborleistungen für Kassen- und Privatpatienten in aller Regel gleichen.5 Für identische Leistungen aber könnten unterschiedliche Preise nicht verlangt werden, so das Gegenargument. Auch wird eingewendet, dass ein Privatversicherten vorbehaltener Sorgfaltsmaßstab, der ein abweichendes Prothe­tikhonorar rechtfertigen könne, nicht existiere.6

Die aktuelle Rechtsprechung einiger Instanzgerichte

In der jüngeren Rechtsprechung wird die Anwendbarkeit des BEL auf zahntechnische Laborleistungen für Privatversicherte zunehmend bejaht.7 In der Literatur findet diese Entwicklung mittlerweile in weitem Maße Zustimmung.8 Operiert wird dabei mit unterschiedlichen Begründungsansätzen. Ausgehend vom Maßstab der medizinischen Notwendigkeit, wie er auch der Gebührenordnung für Zahnärzte zugrunde liegt,9 wird insoweit insbesondere in Abrede gestellt, dass es im Bereich der Laborleistungen unterschiedliche Qualitätsstandards für Privat- und Kassenversicherte gebe, beziehungsweise dass eine Unterscheidung unzulässig sei. Nur im Einzelfall könne eine nach Art und Ausführung tatsächlich aufwendigere Laborleistung eine Leistungspflicht des Privatversicherers begründen, die dann auch über das BEL hinausgehe.

Wer hat „Recht“?

Nach § 9 GOZ ist der Zahnarzt berechtigt, dem Patienten tatsächlich entstandene, angemessene Aufwendungen für zahntechnische Leistungen in Rechnung zu stellen, soweit diese nicht bereits mit den Gebühren abgegolten sind. Dreh- und Angelpunkt der Kon­troverse ist dabei der unbestimmte Rechtsbegriff der „Angemessenheit“.

In neueren Gerichtsentscheidungen wird dieser „statistisch“ verstanden: Was 90 Prozent der Versicherten erstattet bekämen, sei verkehrsüblich und in Ermangelung einer amtlichen Taxe10 daher auch angemessen.11 Falle im Einzelfall tatsächlich ein Mehraufwand an, bleibe dieser berechnungsfähig, ohne dass es auf eine Unterscheidung nach dem Versichertenstatus ankäme. In älteren Judi­katen wird dagegen stärker „rechtssystematisch“ argumentiert: Gesetzliche Krankenversicherung und Private Krankenversicherung seien strukturell verschieden. Daher hieße es gleichsam, Äpfel mit Birnen zu vergleichen, wollte man Höchstpreislisten, wie sie für den Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung entwickelt worden sind, auch für Privatversicherte direkt oder entsprechend anwenden. Missbräuchen bei der Berechnung von Prothetikhonorar und der Material- und Laborkostenhöhe werde durch die Berücksichtigung des örtlichen Vergleichsmaßstabs bzw. durch allgemeine Rechtsregeln vorgebeugt (etwa: Regeln zur Sittenwidrigkeit). Auch stehe es den Privatversicherern frei, in ihren Vertragsbestimmungen die Kostenerstattung zu beschränken – was ja auch, so das Argument, zunehmend von Versichererseite praktiziert werde.

Da beide Auffassungen mit dem Wortlaut der zitierten Norm vereinbar scheinen, es insoweit keine einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung gibt und auch der Gesetzgeber kurzfristig wohl keine Klarheit her­beiführen wird,12 handelt es sich bei der Frage um „BEL oder BEB“ im Bereich der Privatliquidation aus anwaltlicher Sicht vor allem um eine Frage nach der örtlichen Spruchpraxis – und zugleich auch um eine „Glaubensfrage“. Entsprechend unversöhnlich stehen sich die Positionen gegenüber.13 Zuzugeben ist den BEL-Befürwortern immerhin, dass der Maßstab der zu ermittelnden Angemessenheit „tatsächlicher“ Natur sein muss.14 Verweise auf die Erstattung von Zahnersatzleistungen von GKV-Patienten erscheinen daher nicht von vornherein unzulässig. Bei Rechtsprechungsdivergenzen15 wie der vorliegenden muss den Zahnärzten und den von ihnen beauftragten Zahntechnikern nahegelegt werden, sich vorsorglich auf eine Kostenerstattung nach BEL einzustellen, um den Schatz, den selbst dieses ungeliebte Instrument der Kostendämpfung immerhin bereit hält, möglichst effektiv zu heben. Gemeint ist damit die Möglichkeit, eine im Einzelfall nach Art und Ausmaß tatsächlich überdurchschnittlich aufwendige Laborleistung voll abzurechnen.

Fazit und Basisstrategie

Die Anwendbarkeit von „GKV“-Preisen bei der Implantatversorgung von Privatversicherten wird von den Gerichten traditionell uneinheitlich bewertet. Es mehren sich die Stimmen, die das BEL
jedenfalls als Deckelungsinstrument auch im Bereich der Privatliquidation für maßgeblich halten. Bei der Abrechnung sind zum Zwecke der Haftungsvermeidung und im Interesse einer optimalen Preis- und Honorargestaltung drei Aspekte auseinanderzuhalten:

1. Leistungsbeschränkung innerhalb des vertraglich vereinbarten Leistungstarifs beachten.
Privatversicherer können in ihren Vertragsbestimmungen die Übernahme von überschießenden Kosten für Ma­terial- und Laborleistung ihren Mit­gliedern gegenüber ausschließen. Im Regelfall ist hiergegen kein rechtliches Kraut gewachsen. Etwas anderes gilt, wenn eine derartige Deckelung im Vertragsgefüge nicht deutlich genug erkennbar ist (z.B. an überraschender Stelle „versteckt“ oder unverständlich formuliert). Das Studium der Vertragsbedingungen ist grundsätzlich Sache des Versicherten. Jedoch dürfen ihm gegenüber von Behandlerseite keine Erklärungen „ins Blaue“ abgegeben werden, auch nicht zu Fragen der Übernahme von Kosten des Zahnlabors. Zahnarzt und Zahntechniker sollten den Versicherten daher stets auf die Vertragsbedingungen seines Privatversicherers verweisen, ohne vorzugeben, diese genau oder auch nur im Großen und Ganzen zu kennen.

2. Dem Privatversicherer gegenüber auf die BEB-freundliche Rechtsprechung verweisen.
Stehen die Vertragsbedingungen einer Abrechnung nach BEB nicht entgegen, kann versucht werden, eine Kosten­erstattung auf der Grundlage von BEB zu verlangen. Hierfür sollten sich Patient, Zahnarzt und Zahntechniker auf die ihre Position stützende Rechtsprechung beziehen. Vor Erhebung einer Klage verdient die örtliche Spruchpraxis besondere Beachtung.

3. Besonderen Mehraufwand nachvollziehbar darlegen. Auch im Falle der Maßgeblichkeit von BEL-Preisen bleiben höhere Auslagen berechnungsfähig, wenn die tatsächlich erbrachten Laborleistungen mit einem zeitlich-qualitativen Mehraufwand verbunden gewesen sind. Dieser ist von der Behandlerseite detailliert darzulegen. Einen abschließenden Katalog von Mehraufwandsbegründungen gibt es nicht. Mit dem Verweis auf eine schwierige Ausführung oder einen hohen Zeitaufwand ist es aber nicht getan. Geeignete Anknüpfungspunkte für die Begründung besonderer Anforderungen hinsichtlich Güte und Genauigkeit der zahntechnischen Laborleistungen liefert die in diesem Beitrag zitierte aktuelle Rechtsprechung. So kann mit Rücksicht auf die Vorgeschichte und das Lebensalter des Versicherten etwa ein zwingend zu erzielendes ästhetisches Ergebnis anzustreben sein (z.B. Farb- und Formgebung von Kronen und Brücken) oder es können im Übrigen besondere zahnmedizinische Anforderungen bestehen (z.B. abweichende Kauflächengestaltung), die etwa umfangreiche funktionsanalytische Maßnahmen in Praxis und Labor erfordern.16 Prozessual trifft den liquidierenden Zahnarzt dabei die Beweislast für den tatsächlichen Anfall der geltend gemachten (Labor-)Kosten.

Eine ausfühliche Literaturliste finden Sie hier.

Autor: FA, MedR Norman Langhoff, LL.M., RA Niklas Pastille


Mehr News aus Recht

ePaper