Recht 28.02.2011

Behandlungs- oder Aufklärungsfehler – Wo ist der Unterschied?



Behandlungs- oder Aufklärungsfehler – Wo ist der Unterschied?

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Immer mehr Praxen werden mit Behandlungsfehlern konfrontiert. Meist wird auch gleich ein angeblicher Aufklärungsfehler hinterhergeschoben. Dies stellt keinen unbedeutenden Schachzug der Patientenanwälte dar.

Kann der Patient mit einem Behandlungsfehlervorwurf nicht durchdringen, tut es der Vorwurf der unzureichenden Aufklärung ebenfalls. Alle Klageansätze verfolgen ein und dasselbe Ziel: Einen Zahlungsanspruch des Patienten.

Woher kommt die Klagewut?

Die Gerichte sind zunehmend mit Haftungsprozessen beschäftigt. Die Haftpflichtversicherer stöhnen unter der Bearbeitungslast und die selbsternannten Patientenanwälte schießen wie Pilze aus dem Boden. Ursachen für diese Tendenz gibt es mehrere: Anwälte wittern auf dem Sektor des Medizinrechts ein Geschäft. Dabei gilt: Je höher der Streitwert (also die Klageforderung), desto höher das Anwaltshonorar. Und die Klageforderung bestimmt letztlich der Anwalt – der Patient wird ihm da gerne folgen. Je mehr ihm ausgemalt wird, desto besser. Eine Rechtsschutzversicherung steht regelmäßig Gewehr bei Fuß.

Die Medien zerren immer wieder gerne unschöne Beispiele hervor, wo einem Patienten Unrecht getan wurde oder ein Behandler nahe dem Wucher oder der Sittenwidrigkeit abgerechnet haben soll. Die privaten Krankenversicherungen dürfen nach dem neuen Versicherungsvertragsgesetz nicht nur auf mögliche Behandlungsfehler hinweisen, sondern den Patienten sogar gleich einer Rechtsschutzversicherung bei der Verfolgung seiner Ansprüche unterstützen. Insgesamt werden den Patienten und denen, die ebenfalls ein Interesse an einem Haftungsfall haben, zahlreiche Anreize geboten, finanzielle Forderungen zu stellen.

Die Diskrepanz

Regelmäßig zielen die Vorwürfe auf eine fehlerhafte Behandlung ab. Meist wird wie gesagt zusätzlich auf eine nicht ordnungsgemäße Aufklärung abgestellt. Der entscheidende – und oft im wahrsten Sinne des Wortes – prozessentscheidende Unterschied liegt in der Beweislast. Den Behandlungsfehler muss der Patient beweisen, die ordnungsgemäße Aufklärung der Behandler. Kann er dies nicht, muss er im Zweifel haften, ob er nun aufgeklärt hat oder nicht; nur, weil er es nicht beweisen kann. Voraussetzung für eine Haftung ist natürlich, dass es einen Schaden, eine Kausalität und vor allen Dingen eine nicht ordnungsgemäße Aufklärung gibt.

Der „Zwitter“: Die Sicherungsaufklärung

Einen „Zwitter“ in diesem System stellt die sogenannte Sicherungsaufklärung oder auch therapeutische Aufklärung genannt dar. Als Sicherungsaufklärung bezeichnet man die Aufklärung des Patienten darüber, wie er sich nach einem Eingriff verhalten soll. Das kann zum Beispiel nach einer Operation eine Information darüber sein, keine Zähne im OP-Gebiet zu putzen, harte und feste Speisen zu vermeiden und regelmäßig zu spülen. Unterbleiben medizinisch notwendige Unterweisungen des Patienten, stellt dies nach der Rechtsprechung in der Regel einen Behandlungsfehler dar (BGH, Urteil vom 16.06.2009, Az. 16.06.2009; BGH, Urteil vom 08.07.2008, Az. VI ZR 259/06).

Vorteil der Sicherungsaufklärung

Der Vorteil aus prozessrechtlicher Sicht ist für den Behandler bei der Sicherungsaufklärung, dass der Patient beweispflichtig für die nicht erfolgte Aufklärung ist. Dennoch ist es unerlässlich, die ordnungsgemäße Aufklärung sauber zu dokumentieren und gegebenenfalls durch Zeugenaussagen belegen zu können.

Was ist ein Behandlungsfehler?

Ein Behandlungsfehler ist jede ärztliche Maßnahme, die nach dem Standard der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung die gebotene Sorgfalt vermissen lässt. Ein Fehler kann sowohl bei der Behandlung selber als auch schon bei der Diagnose geschehen. Die Folgen sind zivilrechtliche, manchmal auch strafrechtliche Konsequenzen. Meist streben die Patienten ein Schmerzensgeld an, welches sie auf dem zivilrechtlichen Wege einfordern. Eine Haftung des Behandlers setzt ein vorsätzliches, mindestens aber ein fahrlässiges Handeln voraus.

Zudem gibt es nicht nur den „normalen“ Behandlungsfehler, sondern darüber hinaus noch den groben Behandlungsfehler. Von einem groben Behandlungsfehler wird gesprochen, wenn ein Fehlverhalten des Behandlers vorliegt, das zwar nicht notwendig aus subjektiven, in der Person des Arztes liegenden Gründen, aber aus objektiver ärztlicher Sicht bei Anlegung des für einen Arzt geltenden Ausbildungs- und Wissensmaßstabes nicht mehr verständlich und verantwortbar erscheint, weil ein solcher Fehler dem behandelnden Arzt aus dieser Sicht „schlechterdings nicht unterlaufen darf“. Muss ein grober Behandlungsfehler angenommen werden, führt das zulasten des Behandlers zur Umkehr der Beweislast. Das heißt, in einem solchen Fall muss der Behandler darlegen und beweisen, dass seine Behandlung nicht fehlerhaft war.

Beispiele für einen groben Behandlungsfehler sind, wenn auf eindeutige Befunde nach gefestigten Regeln der ärztlichen Kunst nicht reagiert wird, oder wenn grundlos Standardmethoden zur Bekämpfung möglicher, bekannter Risiken nicht angewandt werden, und wenn besondere Umstände fehlen, die den Vorwurf des Behandlungsfehlers mildern können. Neben dem Behandlungsfehlervorwurf wird häufig die unzureichende Aufklärung gerügt.

Wie sieht eine ordnungsgemäße Aufklärung aus?

Wie bereits dargestellt, kann der Behandler wegen einer unzureichenden Aufklärung haften. Bezüglich der Aufklärung gibt es ein paar Umstände, die unbedingt beachtet werden sollten, aber immer wieder vernachlässigt werden. Im Folgenden werden ein paar Beispiele hervorgehoben: Aufzuklären hat grundsätzlich der Behandler. Medizinische Aufklärungsinhalte können an einen anderen Arzt delegiert werden, nicht aber an nicht approbiertes Personal.

Das Recht des Patienten auf Aufklärung basiert in dem im Grundgesetz verankerten Recht auf Selbstbestimmung. Die Aufklärung muss dem Patienten folglich dazu dienen, dass dieser sich eine eigene Entscheidungsgrundlage bilden kann. Bereits daraus folgt, dass das Aufklärungsgespräch grundsätzlich so zu führen ist, dass der Patient den Inhalt sprachlich und begrifflich nachvollziehen kann. Ist der Patient der deutschen Sprache nicht mächtig, muss eine übersetzende Person hinzugezogen werden.

Grundsätzlich reicht es aus, dass der Patient im „Großen und Ganzen“ aufgeklärt wird. Selbstverständlich ist es nicht erforderlich – und würde von dem Patienten als medizinischen Laien in der Regel auch nicht verstanden werden – dass ihm alle Einzelheiten und spezielle Fachfragen dargelegt werden. Der Patient muss so rechtzeitig aufgeklärt werden, dass er ohne Zeitdruck eine Entscheidung für oder gegen den Eingriff fällen kann. Bei größeren und länger geplanten Eingriffen müssen mindestens 24 Stunden zwischen Aufklärung und Behandlungsmaßnahme liegen. Bei alltäglichen ambulanten Eingriffen kann es wiederum ausreichen, den Patienten unmittelbar vorher aufzuklären. Die Unterzeichnung eines Einwilligungsbogens ist kein Beweis, sondern lediglich ein Indiz. Dies wird häufig verkannt. Man ist mit einer Unterschrift nicht 100%ig abgesichert, aber schon auf der sichereren Seite.

Tipp: Gründliche Dokumentation hilft!



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